| # taz.de -- Rechtsextreme in Berlin: Gerüchte um schießwütigen Nazi | |
| > Laut einem Medienbericht gibt es in Berlin einen bewaffneten Neonazi. Der | |
| > Innensenator will dazu im Parlament nichts sagen. | |
| Bild: Zuletzt hat sich die rechte Szene auf die Proteste gegen Flüchtlinge kon… | |
| Ist in Berlin tatsächlich ein zu Gewalt aufrufender Neonazi mit drei Waffen | |
| unterwegs, wie das Boulevardblatt B.Z. schreibt? Das wollten | |
| Oppositionspolitiker am Donnerstag im Parlament von Innensenator Frank | |
| Henkel (CDU) wissen. Henkel aber mochte dazu aus Geheimhaltungsgründen | |
| nichts sagen – auch nicht, als die Öffentlichkeit auf Antrag der Linken | |
| ausgeschlossen wurde und die 149 Abgeordneten unter sich waren. „Für mich | |
| ist das ein Skandal“, sagte Linksfraktionschef Udo Wolf der taz. | |
| Abgeordnete von SPD und CDU hingegen deuteten an, die Opposition habe | |
| Bescheid gewusst und Informationen an die B.Z. weitergegeben. | |
| Die Atmosphäre rund um den Plenarsaal mutete skurril an. Journalisten und | |
| Besucher mussten die Tribünen verlassen, Jalousien verschlossen | |
| Glasfronten, Rundfenster in den Türen wurden verhängt, Kameras zur | |
| Sicherheit zusätzlich abgedeckt. Doch im Saal tat sich nichts, denn Henkel | |
| wollte auch jetzt nichts sagen. Das änderte sich selbst nach einer | |
| halbstündigen Sitzung des Ältestenrats nicht, zu der die Fraktionschefs | |
| oder ihre parlamentarischen Geschäftsführer zusammenkamen. | |
| Die B.Z. hatte unter Berufung auf einen V-Mann von einem 30-jährigen | |
| mutmaßlichen Neonazi aus dem Stadtteil Buch berichtet, der sich für eine | |
| „deutliche Radikalisierung“ ausgesprochen haben soll und als Sportschütze | |
| mindestens drei Waffen samt Genehmigung besitze. Der Kampf mit Worten sei | |
| gescheitert, jetzt müssten Taten folgen, soll der Mann auf einem | |
| Neonazi-Treffen gesagt haben. „Was tun Sie dagegen?“, fragte die | |
| Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann den Innensenator. | |
| Wenn es einen solchen Fall geben würde, würde die Polizei | |
| „selbstverständlich sofort tätig werden“, antwortete Henkel. Über konkre… | |
| Fälle dürfe er wegen der Geheimhaltungsvorschriften „gar nicht reden, ohne | |
| mich strafbar zu machen.“ | |
| Linksfraktionschef Wolf mag das nicht hinnehmen: „Es ist doch Henkels | |
| Behörde, die das als geheim klassifiziert, und er ist der oberste | |
| Dienstherr“, sagte er der taz. Wolf kommt die Argumentation bekannt vor: | |
| „Wir haben die Diskussion über die Geheimhaltungsstufen durch die ganze | |
| Aufarbeitung der NSU-Affäre hindurch gehabt.“ Wenn es um Linksextreme gehe, | |
| geht Henkel aus Wolfs Sicht freizügiger mit der Geheimhaltungseinstufung | |
| um. | |
| Nach Aussagen aus der rot-schwarzen Koalition hat Henkel in den vergangenen | |
| Tagen den Verfassungsschutzausschuss und das unter größter Verschwiegenheit | |
| tagende Gremium der G10-Kommission über den in der B.Z. beschriebenen | |
| Sachverhalt informiert. Für Abgeordnete von SPD und CDU können die | |
| Informationen nur auf diesem Weg an die Zeitung gelangt sein. Sie stellten | |
| das als unverantwortlich da, weil der in dem Bericht – nicht namentlich – | |
| erwähnte V-Mann nun in Lebensgefahr schwebe. | |
| Linksfraktionschef Wolf wies den Vorwurf zurück: Die Erfahrungen der | |
| NSU-Affäre hätten gezeigt, dass Informationen von unterschiedlichster Seite | |
| weiter gegeben würden. Im Ältestenrat war offenbar davon die Rede, | |
| staatsanwaltlich untersuchen zu lassen, wer die B.Z. versorgt hat. | |
| Clara Herrmann, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus ihrer | |
| Fraktion, sieht die Polizei in der Pflicht, dem als Neonazi eingestuften | |
| 30-Jährigen die Waffen abzunehmen. Denn das Waffengesetz setzt für den | |
| Besitz von Waffen „Zuverlässigkeit“ voraus. Verfassungsfeindliche Tätigke… | |
| ist laut Gesetz damit nicht vereinbar. | |
| Im Rätselraten um die Identität des Mannes gibt es derweil keine konkreten | |
| Hinweise. Laut B.Z. soll der 30-Jährige gute Kontakte zu anderen Neonazis | |
| und zu NPD-Mitgliedern haben. Auch ein Name wird genannt. „Uns ist kein | |
| Neonazi aus Buch bekannt, auf den dieser Name passen würde“, sagt eine | |
| Mitarbeiterin des Antifaschistischen Pressearchivs (apabiz) auf Anfrage der | |
| taz, die sich generell von dem Sachverhalt überrascht zeigte. Auch bei der | |
| Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) gibt es bezüglich dieser | |
| Personalie bisher keine Erkenntnisse. In Antifa-Kreisen wurde die Vermutung | |
| geäußert, es könnte sich um einen Neonazi aus Lichtenberg handeln, der | |
| Kontakte zu NPD-Kadern aus Buch haben soll und seit längerem nicht mehr | |
| öffentlich in Erscheinung tritt. Bisher sind all das aber reine | |
| Spekulationen. | |
| 27 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
| Malene Gürgen | |
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