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# taz.de -- Gleichberechtigung in Saudi-Arabien: Ein Scheich gegen den Schleier
> Für den Ex-Chef der Religionspolizei ist Gesichtsbedeckung nicht zwingend
> und Schminken erlaubt. Als Antwort darauf erhält er Morddrohungen.
Bild: Vielleicht dürfen saudi-arabische Frauen demnächst auch geschminkt und …
KAIRO taz | Es war eine kleine Sensation, als kein Geringerer als der
ehemalige Chef der saudischen Religionspolizei in Mekka in diesem Monat im
saudischen Fernsehen öffentlich erklärte, dass das Verschleiern des
Gesichts der Frau islamisch nicht obligatorisch sei. Um sein Argument zu
untermauern, hatte der Scheich Ahmad bin Kassem al-Ghamdi gleich seine
eigene Frau mit ins Studio gebracht. Sie hatte zwar ihre Haare mit einem
Kopftuch bedeckt, aber ihr geschminktes Gesicht war offen zu sehen.
„Wir können die Frauen nicht zwingen, ihr Gesicht zu bedecken“, erklärte
der Scheich. Verse über das Bedecken des Gesichts würden sich nur auf die
Ehefrauen des Propheten beziehen. Vorgeschrieben sei, dass die Frauen ihren
Charme bedeckten, im Rahmen des Dezenten. Was dezent sei, sei eine Frage
der Interpretation. Dabei wies al-Ghamri darauf hin, dass der Prophet
selbst immer wieder Frauen ohne Gesichtsschleier von Angesicht zu Angesicht
getroffen habe, denn in den Überlieferungen seien zum Teil sogar die
Gesichter der Frauen beschrieben.
Beim Hidschab, der Bedeckung, gehe es nicht um ein Stück Stoff, sondern
darum, sittsam und bescheiden aufzutreten, erläuterte er seine religiöse
Interpretation. „Nur weil meine Frau in einer Fernsehsendung nicht mit
Gesichtsschleier auftritt, macht sie das nicht weniger tugendhaft“, fügte
er hinzu. Außerdem gäbe es keine Vorschrift, die das offene Tragen von
Make-up verbiete, setzte der Scheich noch einen drauf.
Der Fernsehauftritt führte zu einer scharfen Replik des erzkonservativen
Muftis und obersten Wahabiten des Landes, Abdel Asis al-Scheich. Er
erklärte, dass sich aus den Versen des Koran eine Pflicht zur Bedeckung des
Gesichts für alle muslimischen Frauen erschließe. „Manche behaupten, die
Bedeckung des Gesichts entstammt der Tradition und nicht der Religion, aber
das ist falsch“, urteilte der saudische Mufti, um dann direkt gegen den
aufmüpfigen Scheich zu wettern.
„Möge Gott denen den richtigen Weg weisen, die arrogant und in gefährlicher
Sturheit in der Öffentlichkeit ihre Frauen präsentieren“, erklärte er mit
Blick auf den Fernsehauftritt des Ehepaares. „Scheich Ghamdi solle seine
Äußerungen öffentlich bereuen, bevor er eines Tages vor Gott Rechenschaft
ablegen muss“, forderte der Mufti.
## Gegen Heuchelei und Bärte
Manche wollen diesen Tag wohl vorverlegen. Al-Ghamdi hat für seine
Äußerungen bereits zahlreiche Morddrohungen erhalten. Die werde er den
zuständigen Behörden vorlegen, konterte al-Ghamdi. Er plane nicht, seine
Äußerungen zurückzunehmen.
Al-Ghamdi ist übrigens kein Unbekannter, wenn es um religiöse Kontroversen
in Saudi-Arabien geht. Vor sechs Jahren hatte er öffentlich kundgetan, dass
es für die Trennung von Männern und Frauen in der Öffentlichkeit keinerlei
islamische Grundlage gäbe. Außerdem stellte er wiederholt das Fahrverbot
für Frauen infrage.
„Hier halten manche eine bestimmte Ideologie hoch und behaupten, sie sei
islamisch. Sie akzeptieren keine abweichende Meinung, selbst wenn diese mit
religiösen Quellen argumentiert“, beschreibt al-Ghamdi die Lage im
erzkonservativen Königreich. „Wenn jemand mit ihnen nicht übereinstimmt,
dann tun sie sich zusammen und versuchen, dessen Ruf so lange zu zerstören,
bis sie die Lage wieder unter Kontrolle haben“, lautet sein vernichtendes
Urteil über die religiösen Autoritäten des Landes.
„Ich habe viel Heuchlerisches aufgedeckt“, nimmt der aufsässige Scheich f�…
sich in Anspruch und fügt hinzu: „Manche Mitglieder unserer Gesellschaft
reduzieren die Religion darauf, sich einen langen Bart wachsen zu lassen
und Sandalen zu tragen.“
29 Dec 2014
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Saudi-Arabien
Gleichberechtigung
Schleier
Frauen
Emanzipation
Saudi-Arabien
Saudi-Arabien
Schwerpunkt Rassismus
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