Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hochschulaustausch in Europa: Ein Auslandsjahr im Inland
> In Spanien können Studierende einen inländischen Hochschulaustausch
> machen. Warum nicht auch in Deutschland?
Bild: Öfter mal woanders sitzen? Studenten in Tübingen.
BARCELONA taz | Rubén Carrasco, der an der Universität Barcelona studiert
hat, nahm während seines Studiums an einem europaweit einzigartigen
Austauschprogramm teil: Für zwei Semester ging er ins südspanische Granada
und studierte dort. Das Besondere daran: Er machte gewissermaßen ein
Auslandsjahr im Inland.
In Spanien gibt es das staatliche Austauschprogramm SICUE, das
Austauschsystem zwischen spanischen Universitäten. Das SICUE-Programm ist
gewissermaßen ein kleiner Bruder des europäischen Erasmus-Programms, bei
dem Studierende mithilfe eines kleinen Stipendiums für ein, zwei Semester
an Universitäten im Austausch studieren. Alle Studienleistungen, so die
Abmachung, können sie sich nach ihrer Rückkehr von ihrer Heimatuni
anrechnen lassen.
Carrasco ist sehr zufrieden mit seinem Austausch und lobt die Möglichkeit,
mal woanders hinzukommen. Im Übrigen machte er das, was viele
Erasmus-Studenten auch machen: Er genoss vor allem das Leben und besuchte
nur wenige Vorlesungen – die er allerdings nach eigener Aussage mit der
Auszeichnung als einer der Kursbesten abschloss. Eine Freundin, die
ebenfalls nach Granada gegangen sei, habe dort eine Arbeitsstelle an der
Uni gefunden und deshalb sogar noch ein Studienjahr drangehängt.
Gemma Fonrodona, die für Studienangelegenheiten zuständige Vizerektorin der
Universität Barcelona, bezeichnet das Programm als Erfolg: „Für Leute, die
da nicht so offen sind, kann es ein erster Schritt sein, in ein anderes
Bundesland zu gehen, in einer anderen Stadt zu leben – all das, was das
persönliche Wachstum fördert. Und manchmal stellen sie dann fest, dass es
ihnen gefallen hat, und sie überlegen sich, einen Erasmus-Austausch zu
machen.“
Ein Modell, das auch auf Deutschland übertragbar wäre? Zumal das große
Versprechen der Bologna-Reform, nämlich die Mobilität der Studierenden im
In- und Ausland zu erhöhen, bisher nicht erfüllt worden ist. „Durch viele
hoch spezialisierte und unflexible Studiengänge sowie den fehlenden Willen,
Studienleistungen anzuerkennen, die an anderen Hochschulen erbracht wurden,
ist selbst innerhalb Deutschlands ein solcher Austausch mit großen
Hindernissen behaftet“, kritisiert Rosemarie Hein, bildungspolitische
Sprecherin der Linken im Bundestag.
## Stipendien gestrichen
Studien der Kultusministerkonferenz zeigen, dass die Mobilität der
Studierenden im Inland zwar gestiegen ist. Doch nur ein Drittel aller
Studierenden wagt sich an eine Hochschule, die in einem anderen als dem
Heimatbundesland liegt. Und die meisten von ihnen wählten das benachbarte
Bundesland. Ein staatliches Austauschprogramm könnte die Studierenden also
ermuntern, über die Bundesländergrenzen hinwegzuschauen.
Einige Hochschulen probieren bereits etwas Ähnliches aus. In der
Hochschulallianz für Angewandte Wissenschaften haben sich sechs Hochschulen
zusammengeschlossen, um die Mobilität zwischen ihren Hochschulen zu
fördern. Beteiligt sind Fachhochschulen in Dresden, Berlin, Darmstadt,
Esslingen, Aachen und Karlsruhe.
Einen ähnlichen Austausch gibt es auch zwischen Rostock und Konstanz.
Studierende, die Betriebswirtschaft, Volkswirtschaftslehre und
Wirtschaftspädagogik studieren, können ohne großen bürokratischen Aufwand
für ein oder zwei Semester zwischen den Unis wechseln.
Doch einem staatlich geförderten Austauschprogramm wie in Spanien stehen
viele Politiker skeptisch gegenüber. Für Ernst Dieter Rossmann,
bildungspolitischer Sprecher der SPD, hat das Thema „eine geringere
Priorität“ als etwa die „Studienfinanzierung im Allgemeinen“. Kai Gehrin…
Hochschulexperte von Bündnis 90/Die Grünen meint vage, seine Partei wolle
„inländische wie ausländische Mobilität stärken“. Und das von Johanna W…
(CDU) geführte Bundesministerium für Bildung und Forschung möchte erst gar
nicht zum Vorschlag eines inländischen Erasmus-Programms Stellung nehmen.
Allein Hein von der Linkspartei findet die Idee vernünftig: „Verschiedene
wissenschaftliche Perspektiven einzunehmen oder neue Forschungsansätze zu
vertiefen sollte nicht nur mit einem Auslandsaufenthalt möglich sein.“
Allerdings hat auch der spanische Staat seine Bemühungen für den
inländischen Studierendenaustausch stark zurückgefahren und vergibt keine
Stipendien mehr für das Programm. Bis 2012 waren 10 Millionen Euro im Etat
dafür vorgesehen. Das könnte den spanischen Inlandsaustausch schnell zum
Erliegen bringen, denn spanische Hochschulen verlangen zum Teil hohe
Studiengebühren. „Ohne das Stipendium hätte ich den Austausch nicht
gemacht“, sagt Rubén Carrasco.
9 Nov 2014
## AUTOREN
Ralf Hutter
## TAGS
Studenten
Spanien
Erasmus
Bologna-Reform
Hochschule
Studierende
Hochschule
## ARTIKEL ZUM THEMA
Unis sparen trotz Milliardenförderung: „Nicht im Sinne der Erfinder“
Die Hochschulen sind sauer. Die Länder können jährlich 1,2 Milliarden Euro
zusätzlich in Schulen und Unis stecken. Doch oft ist das Geld verplant.
Unpolitische Studierende: Heute mal nicht die Welt retten
Die Studierenden sind unpolitisch geworden, sagen zwei neue Studien. Doch
die Geschichte zeigt: Sie lassen sich politisieren, wenn das Thema akut
ist.
Frauen an Universitäten: Die Hochschule tickt männlich
Unter den Studienanfängern sind Frauen in der Mehrheit. Doch viele Frauen
brechen ihre wissenschaftliche Karriere irgendwann frustriert ab.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.