# taz.de -- Rassismus in Japan: „Hallo, ihr Kakerlaken!“ | |
> Die Regierung lässt den rechtsextremen Hasstiraden gegen in Japan lebende | |
> Koreaner freien Lauf. Sie begründet dies mit dem Recht auf | |
> Meinungsfreiheit. | |
Bild: Schon im März demonstrierten rechte Japaner gegen Koreaner | |
TOKIO taz | Stadtviertel mit koreanischstämmiger Bevölkerung sind zum | |
Schauplatz für Hassreden in Japan geworden. In Shin-Okubo in Tokio ertönen | |
rassistische Tiraden wie: „Hallo Kakerlaken, ihr sollt alle sterben!“ In | |
Tsuruhashi in Osaka schleuderte ein 14-jähriges Mädchen den Passanten ins | |
Gesicht: „Ich wünschte, ich könnte euch alle töten. Wenn ihr euch weiter so | |
benehmt, wird es hier ein Massaker geben.“ | |
Die Hassreden gegen ethnische Koreaner schwingen Unterstützern der | |
Organisation Zaitokukai. Diese Abkürzung steht für „Bürgergruppe, die die | |
Privilegien von koreanischen Einwohnern in Japan nicht toleriert“. „Wir | |
sollten alle Koreaner auf nordkoreanische Raketen binden und nach Südkorea | |
schießen“, forderte Zaitokukai-Chef Makoto Sakurai. | |
Diese ausländerfeindliche Gruppe mit angeblich 12.000 Mitgliedern unterhält | |
nicht nur enge Kontakte zu Yakuza-Verbrechern, die in Japan traditionell | |
ebenfalls weit rechts stehen. Zaitokukai hat auch Verbindungen ins Kabinett | |
des konservativen Premierministers Shinzo Abe. | |
Auf einem fünf Jahre alten Foto ist die Vorsitzende der Kommission für | |
öffentliche Sicherheit, Eriko Yamatani, zusammen mit dem früheren | |
Zaitokukai-Präsidenten Shigeo Masuki zu sehen. Er behauptet, Yamatani seit | |
fünfzehn Jahren zu kennen. Die Politikerin dementierte dies vor | |
ausländischen Journalisten, weigerte sich jedoch mehrfach, sich von der | |
Gruppe zu distanzieren. | |
## UN fordert Anti-Hass-Gesetz | |
Das ist auch deshalb problematisch, weil Yamatani Chefin der Nationalen | |
Polizeibehörde ist. Die Polizei geht gegen die Hassattacken in den | |
Koreanervierteln bisher nicht vor, da es das Recht auf freie | |
Meinungsäußerung gebe. | |
Die Hetztiraden gegen die nicht eingebürgerten 500.000 Koreaner, die meist | |
in der dritten oder vierten Generation in Japan leben und deren Vorfahren | |
häufig als Zwangsarbeiter geholt wurden, haben die Vereinten Nationen auf | |
den Plan gerufen. Das UN-Komitee gegen rassistische Diskriminierung | |
verlangte im Juli von Japan, ein Gesetz gegen Hassreden zu erlassen. Es | |
handele sich um gewalttätige Einschüchterungen, sagte US-Vertreter Carlos | |
Manuel Vazquez. | |
Der Vorschlag aus Genf wurde zwar von der Regierungspartei LDP kurz | |
aufgegriffen, aber eher mit der Idee, die Anti-Atomkraft-Proteste vor dem | |
Parlament als Hassreden zu verbieten. | |
Immerhin hat sich der Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto, öffentlich | |
gegen Zaitokukai gestellt. Wehrlose Bürger anzugreifen sei feige, | |
begründete der Politiker seinen Vorschlag, Hetztiraden zu verbieten. | |
Kürzlich lieferte sich Hashimoto einen „Meinungsaustausch“ mit | |
Zaitokukai-Chef Sakurai. Dabei fand Hashimoto als bisher einziger | |
prominenter Politiker in Japan klare Worte und bezeichnete den | |
Koreaner-Hasser als „nervige Plage“, als Sakurai sich seine Kritik an | |
Koreanern nicht verbieten lassen wollte. | |
## Genereller Rechtsruck | |
Schon wenige Sätze später wären sich die zwei Politiker an die Gurgel | |
gesprungen, hätten Sicherheitsleute die beiden nicht gestoppt. Hashimoto | |
beendete die „Debatte“ vor laufenden Kameras nach knapp zehn Minuten mit | |
dem Argument, dass Osaka keine Rassisten wie Sakurai brauche. Dabei hatte | |
sich Hashimoto durch eine Äußerung über die „Notwendigkeit“ von japanisc… | |
Weltkriegsbordellen mit koreanischen Sexsklavinnen selbst als Rechter | |
entlarvt. | |
Der öffentliche Hass gegen Koreaner und auch Chinesen gedeiht auf dem Boden | |
eines generellen Rechtsrucks in Japan. Auf separaten Fotos sind | |
Innenministerin Sanae Takaichi und LDP-Politikchef Tomomi Inada mit dem | |
Anführer einer Neonazi-Gruppe zu sehen. Beide Politiker leugnen die | |
Unterstützung von Nazi-Gedankengut. | |
Aber 16 Mitglieder des Kabinetts gehören zur Denkfabrik Nihon Kaigi, dem | |
japanischen Pendant zur Tea Party in den USA. Nihon Kaigi lehnt eine | |
japanische „Entschuldigungsdiplomatie“ für seine Kriegsverbrechen ab. | |
Premier Abe ist offiziell kein Mitglied, aber bezeichnete die 1.180 von den | |
Alliierten als Kriegsverbrecher eingestuften Japaner kürzlich als | |
„Märtyrer“. | |
Es gibt aber auch Widerstand gegen die Hass-Demos. Anfang Oktober | |
bestätigte ein Gericht in Kioto in zweiter Instanz ein Urteil gegen | |
Zaitokukai. Danach muss die Gruppe wegen rassistischer Angriffe eine | |
Grundschule in Kioto für Kinder mit Wurzeln in Nordkorea mit umgerechnet | |
86.000 Euro entschädigen. Auch treffen die Rechtsradikalen inzwischen auf | |
Gegendemonstranten mit Slogans wie: „Ihr seid eine Schande für dieses | |
Land!“ Und: „Geht zurück ins Internet, wo ihr herkommt!“ | |
4 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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