# taz.de -- Konferenz der Tiere: Der Marsch auf Berlin | |
> Die Jagd auf Einwanderer wollen deutsche Tiere nicht länger hinnehmen. | |
> Sie treffen sich zu einer Konferenz und planen Gegenaktionen. | |
Bild: Konferenzteilnehmer Lucanus cervus – vulgo: Hirschkäfer. | |
Peng. Ein Schuss zerreißt die Stille der Winternacht. Feldmaus Auguste und | |
Schnecke Josepha sitzen hinter dem großen Stein, wo Josepha einen | |
geschützten Platz für ihr Häuschen gefunden hat. | |
Feldmaus Auguste: Hast du das gehört, Josepha? Sie sind wieder auf | |
Waschbärenjagd. | |
Schnecke Josepha: Wieso tun sie das? | |
Auguste: Ich habe gesehen, wie der Förster mit seinen Freunden los ist. Die | |
Flinte über der Schulter. Und später hingen da die Waschbärenfe… | |
Josepha: Hör auf! Ein Onkel von mir ist überbacken worden. Viele meiner | |
Freunde sind überbacken worden. Ich kenne das Grauen. | |
Auguste: Die Männer reden von einer Invasion. Es soll zu viele Waschbären | |
geben. So ein Quatsch. Hast du schon mal einen gesehen? | |
Josepha: Nein. Aber ich komme auch nicht so weit rum. | |
Auguste: Das ist Völkermord! Wir müssen etwas tun. Lass uns morgen bei | |
Robert treffen. Eulen fällt immer was ein. | |
Josepha: Och, nö. Bis zu Robert ist es ganz schön weit. | |
Auguste: Dann treffen wir uns hier. Lass uns allen Bescheid sagen. Wir | |
müssen viele sein. | |
Nächster Tag. Vorplatz des Schneckenhauses. Neben Feldmaus Auguste und | |
Schnecke Josepha sind noch Eule Robert, Regenwurm Henry, Eichhörnchen Nina, | |
Hirschkäfer Andreas, Rotkehlchen Max, Ameise Ulrike und Biene Meret da. | |
Auguste: Wir haben euch hergebeten, weil wir etwas tun müssen, weil die | |
Menschen Auslä… äh … unsere Freunde von weither umbringen. | |
Josepha: Waschbären, Schwarzkopf-Ruderenten … | |
Eule Robert: Die gehören doch seit Jahren zu Deutschland und haben sich | |
längst überall verbreitet. | |
Ameise Ulrike: Verbreitet? Achte auf deine Sprache, Robert. Das ist | |
Jägerjargon. | |
Robert: Hä? | |
Ulrike: Mir sind in unserer Runde sowieso zu viele weiße europäische | |
Mittelschichtstypen … | |
Robert: … öhm … | |
Ulrike: … mir wär’s einfach wichtig, dass wir nicht nur über die | |
Geflüchteten reden, sondern mit ihnen. | |
Auguste: Äh … gute Idee, Ulrike. Aber wir wollen … | |
Regenwurm Henry: Machen wir ein Soli-Fest! Interkulturell, also die Neuen | |
bringen was zu Essen mit … | |
Josepha: Das ist sooo Achtziger, echt jetzt. | |
Hirschkäfer Andreas: Menschen verstehen nur eine Sprache: Lasst uns ihre | |
Kinder entführen und die als Druckmittel benutzen … | |
Ulrike: Autonomer Macho-Arsch. Hauptsache, Gewalt. Ich möchte mich von | |
diesen Äußerungen distanzieren … | |
Auguste: Leute, so kommen wir nicht weiter. Wie wäre es damit: Wir besetzen | |
einen Platz in Berlin und zeigen den Menschen, dass wir mit Waschbären und | |
Schwarzkopf-Ruderenten friedlich zusammenleben können. Eine Demonstration | |
der Solidarität. Für die Waschbärisierung Deutschlands! Dann wird das Jagen | |
aufhören. | |
Sabber fliegt durch die Luft. Lautes Hecheln. Hermann, der Boxer, drängt | |
sich nach vorne. | |
Boxer Hermann: Was soll der Scheiß? Ich habe keinen Bock auf das Pack aus | |
Amiland. Heute wollen sie einen Knochen, morgen die Weiber. In Brandenburg | |
töten sie Hunde. | |
Robert: Jagdhunde! Mäßige dich Hermann. Wir wurden alle schon verjagt oder | |
verfolgt. Wir müssen uns gegen die Menschen vereinen. Alle Tiere zusammen, | |
egal ob mit Fell oder Schuppen, von hier oder aus der Ferne. | |
Eichhörnchen Nina: In England haben die Grauhörnchen meine ganze Familie | |
ausgerottet. Alle roten Hörnchen – einfach weg. Das wird man ja wohl noch | |
sagen dürfen. | |
Auguste: Es ist ein weiter Weg bis zur Verwirklichung einer Utopie. Aber | |
stellt euch vor, alle Tiere wären Brüder. | |
Ulrike: Und Schwestern! | |
Biene Meret: Ich hänge ja oft mit den Wildschweinen ab. Die gehen manchmal | |
bis nach Berlin rein. Und da haben sie einen riesigen freien Platz | |
gefunden, einen alten Flughafen. Ein Feld mit Gras und Bäumen, und die | |
Menschen wissen nicht, was sie damit machen sollen. | |
Josepha: Kapert Busse und Züge! Grabt Tunnel! Wir ziehen nach Berlin! | |
Rotkehlchen Max: In der Hauptstadt sind wir nah an der Regierung. Das ist | |
gut für die Lobbyarbeit. | |
Andreas: Lobbyismus ist der Faschismus der Angestellten! Wir putschen! | |
Tiere aller Länder, vereinigt euch! | |
6 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Felix Zimmermann | |
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