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# taz.de -- Reaktionen auf Swissleaks: Der Hoeneß fehlt
> Zehntausende Anleger parken Milliarden an Schwarzgeld in der Schweiz.
> Eine Enthüllung der Superlative. Warum regt das denn kaum jemanden auf?
Bild: Staatsbürger aus 203 Ländern haben ihre Geldkoffer in die Schweizer Fil…
Es ist der weltweit größte Diebstahl: Jedes Jahr hinterziehen die
Vermögenden etwa 130 Milliarden Euro an Steuern, indem sie ihr Geld in
Steueroasen parken. Allein in der Schweiz lagert ein Auslandsvermögen von
rund 1.800 Milliarden Euro, wovon 1.000 Milliarden Europäern gehören.
Diese statistischen Schätzungen stammen vom französischen Ökonom Gabriel
Zucman – und bisher gab es nicht mehr. Doch jetzt am Montag explodierte
eine Datenbombe: Ein Internationales Konsortium von Investigativen
Journalisten (ICIJ) publizierte detaillierte Konto-Informationen, die der
franco-italienische IT-Fachmann Hervé Falciani bei der Schweizer Tochter
der britischen Großbank HSBC entwendet hatte.
Es war der größte Raub von Steuerdaten in der Geschichte: Auf 59.802 Konten
lagerten mehr als 75 Milliarden Euro, die Staatsbürgern aus 203 Ländern
gehörten. Auch 2.106 Deutsche waren darunter, die etwa 4,4 Milliarden Euro
versteckt hatten.
Doch merkwürdig: Die Empörung hielt sich in Grenzen, obwohl es eine
Nachricht der Superlative war. Die Sprecherin von Finanzminister Schäuble
kommentierte nur müde: „Das kann ich und möchte ich im Moment nicht
bewerten.“
Es ereignet sich ein Skandal, aber fast niemand findet ihn skandalös. Wie
kann das sein?
Vielleicht ist es die Macht der Gewöhnung. Nur Schweizer leugnen, dass die
Schweiz eine Steueroase ist. Für den Rest der Welt sind Schwarzgeldkonten
in Zürich etwa so neu und interessant wie die Aussage, dass Wasser immer
bergab fließt.
Zudem sind Falcianis Daten nicht taufrisch, sondern stammen aus den Jahren
2006 und 2007. Die Finanzbehörden wissen längst Bescheid, und in vielen
Ländern wurden die Steuersünder auch schon bestraft.
## Es muss ein Promi involviert sein
Es wäre jedoch falsch zu glauben, dass man es nur mit ollen Kamellen zu tun
hätte. Die Steuerflucht geht weiter, wie Zucman mit seinen statistischen
Auswertungen zeigen konnte: 2009 wurde auf einem G-20-Gipfel in London zwar
„das Ende des Bankgeheimnisses“ beschlossen. Trotzdem sind die
Auslandsvermögen in der Schweiz seither um 14 Prozent gewachsen.
Allein in Deutschland entgehen dem Staat jährlich 10 Milliarden Euro an
Steuereinnahmen, weil die Vermögenden ihr Geld ins Ausland schaffen. Doch
dies ist eine abstrakte Zahl – und Politik funktioniert wie ein Roman. Es
muss Helden und Schurken geben sowie reuige Bösewichter.
Doch die Steuerflüchter bleiben meistens anonym. Selbst wenn sie auffliegen
und von den Finanzbehörden verfolgt werden, erfährt die Öffentlichkeit
normalerweise nicht von ihrer Straftat.
Auch das Journalistenkonsortium traute sich kaum, Namen zu nennen. Von den
rund 2.000 deutschen Kontoinhabern bei der HSBC blieben alle geheim. Denn
vor einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung – und danach
das „Resozialisierungsinteresse“. Daher blieb es bei einer spärlichen
Angabe über die HSBC-Sünder: „Auch deutsche Politiker tauchen auf,
allerdings weder aktuelle noch exponierte.“ Das ist nicht der Stoff, der
sich für öffentliche Empörung eignet.
Für einen Erregungsskandal muss ein Promi involviert sein. Bayern-Manager
Hoeneß passte da bestens, der 28,5 Millionen Euro an Steuern hinterzogen
hatte und zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.
An der Steuerflucht wird sich ohne öffentliche Erregung wenig ändern,
umgekehrt führt aber Empörung allein noch nicht zu sinnvoller Politik. Wie
Zucman ernüchtert feststellte, sind es vor allem „die kleinen Fische“, die
neuerdings erwischt werden.
9 Feb 2015
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
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Steuerflüchtlinge
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