# taz.de -- Borussia Dortmund in der Krise: Wirklich die Allerletzten | |
> Die Profis sind abgeschlafft, Klopp ist ratlos, das Prinzip Hoffnung zu | |
> wenig: 11 Thesen zum Niedergang des BVB, der eigentlich nach Höherem | |
> strebt. | |
Bild: Das Momentum ist mies, ganz mies: Jürgen Klopp tröstet Pierre-Emerick A… | |
1. Die Strategie des FC Bayern München war erfolgreich: Schwächung des | |
Gegners durch gezielte Abwerbungen – das ist keine Verschwörungstheorie von | |
Borussen-Fans, sondern gelebte Transferpolitik des FC Bayern. Warum in die | |
Ferne schweifen, wenn der Zauberfuß bei den Schwarz-Gelben spielt. So | |
wurden Mario Götze und Robert Lewandowski nach München gelockt. Nach dieser | |
Organentnahme spielt der BVB nur noch mit einer Niere und halbem Herzen. | |
Und schon wieder strecken die Bayern ihre Fühler gen Ruhrpott aus. Sie | |
haben Marco Reus im Auge. Das widerspricht zwar einer Absprache, die | |
BVB-Chef Watzke und Rummenigge angeblich getroffen haben, aber was soll’s. | |
Die Bayern wickeln ihre Geschäfte gänzlich unsentimental ab. | |
2. Die Borussen leiden an fußballerischem Burn-out: Ihre Art, Fußball zu | |
spielen, verlangt den Kickern verdammt viel ab. Sie müssen rackern wie | |
früher die Kumpel im Schacht. Die spezielle Art des Forecheckings und des | |
schnellen Umkehrspiels braucht Dauerläufer mit einer Pferdelunge. Außerdem | |
müssen die Verteidiger hochkonzentriert sein, denn das Ballmopsen ist ja | |
Grundlage des Spiels. Mehrere Jahre haben sich die BVB-Profis geschunden | |
und durch die Motivationskünste von Coach Klopp Erstaunliches zustande | |
gebracht. Aber jetzt sind sie nach den Anstrengungen der Vergangenheit ein | |
bisschen müde. Abgeschlafft. Ausgelaugt. Nur in der Champions League | |
scheinen sie sich noch zusammenreißen zu können. Punktuell. | |
3. Die Einkaufspolitik des BVB hat nicht funktioniert: Sie mussten viele in | |
Bestform ziehen lassen, etwa Nuri Sahin oder Shinji Kagawa – und bekamen | |
sie in relativ schlechter Verfassung wieder zurück. Der Zahn der Zeit hatte | |
an ihnen genagt. Kompensiert werden sollten die Weggänge mit Transfers, die | |
hoffen ließen: Mkhitaryan, Aubameyang, Ramos, Immobile, Ginter. Noch immer | |
hoffen sie darauf, dass bei denen der Knopf aufgeht, dass die | |
„Immobile-Blase“ platzt. Aber das Prinzip Hoffnung ist offenkundig zu | |
wenig. | |
4. Der Kader ist nicht „tief“ genug, um Verletzungen und Formkrisen | |
einzelner Spieler zu kompensieren: Auch der FC Bayern hat mit Lahm, | |
Badstuber, Alaba, Martinez oder Thiago viele angeschlagene Spieler, aber | |
das schlägt nicht so ins Kontor, wie wenn bei den Dortmundern der ohnehin | |
körperlich labile Mats Hummels ausfällt oder Reus. Ihre Ersatzleute | |
scheinen damit überfordert zu sein, im gleichen Maß Verantwortung zu | |
übernehmen. | |
5. Dortmund ist noch lange nicht so gefestigt wie der FC Bayern: Man | |
erinnere sich, dass es noch Mitte der nuller Jahre alles andere als rund | |
lief beim BVB. Der Verein hatte Schulden von über 100 Millionen Euro | |
angehäuft. Die Chefetage betrieb Misswirtschaft, und windige Figuren wie | |
Finanzinvestor Florian Homm griffen nach dem Klub. Danach schafften es die | |
Dortmunder zwar, sich wiederum durch einen Kraftakt aus der finanziellen | |
Misere herauszuarbeiten, aber was mag jetzt wohl passieren, wenn die | |
Einkünfte aus der Champions League in der kommenden Saison fehlen? | |
6. Viel laufen und scharf verteidigen können andere auch. Wo ist der Plan | |
B? Es mag ja von Vorteil sein, dass man das macht, was man gut kann, aber | |
warum nicht auch mal den Gegner kommen lassen und defensiver stehen? Gegen | |
Eintracht Frankfurt sah man wieder einen BVB, der nicht aus seiner Haut | |
konnte – und vom cleveren und ebenso lauffreudigen Gegner abgekocht wurde. | |
Man hat den BVB nicht nur durchschaut, die Gegner der Dortmunder sind | |
oftmals die bessere Kopie des Originals. | |
7. Die Stürmer treffen nicht – trotz vieler Chancen: Sie ballern wie wild | |
aufs Tor, 20 bis 30 Mal pro Partie, aber sie treffen nicht. Mkhitaryan, | |
Aubameyang, Ramos und Immobile sind so ziemlich das Gegenteil von einem | |
Knipser. Sie sind so (tor)hungrig wie ein Anorektiker. Kein Team in der | |
Liga hat ein schlechteres Chancen-Tor-Verhältnis. So kann es natürlich | |
nichts werden. | |
8. Intern muss irgendwo der Wurm drin sein: Mittlerweile kann sich kein | |
Spieler mehr der negativen Dynamik entziehen, die auf Teile der Fans | |
übergreift. Das Momentum ist mies. Auf der Spirale des Misserfolgs geht’s | |
rasant nach unten. Coach Klopp ist ratlos. Er hat nur eine Idee: Immer | |
weiter so! Reicht das? | |
9. Mit der Börsennotierung hat sich der BVB zu sehr exponiert: Gut, | |
einerseits hat Dortmund durch Börsengang und Kapitalerhöhungen viel | |
gewonnen – derzeit liegt die Marktkapitalisierung bei knapp 400 Millionen | |
Euro –, aber die sportliche Baisse setzt Dortmund doppelt unter Druck, denn | |
die Börse reagiert sensibel, gerade bei Fußballaktien. Am Montag ging es | |
für die BVB-Aktie 6 Prozent nach unten. Aktueller Kurswert: 4 Euro. | |
Ausgabekurs im Jahr 2000: 11 Euro. | |
10. Das System Klopp war und ist sakrosankt. Ein Fehler? Natürlich hat | |
niemand im Klub Klopp infrage gestellt. Warum auch? Zweimalige | |
Meisterschaft, Pokalsieg und Champions-League-Finale sprechen für sich. Da | |
entsteht schon mal ein gewisse Betriebsblindheit. Der Klub hat sich zu | |
sicher geglaubt, nach dem Motto: Messias Kloppo wird’s schon richten. Fakt | |
ist: An wichtigen Stellschrauben wurde nicht gedreht. | |
11. „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!“ (Brehme) Ja, okay, er… | |
hatten sie kein Glück, dann kam noch Pech dazu. Aber so verliert man | |
vielleicht ein Spiel oder zwei, aber nicht acht. | |
1 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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