# taz.de -- Kolumne Gott und die Welt: Recht auf den eigenen Tag | |
> Es ist möglich, jüdischen und palästinensischen Kindern, die unter der | |
> politischen Unvernunft ihrer Eltern zu leiden haben, eine Freude zu | |
> machen. | |
Bild: Ein jüdisches Kind, vor zweitausend Jahren von jüdischen Flüchtlingen … | |
Der kleine Junge, dessen Geburtstag in wenigen Wochen gefeiert werden wird, | |
war ein jüdisches Kind, vor zweitausend Jahren von jüdischen Flüchtlingen | |
in einem Ort geboren, der heute einem künftigen Staat Palästina zugehören | |
soll, in Bethlehem. Gleichwohl war dieser kleine Junge kein Palästinenser – | |
das konnte er schon deshalb nicht sein, weil die römische Provinz, in der | |
er geboren wurde, damals „Judäa“ hieß und erst weit über hundert Jahre | |
später von der römischen Imperialmacht, die der immerwährenden Aufstände | |
jüdischer Nationalisten überdrüssig war, offiziell in „Palästina“ – �… | |
der Philister“ umbenannt wurde. | |
Der kleine Junge aber wurde zu einem jüdischen Wanderprediger, der sich – | |
für die damalige Zeit eher ungewöhnlich – intensiv für Kinder einsetzte; im | |
Evangelium des Matthäus 19,14 ist es nachzulesen: „Lasset die Kindlein zu | |
mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes.“ Dies | |
war der Slogan einer seiner Predigten. | |
Wer diesen Worten des Jesus von Nazareth in diesen vorweihnachtlichen Tagen | |
etwas abgewinnen kann, hat durchaus die Möglichkeit, Kindern, jüdischen und | |
palästinensischen Kindern, die heute unter der politischen Unvernunft | |
mindestens eines Teils ihrer Eltern zu leiden haben, eine Freude zu machen. | |
Es geht um das vom Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V. getragene, | |
von Hanne und Klaus Vack initiierte und von Helga Dieter verantwortete | |
Projekt „Ferien vom Krieg“, auf dessen Homepage Folgendes zu lesen ist: | |
## Der herrschenden Propaganda nicht mehr trauen | |
„Seit 1994 verbindet die Aktion ’Ferien vom Krieg‘ humanitäre Hilfe und | |
friedenspolitische Praxis. Sie zeigt exemplarisch, dass es in | |
Kriegsgebieten – trotz Vorurteilen und Hass – neugierige junge Menschen | |
gibt, die der jeweils herrschenden Propaganda nicht mehr trauen und die | |
angeblichen Feinde von Angesicht zu Angesicht kennen lernen wollen. Über | |
21.000 Kinder und Jugendliche aus den Kriegsgebieten des ehemaligen | |
Jugoslawien und über 1.600 junge Menschen aus Israel und Palästina, | |
darunter auch Frauengruppen, haben bei Ferienfreizeiten und Dialogseminaren | |
mit ’den Anderen‘ zwei Wochen unter einem Dach gelebt, gemeinsam gespielt, | |
getanzt und Ausflüge gemacht. Sie haben einander zugehört, die fremde Sicht | |
auf die Konfliktgeschichte kennengelernt und heftig gestritten – aber auch | |
zusammen um die Opfer getrauert und geweint.“ | |
Gewiss lässt sich nicht absehen, was die langfristigen Wirkungen derartiger | |
Maßnahmen sind, ob und wie sie einem möglichen „Friedensprozess“ dienen | |
können, aber darum geht es gar nicht. Es war der polnisch-jüdische Pädagoge | |
und Kinderbuchautor Janusz Korczak, der 1942 nach dem Deportationsbefehl | |
die ihm anvertrauten Kinder bis ins Todeslager Treblinka begleitete, der | |
„vom Recht des Kindes auf den eigenen Tag“ sprach. | |
Man mag angesichts der Hunderttausenden von Toten, der unzähligen im Nahen | |
Osten, von Syrien bis Irak leidenden Kinder fragen, warum nun ausgerechnet | |
diese und keine anderen Projekte unterstützt werden sollen – eine Haltung, | |
die über die Hoffnung auf politische, sogenannte strukturelle Lösungen nur | |
zu schnell zu Zynismus und Resignation führen kann. Trotzdem: Vom | |
Wanderprediger in augusteischer Zeit bis zum polnischen Kinderarzt und | |
Buchautor in den dunkelsten Jahren des 20. Jahrhunderts – nimmt man beide | |
ernst, hat man die Chance, ihren Impulsen gerecht zu werden: | |
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2 Dec 2014 | |
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## AUTOREN | |
Micha Brumlik | |
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