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# taz.de -- Kolumne Später: Keine Angst mehr vor der Leberwurst
> Seitdem ich nicht mehr bei Amazon bestelle, grüßt mich die Nachbarin Frau
> S. wieder besonders freundlich.
Bild: Die Autorin kriegt kein Päckchen mehr, das über das Band bei Amazon ger…
Neulich las ich in einem buddhistischen Buch den Glaubenssatz, dass die
Nichttat gewissermaßen die Tat des Alters ist. Im Klartext: Unterlassen ist
toll. Da fiel mir das mit Amazon und der pfälzischen Leberwurst wieder ein.
Noch vor einigen Wochen sah es nämlich so aus: Über Amazon habe ich alles
bestellt, ich hatte sogar ein Abo von Amazon-Prime, weil es dann schneller
geht. Es kamen DVD-Boxen mit TV-Serien, die ich nicht zu Ende schaute,
Bücher wie der „Distelfink“ (1.000 Seiten), „Warum Nationen scheitern“…
Seiten). Und es kamen, weil man das über Amazon so barrierefrei ordern
kann, die süße amerikanische Grillsauce, die ich noch aus den USA als so
lecker in Erinnerung hatte, ein Sitzkissen für das Auto, eine zweite
Thermoskanne und viele andere Dinge.
Ich bin nicht oft zu Hause. Aber die nette Nachbarin Frau S., Rentnerin, in
unsrer Reihenhaussiedlung ist fast immer daheim. Frau S. hat die Pakete
angenommen, das wurde ganz normal. Dafür brachte ich ihr von den Reisen
immer was mit, Honig aus Istanbul, Mozartkugeln aus Österreich. Schließlich
die Leberwurst im Glas aus der Pfalz. Doch eines Tages erzählte mir eine
Nachbarin, dass Frau S. nicht fett essen darf. Und Diabetikerin ist. Und
überhaupt Probleme mit dem Gehen habe, was sie aber nicht gerne zeige.
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Dass Frau S. für jede
meiner CDs und DVDs die Treppe runtergehen muss, wenn der Bote klingelt,
dann das Paket entgegennehmen muss, dann die Treppe wieder hinaufstapfen
muss, dann am Abend wieder hinuntergehen muss, wenn ich klingele, dann mir
das Paket geben muss, mich freundlich anschauen und mir sagen muss: „Aber
das macht doch nichts, ich bin doch da“, obwohl sie mich vielleicht hasst
für den Boten und die Päckchen und das Geklingel und die pfälzische
Leberwurst, für die sie sich auch noch bedanken musste. All das hatte ich
nicht bedacht.
## Die Buchhändlerin bedankt sich zweimal
Jetzt ist alles anders. Kein Amazon mehr. Bei uns um die Ecke hat ein neuer
Buchladen aufgemacht. Ich bestelle dort per E-Mail, am nächsten Tag hole
ich die Bücher ab. Die Frau im Buchladen bedankt sich immer zweimal, so,
als hätte ich ihr was gespendet. CDs und TV-Serien auf DVD kaufe ich nur
noch im Geschäft. Da muss ich hinradeln, da überlegt man sich vorher, ob
man das Zeug wirklich braucht. Das Amazon-Prime-Abo ist abbestellt.
Neulich habe ich in dem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ gelesen,
dass Menschen, die emotional geleitet sind und eh immer zu viel Süßes essen
und ein bisschen unreif sind – dass solche Leute auch Express-Lieferungen
bevorzugen, weil sie die Dinge immer gleich haben wollen und ein bisschen
wie Kinder sind, aus denen später mal nix wird. Da will man nicht
dazugehören. Ich habe das übrigens auf dem Kindle gelesen. Ich habe noch 20
Bücher drauf, ungelesen. Die Kindle-Bücher sind wie das Abo im
Fitnessstudio: Man hat sie bezahlt, aber liest und nutzt sie dann doch
nicht so.
Nachbarin S. grüßt übrigens neuerdings besonders freundlich. Das Geklingel,
den Boten und die Leberwurst muss sie nicht mehr fürchten.
27 Oct 2014
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Amazon
Boykott
Buchhandel
Glück
Frauen
Liebe
Frauen
Outdoor
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