| # taz.de -- Hotelbau am Oranienplatz: Andererseits auch Scheiße | |
| > Das alte Kaufhaus am Oranienplatz wird zum Hotel. Nicht alle Anwohner | |
| > sind glücklich: Die einen fürchten eine Aufwertung, den anderen geht sie | |
| > nicht weit genug. | |
| Bild: Das Haus der 28 Türen wird bald neue Nachbarn haben | |
| Noch sind die Fenster im Erdgeschoss verrammelt, Plakate kleben auf der | |
| Fassade. Weiter oben fehlen die Scheiben, jemand hat eine blaue | |
| Plastikplane in die Lücke gespannt. Seit Jahren steht das denkmalgeschützte | |
| Gebäude an der östlichen Seite des Kreuzberger Oranienplatzes leer. Das | |
| soll sich bald ändern: Am Dienstag schrauben Bauarbeiter vor dem ehemaligen | |
| Kaufhaus ein Gerüst zusammen. Wenn alles klappt, eröffnet im Sommer 2016 | |
| hier ein Hotel. | |
| Betreiber ist Dietmar Müller-Elmau, der auch das Fünf-Sterne-Haus Schloss | |
| Elmau in Bayern leitet. Dort, im abgeschiedenen Tal mit Alpenpanorama, | |
| findet im Juni der G-7-Gipfel statt. Am Oranienplatz will Müller-Elmau | |
| dagegen keine Luxusbleibe, sondern „ein ganz normales Hotel“ einrichten, | |
| mit 50 Zimmern und 100 Betten. Im Erdgeschoss sind ein Restaurant und eine | |
| Bar geplant. „Es soll gute Küche geben zu erschwinglichen Preisen“, sagt | |
| Müller-Elmau. | |
| Das Gesicht des Platzes wird sich dadurch weiter verändern. Dort, wo vor | |
| einem Jahr noch Flüchtlinge zelteten und eine andere Asylpolitik forderten, | |
| werden dann noch mehr Touristen ein- und ausgehen. Viele Nachbarn begrüßen | |
| die Entwicklung. „Das Gebäude war tot, jetzt kann es wieder leben“, freut | |
| sich eine Anwohnerin. Die Demonstrationen seien ihr eh zu viel geworden. | |
| Neugierig späht sie durch den Eingang. Der ist bereits entkernt, nur ein | |
| paar Säulen sind in den hohen Räumen geblieben. | |
| „Kreuzberg wird schöner“, findet auch ein 30-jähriger Mann türkischer | |
| Herkunft. Er lehnt am Tresen eines Cafés in der Nähe. Zigarettenrauch hängt | |
| in der Luft. „Auf der anderen Seite ist das auch Scheiße“, sagt er | |
| plötzlich. „Dann bezeichnen die Leute das hier als reiche Gegend.“ Das sei | |
| schlecht für normale Leute wie ihn, wegen der Mieten. | |
| „Von mir aus müsste das nicht sein“, sagt Stefan Zosel, Inhaber des Cafés | |
| Kuchenkaiser. Er trägt Dreitagebart, die schwarze Mütze sitzt schief auf | |
| dem Kopf. Seit 30 Jahren lebt Zosel in der Gegend. „Früher war das ein | |
| dunkler Platz mit viel Müll und Kaninchenlöchern. Man konnte kein Auto | |
| abstellen, ohne dass einem der Kassettenrekorder geklaut wurde“, erzählt | |
| er. Die Sanierung des Platzes, zuletzt auch die vielen Neubauten rund um | |
| den Engeldamm hätten die Ecke verändert. Zosel zuckt mit den Schultern. Er | |
| persönlich möge es lieber trashig. „Aber für uns als Gastronomie ist so ein | |
| Hotel nicht unbedingt schlecht.“ | |
| ## „Hotels gibt’s hier genug“ | |
| An der Ampel wartet ein blonder junger Mann im Kapuzenpulli. Ein | |
| Antifa-Anstecker schmückt seine Mütze. Hotels gebe es hier schon genug, | |
| sagt er. Armut und Wohlstand prallten im Kiez zu krass aufeinander. „Am | |
| Kotti liegt der Penner mit der Spritze im Arm, daneben hält der Reisebus.“ | |
| Er würde sich wünschen, dass das Gebäude anders bespielt würde, sagt er. | |
| Und überlegt. „Man hätte die Flüchtlinge hier unterbringen können.“ | |
| Ganz andere Ideen hat Kunsttheoretiker Bazon Brock, der auf der | |
| gegenüberliegenden Seite des Platzes seine „Denkerei“ betreibt. Statt eines | |
| normalen Hotels würde er lieber einen „Tempel der Einheit der | |
| Weltzivilisation“ hier sehen. Kreuzberg stehe schließlich für die „Vielhe… | |
| der Kulturen, die von der Einheit der Zivilisation“ zusammengehalten werde. | |
| Er schätzt, dass das Hotel eine Klientel aus der unteren Mittelschicht | |
| ansprechen wird. „Ich würde mir Leute wünschen, die mehr wollen“, so Broc… | |
| Dass der Oranienplatz ein politisch aufgeladener Ort ist, weiß auch Bauherr | |
| Dietmar Müller-Elmau. Er selbst spreche sich seit Jahrzehnten für eine | |
| liberale Einwanderungspolitik aus, sagt er. Einen Widerspruch zwischen den | |
| Belangen der Flüchtlinge, die den Platz bald wieder stärker bespielen | |
| wollen, und seinen eigenen Plänen will er nicht sehen. „Hotels waren schon | |
| immer Orte der Zuflucht, der Gastfreundschaft und des Fremdenverkehrs“, | |
| sagt er. Er hofft auf die Kreuzberger Toleranz – auch seinem Projekt | |
| gegenüber. | |
| 4 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
| Antje Lang-Lendorff | |
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