# taz.de -- Streetart-Übermalung in Berlin: Schwarz als Waffe | |
> Der Streetart-Künstler Blu hat ein neues Graffito geschaffen. Als | |
> Mahnmal, mit dem das undankbare Berlin nun leben muss. | |
Bild: Paint it black: Die überpinselten Brandwände neben der Cuvrybrache in K… | |
„I see a red door and I want it painted black. No colors anymore I want | |
them to turn black“, sangen die Rolling Stones schon 1966. Der Song handelt | |
von einem schmerzlichen Verlust, ein Mann erträgt keine Buntheit mehr, seit | |
seine Freundin, seine große Liebe, gestorben ist. Er will alles Farbige | |
schwarz übermalen. Eine abgrundtiefe Depression, die eben nur noch auf eine | |
einzige Art zu ertragen ist. Schwarz malen. Alles schwarz malen! | |
Mehr muss man gar nicht schreiben, um zu erklären, was in der Nacht zum | |
Freitag in Kreuzberg geschehen ist. Da wurden die vielleicht | |
[1][bekanntesten Street-Art-Gemälde der Stadt geschwärzt]. Ein | |
Brandwandgemälde, das der italienische Künstler Blu vor sieben Jahren dem | |
quirligen, lebendigen, alternativen, subversiven, inspirierenden Berlin | |
geschenkt hat, wurde übermalt. Nicht von irgendwem, sondern von Freunden | |
des Künstlers. Aus Protest gegen die zunehmende Gentrifizierung. | |
Was für ein Fanal! Die Subkultur, die Berlin jahrzehntelang geprägt hat, | |
tritt zum Rückzug an. Mit Pauken und Trompeten und mit langen, schwarzen | |
Pinseln. Sie packt ihr Geschenk wieder ein, weil der Beschenkte es nicht | |
mehr wert ist, weil Berlin kein respektvoller Umgang mit diesem Präsent | |
gelingt. Weil dieser Stadt nur noch eins einfällt: Geld draus machen. | |
Da ist es nur noch konsequent, wenn der Künstler Blu zu seiner schärfsten | |
Waffe greift – oder greifen lässt: Blu hat ein neues Graffito geschaffen. | |
Schwarz als Verweigerung. Als Anklage. Als Mahnmal, mit dem diese Stadt nun | |
leben muss. | |
Man stelle sich vor, ein weltbekannter Künstler würde eins seiner Gemälde | |
in der Nationalgalerie aus Protest schwarz übermalen. Oder im Hamburger | |
Bahnhof. Oder in der Berlinischen Galerie. Jeder ordentliche Kultursenator | |
würde aus Verzweiflung sofort in die Spree springen. Aber bei Street-Art? | |
Nichts als eisiges Schweigen. | |
Der Künstler selbst ist längst weitergezogen. In den letzten zwei Jahren | |
hat er ein altes Militärgebäude in Rom verziert. Ohne Genehmigung. Es ist | |
seit elf Jahren besetzt. Die Hauptstadt der Subkultur ist Berlin längst | |
nicht mehr. | |
„I wanna see you paint it, paint it, paint it black, yea“, singen die | |
Stones am Ende. | |
12 Dec 2014 | |
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## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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