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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Axt erspart den Weihnachtsmann
> Im dichten Einschlag vorweihnachtlicher Konsumangebote tauchen beim
> Studium einschlägiger Lieferanten schon mal bedenkliche Assoziationen
> auf.
Neulich malochte ich wieder in meiner Eigenschaft als einheimischer
Ethnologe und Feldforscher. Die aktuellen Angebote der Discounter eignen
sich bekanntlich als Gegenstand; Angebote, deren Billig-Botschaft – so viel
wissen wir Schlauberger seit Ewigkeiten – keineswegs stets einem günstigen
Preis entsprechen. Darum dreht sich das Ergebnis der neuerlichen Studie
jedoch nicht.
Zur Kenntnis nahmen wir die Konsumartikel, die Aldi Nord Ende Oktober
anpries. Es wehte Weihnachten massiv heran. Vom LED-Lichterschlauch bis zu
LED-Weihnachtskerzen im Tropfendesign; von der Weihnachtslaterne aus Metall
bis Stumpenkerzen in 100 Prozent Paraffin; von dem Weihnachts-Kreativ-Set
für Kinder und Erwachsene à 3 Euro 99 bis zum Geschenkanhänger „8
verschiedene Motive 16er-Set“ zu 1 Euro 99; vom Duo Klebe-Pen/Glitter-Deco
für kreatives Gestalten bis zum 4er-Set aus Weihnachtsfensterbildern
selbstklebend und wiederablösbar für 1 Euro 29 und so weiter und so fort –
unglaublich atemberaubend verlockende Herrlichkeiten.
Ein Produkt inmitten dieser funkelnden Schar fiel mir allerdings sofort ins
Auge. Zwischen den friedvollen Dingen konnte man eine Spaltaxt für 9 Euro
99 erwerben, deren Stiel aus Fiberglas und deren Kopf aus Stahl gefertigt
war.
Wie war die Konstellation zu deuten? Wie war dieses Gerät, dem die
Gewaltbereitschaft innewohnt, ja, deren Nutzen zwangsläufig kräftige
Schläge voraussetzt, in die adventliche Beschaulichkeit geraten? Hatte sich
jemand aus der mittleren Management-Ebene einen teuflischen Scherz erlaubt
und niemand hatte ihn ertappt? Oder war es reflexhaft geschehen? Hatten die
Strapazen der Vorweihnachtszeit, allen Verwandten und Freunden genüge zu
tun, einem zuständigen Organisator einen grausamen Streich gespielt?
## Selbstreflexion des Forschers
Nach wenigen Sekunden dämmerte uns, dass mit einer Axt nicht bloß unselige
Aktionen vollzogen werden, sondern dass das Werkzeug durchaus für
ersprießliche, das soziale und finanzielle Wohl fördernde Taten dient,
präzise hier: das Fällen von Tannen und Fichten, die in einen
Weihnachtsbaum verwandelt werden.
Sofern dieses werbepsychologische Feingefühl hinter dem Angebot steckte, so
fragten wir uns, wie viel Prozent der hiesigen Bevölkerung mit mutmaßlich
deutschem Hintergrund hauen selbst einen Baum um? Lohnt es sich?
Es mangelte nicht an Fragen, das allein stand fest. Es blieb – spätestens
mit dem Band „Traumatische Tropen“ des Anthropologen Nigel Barley haben wir
es gelernt – die Selbstreflexion des Forschers. Und dass wir anfangs von
dem brutalst möglichen Einsatz einer Axt ausgingen, spricht bestimmt Bände
über unser Befinden.
Oder jene erste Deutung war einer Betriebsblindheit geschuldet, die das
Englische in dem „law of the instrument“ erläutert: „Wenn Ihr einziges
Werkzeug ein Hammer ist, dürfte es verlockend sein, alles zu behandeln, als
wäre es ein Nagel.“ Bis Nikolaus forschen wir weiter.
5 Nov 2014
## AUTOREN
Dietrich zur Nedden
## TAGS
Konsum
Weihnachten
Gaststätten
Silvester
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Zeit
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