| # taz.de -- Kommentar Wolf Biermann im Bundestag: Er trifft die Linke ins Herz | |
| > Wolf Biermann nennt die Linke „reaktionär“ und hat recht. Denn hinter der | |
| > Fassade verbergen sich noch immer die Schleimer und Spitzel von damals. | |
| Bild: Wolf Biermann singt während der Gedenkveranstaltung vergangenen Donnerst… | |
| Natürlich ist Wolf Biermann [1][ein Provokateur]. Seinen Antiautoritarismus | |
| hat er sich glücklicherweise all die Jahrzehnte bewahrt. Jetzt rettete er | |
| den Bundestag davor, in der Langeweile weitgehend belangloser Sonntagsreden | |
| zu versinken. Niemand möchte bestreiten, dass die politischen Erben des | |
| SED-Regimes eine politische Repräsentanz im demokratischen Deutschland | |
| haben sollen. Auch Wolf Biermann nicht. Sein Satz aber: „Ihr seid weder | |
| links noch rechts, sondern reaktionär“, trifft jene Partei ins Herz, die | |
| den Begriff „links“ für sich instrumentalisiert hat. | |
| Und hinter der Fassade einer im politischen Hier und Jetzt angekommenen | |
| Partei verbergen sich immer noch auch die Schleimer und Spitzel, die kalten | |
| Bürokraten und Richter, Staatsanwälte, Generäle und Polizisten von damals, | |
| die bis heute darauf beharren, nach Recht und Gesetz gehandelt zu haben – | |
| das kennen wir im Westen von ehemaligen Nazis wie dem Altrichter Filbinger. | |
| Der „aufrechte Gang“ (Ernst Bloch) von Che Guevara bis zur „Ermutigung“ | |
| brauchte damals keine Etikette, kein Schwindelemblem, um von den | |
| „Unterdrückten und Gedemütigten“ und den (antiautoritären) Linken in Ost | |
| und West gehört zu werden. Der „demokratische Sozialismus“ war mit dem | |
| Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 politisch tot. Wer als Linker in Ost | |
| wie West aufrecht gehen wollte, musste sich fortan mit diesem „real | |
| existierenden Sozialismus“ anlegen. | |
| Das verbindet zum Beispiel auch die westlinke Ikone Rudi Dutschke, der aus | |
| dem Osten stammt, mit der Ostikone Biermann, der aus dem Westen kommt. | |
| Dutschke stellte in seinen Schriften Lenin vom Kopf auf die Füße, Biermann | |
| sägte langsam, aber stetig an den Grundpfeilern des stalinistischen Systems | |
| der DDR. Der Versuch, 1973 eine gemeinsame Ost-West-Initiative aufzubauen, | |
| scheiterte an den Geheimdiensten beider Seiten. | |
| ## Keine Kraft für den Rundumschlag | |
| ## | |
| Um aufrecht zu bleiben, hätte es durchaus gepasst, im Parlament auch über | |
| die CDU (und die inzwischen abwesende) FDP zu sprechen. Haben nicht diese | |
| Parteien klammheimlich die Blockparteien CDU und LDPD im Osten mit ihren | |
| Mitläufern, Denunzianten und all ihren schönen Liegenschaften usurpiert? | |
| Wäre das für den scharfzüngigen Barden nicht auch ein Thema gewesen? | |
| Biermann hat in dieser Wunde nicht gerührt. Einem Poeten und Sänger kann | |
| man zwar nichts vorschreiben. Vor irgendeiner Macht zu buckeln, liegt ihm | |
| nicht. Aber irgendwie reicht der alte Kampfgeist nicht zum Rundumschlag. | |
| An innerdeutschen Grenzen wird nicht mehr geschossen, doch sterben Menschen | |
| an der neuen Mauer, den Außengrenzen der EU. Wer heute aufrecht gehen will, | |
| muss sich über diesen Zusammenhang klargeworden sein. Eine Gruppe junger | |
| Leute zeigte, wie es geht: Zwar fanden viele die Aktion mit den entwendeten | |
| Gedenkkreuzen geschmacklos, doch die Aktionisten von der „politischen | |
| Schönheit“ haben allzu selbstgefällig Feiernde mit der Wirklichkeit von | |
| heute konfrontiert. Die antiautoritäre Tradition der politischen | |
| Provokation ist wieder aufgelebt. Mit und ohne Biermann. | |
| 10 Nov 2014 | |
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| [1] /!149090/ | |
| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
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