# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Rumänien: Heilsbringer auf Platz zwei | |
> Die geringe Wahlbeteiligung ist ein Denkzettel für die politische Klasse. | |
> Hoffnungsträger Iohannis gelangt in die Stichwahl, doch siegen wird wohl | |
> ein anderer. | |
Bild: Hat seinen Namen für den Wahlkampf rumänisiert: Klaus Iohannis. | |
BERLIN taz | Bei der ersten Runde der gestrigen Präsidentschaftswahl in | |
Rumänien hat keiner der 14 angetretenen Kandidaten die absolute Mehrheit | |
erreicht. Die beiden Sieger des ersten Wahlgangs sind der | |
sozialdemokratische Kandidat und derzeitige Ministerpräsident, Victor Ponta | |
(42) und der Kandidat der Christlich-liberalen Allianz (ACL), der | |
rumäniendeutsche Bürgermeister aus Sibiu/Hermannstadt, Klaus Iohannis (55). | |
Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis, erhielt Ponta 39,57 Prozent der | |
Stimmen, Klaus Iohannis hingegen 30,19 Prozent. Wer von den beiden die | |
Nachfolge des derzeitigen Präsidenten Traian Basescu antreten wird, | |
entscheiden die Wähler in einer Stichwahl am 16. November. | |
Von den rund 18 Millionen wahlberechtigten Rumänen, hatten sich an dem | |
gestrigen Urnengang bloß 52 Prozent beteiligt. Die niedrige Beteiligung ist | |
mehr als nur ein Symptom der Wahlverdrossenheit in dem zweitärmsten Land | |
der Europäischen Union. Es ist ein Denkzettel für die gesamte rumänische | |
Politikerkaste, die als korrupt und inkompetent empfunden wird. | |
Die Kandidatur des politisch unverbrauchten rumäniendeutschen Klaus | |
Iohannis weckte bei vielen Wählern die Hoffnung auf einen Neuanfang nach | |
dem Ende der zehnjährigen Amtszeit des notorischen Intriganten Traian | |
Basescu. Die von rumänischen Politikern seit dem blutigen Untergang des | |
Ceausescu-Regimes im Dezember 1989 versprochenen blühenden Landschaften | |
haben sich im letzten Vierteljahrhundert als leere Worthülsen erwiesen. | |
Diesen Zustand versprach Johannis zu beenden. Deshalb setzte er in seinem | |
Wahlkampf bewusst auf die von ihm verbuchten sichtbaren wirtschaftlichen | |
Erfolge als Bürgermeister einer Provinzstadt und suggerierte, dieses Modell | |
auf ganz Rumänien übertragen zu wollen. | |
Viele Rumänen sehen in ihm den lang ersehnten Heilsbringer, der endlich in | |
Bukarest den Sumpf der Korruption, der Vetternwirtschaft und ausufernden | |
Bürokratie auszutrocknen vermag. Doch diese Vertrauensseligkeit verdankt | |
Johannis auch der Tatsache, dass 78 Prozent der Rumänen tatsächlich an | |
Wunder und an Engel glauben, und, was eine vor einigen Tagen | |
veröffentlichte Umfrage ergab, 52 Prozent auch an die Existenz von Dämonen. | |
## Gefälligkeitsgesten gegenüber Nationalisten | |
Der 55-Jährige wortkarge und sachlich agierende Iohannis setzte in seinem | |
Wahhlkampf auf die deutschen Sekundärtugenden: Ordnung, Fleiß, | |
Pünktlichkeit und verknappte diese in seinem gut klingenden Wahlslogan zu | |
einem eindringlichen Satz: „Ein Rumänien der gut gemachten Dinge”. | |
Um die Angriffe auf seine deutsche Abstammung und seine lutherische | |
Religionszugehörigkeit abzuschwächen, umgarnte Johannis seine | |
rumänisch-orthodoxen Gegner mit Gefälligkeitsgesten der besonderen Art. Er | |
verzichtet nicht nur auf die deutsche Schreibweise seines Namens und | |
ersetzte das J mit ein I, sondern er beteiligte sich auch an den Feiern zum | |
Gedenken an den als anti-ungarischen Nationalhelden der Revolution von 1848 | |
verehrten Avram Iancu. Iancu gilt in den Augen von Nationalsten als | |
Sinnbild rumänischer Identität und wird seit dem Ende des Ersten Weltkriegs | |
von ihnen als Vorbild in der Auseinandersetzung mit der großen ungarischen | |
Minderheit wahrgenommen und instrumentalisiert. | |
Diese Gefälligkeitsgesten, meint der rumänische Politologe Gabriel | |
Andreescu gegenüber der taz, sollte man nicht überbewerten, denn sie seien | |
im Grunde bloß den Einflüsterungen seines Wahl- und Beraterteams | |
zuzuschreiben. | |
Sein Gegenspieler, Victor Ponta, der des Plagiats überführt worden war, | |
versprach nach dem gestrigen Ausgang, den Kampf gegen die Korruption | |
fortzusetzen. Ein Versprechen, das auch Iohannis machte, falls man ihn in | |
zwei Wochen wählen würde. Inzwischen zeichnet sich in Bukarest eine | |
Koalition der Ponta-Unterstützer ab, was letztendlich zu dessen Sieg bei | |
der Stichwahl führen könnte. | |
3 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
William Totok | |
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