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# taz.de -- Legalize it à la Böllinger: Grünes Erwachen
> Die Bremer Grünen lassen sich von Strafrechtler Lorenz Böllinger
> inspirieren. Der fordert ein Ende der Prohibition.
Bild: So schön grün! Kontrolliert-ökologische Hasch-Plantagen kann sich Bün…
BREMEN taz | Im September hat der Senat eine Anfrage der Linksfraktion zur
Drogenpolitik in Bremen beantwortet: „Derzeit sieht der Senat keine
Veranlassung, Initiativen zur Änderung des BtMG (Betäubungsmittelgesetz) zu
ergreifen“, hieß es dort. Das könnte sich freilich ändern, denn die Grünen
wollen das von ihnen bisher vernachlässigte Thema Drogenpolitik ins
Wahlprogramm aufnehmen. Noch allerdings befindet sich die Fraktion hier
„auf der Suche nach neuen Wegen“: So hieß es in der Einladung zum
Diskussionsabend mit dem Fraktionsvorsitzenden Matthias Güldner, der
gesundheitspolitischen Sprecherin Kirsten Kappert-Gonther und dem Bremer
Strafrechtler Lorenz Böllinger.
Der Einladung waren am Mittwoch auch der Leiter der JVA Oslebshausen,
MitarbeiterInnen von Beratungsstellen, der Polizei, StrafrechtlerInnen und
BewährungshelferInnen gefolgt. „Weltweit und in Deutschland sind sich
vielerorts Polizei, Justiz und AktivistInnen ungewöhnlich einig, dass die
Phase der repressiven Drogenpolitik gescheitert ist“, eröffnete Güldner den
Abend. Und nun sei es höchste Zeit zu diskutieren, „wie wir damit umgehen
wollen“. Sven Lehmann, Landesvorsitzender der Grünen in
Nordrhein-Westfalen, hätte hier sicher behilflich sein können, musste aber
aus Krankheitsgründen absagen.
Die NRW-Grünen stehen klar für die Entkriminalisierung von
Cannabis-Konsumenten, der ebenfalls grüne Münsteraner Polizeipräsident
Hubert Wimber wollte sogar Vorsitzender der deutschen Sektion von „Law
Enforcement against Prohibition“ (Leap) werden, also der Gesetzeshüter
gegen Prohibition. Das ist allerdings gescheitert: Das sozialdemokratische
NRW-Innenministerium soll ihn zurückgepfiffen haben.
Auch Bremens Polizeipräsident Lutz Müller nahm an der Diskussion nicht
teil: „Es ist bedauerlich, dass der Polizeipräsident als heftiger
Befürworter herkömmlicher Drogenpolitik nicht hier ist“, sagte Böllinger,
Mitbegründer des „Schildower Kreises“, einem Experten-Netzwerk gegen
Drogenprohibition. Er setzte sich 2013 für eine Petition an den Bundestag
ein, die mehr als 120 StrafrechtlerInnen unterschrieben haben und die eine
Enquete-Kommission zur Überprüfung der Strafbarkeit von Cannabis-Konsum
fordert.
Kriminalisierung, so Böllinger, gefährde die Gesundheit durch gepanschten
Stoff und zwinge in die Beschaffungskriminalität. Die Strafverfolgung
verursache immense Kosten und sei rechtlich höchst fragwürdig: „Das Merkmal
der Fremdschädigung muss für eine Ahndung eigentlich vorliegen – und wie
bei einer Selbstverstümmelung oder einem Suizid liegt das beim Drogenkonsum
nicht vor. Trotzdem wird er bestraft.“ In Bremen gelte das, so berichtet es
ein Bewährungshelfer, seit ein bis zwei Jahren auch für kleinste Mengen
Cannabis. Obwohl der Eigenbedarf bei sechs Gramm liege, würden seine
KlientInnen wegen weitaus weniger kriminalisiert: „Da geht es um Mengen von
teilweise unter einem Gramm.“ Auch wenn diese Verfahren meist eingestellt
werden: Selbst das hinterlässt laut Böllinger „immer einen strafrechtlich
vermittelten Makel“. Auf Landesebene könne die Regierung hier eingreifen
durch die Weisung, milder zu ahnden.
Böllingers Argumente überzeugen sogar die Ärztin und Gesundheitspolitikerin
Kappert-Gonther, die bisher eher im Ruf stand, Prohibitions-Befürworterin
zu sein. Dem freilich widerspricht sie: „Mir ging und geht es einzig und
allein darum, Drogen nicht zu verharmlosen.“ Dass das über 40 Jahre alte
deutsche Betäubungsmittelgesetz gescheitert sei, wisse indes auch sie:
„Gesundheitsschutz kann auf dieser Basis nicht gewährleistet werden.“
Dennoch: Während Güldner über Möglichkeiten Bremens sinnierte, sich für
eine Änderung der Drogenpolitik im Bundesrat starkzumachen und die globalen
Folgen der Prohibition benannte – von 2006 bis heute hat allein der
Drogenkrieg in Mexiko rund 70.000 Todesopfer gefordert – wirkte
Kappert-Gonther zurückhaltend: „Wir ringen um gute Möglichkeiten und
Lösungen und wollen zu einer Versachlichung der Diskussion gelangen“, so
ihr Resümee. Immerhin will sie sich dafür einsetzen, dass Angebote wie die
kontrollierte Vergabe von Spritzen in der JVA oder Drugchecking-Angebote
geprüft werden. Zum letzten Punkt hieß es in der Senatsantwort auf die
Linken-Anfrage: „Der Senat sieht für solche Angebote in Bremen derzeit
keinen Bedarf.“
23 Oct 2014
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Drogen
Legalisierung Marihuana
Grüne
Grüne Bremen
Drogen
Cem Özdemir
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