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# taz.de -- Autobiografie von Helmut Schmidt: Was er noch sagen wollte
> Helmut Schmidt hat ein Buch geschrieben, in dem er sich lange nach
> Beendigung seiner sexuellen Karriere an ebendiese erinnert. Wer will das
> wissen?
Bild: Helmut Schmidt und die Frauen: 1982 mit Loki und einer Touristin auf der …
Ich. Man fängt einen Zeitungsartikel nicht mit „Ich“ an, wenn man als
ernsthafter Journalist den altruistischen Eid abgelegt hat und
sklavengleich neutral der Sache dient. Mit „Ich“ können Blogger beginnen,
Faschisten oder Lyriker. Trotzdem frage ich mich, als die Anfrage für
diesen Text kommt: Warum gerade ich?
Ein alter Mann hat ein Buch geschrieben, in dem er sich lange nach
Beendigung seiner sexuellen Karriere an ebendiese erinnert. Vielleicht ist
das die Parallele. Ich bin der Spezialist. Doch damit sei von nun an
(ausgenommen Fremdzitate) das Personalpronomen in der ersten Person
Singular tabu.
Helmut Schmidt hat in seiner jüngsten und hoffentlich auch letzten
Autobiografie „Was ich noch sagen wollte“ eingeräumt, seine verstorbene
Frau Loki über längere Zeit hinweg betrogen zu haben. Auch Marcel
Reich-Ranicki blubberte präposthum recht offenherzig seine Affären in die
Öffentlichkeit. Und seine Alte war zu jenem Zeitpunkt noch nicht mal kalt.
Welche Vereinbarungen in einer Beziehung über Seitensprünge herrschen, ist
verhandelbar und Sache der Beteiligten. Wenn es die Heimlichkeit ist, dann
ist es eben die Heimlichkeit. Doch das Besondere an der Heimlichkeit ist,
dass sie nun mal heimlich abzulaufen hat. Über die Medien dem anderen
Hörner aufzusetzen, ist schlechter Stil. Das Motiv, sie seien im Alter
Hippies geworden und hätten nun endlich das Prinzip polyamorer Ehrlichkeit
verstanden, will man den lebenskonservativen Patriarchen, die ihren
Partnern nie dasselbe Recht zugestanden hätten, nicht abkaufen.
Was also soll der Mitteilungsdrang, was wollen sie uns stolz verkünden:
„Ich hab schon mehr als eine andere Person gefickt“? Das ist doch
fünfzehnjährig. Oder eben die regressive Kindlichkeit, die sich im Final
Countdown vom erwarteten Lebensende an wieder rückwärts rechnet. „Ich bin
auch ein Mensch (gewesen) und kein Polit- oder Literaturroboter“? Es gibt
längst ganz hervorragende Fickroboter. Vielleicht ist die Lösung aber ganz
einfach: „Ich brauche Geld für Zigaretten.“ Auch das Buch des Altkanzlers
möchte ja verkauft werden.
## King Kong meets Matthias Matussek
Doch wer will das wissen? Das freizügige Gelaber, wer mit wem, wo, wann,
wie und wie viele, hat vor allem männliche Tradition und vergisst allzu
gern, dass die Privatsphäre zweiter, dritter, vierter Personen ebenfalls
geschützt sein will. Es ist eben nicht nur die eigene Sache, wenn andere
involviert sind. Doch das Prahlen mit dem banalen Funktionieren der eigenen
Biologie scheint zu verlockend. Denn ewig tobt der Wettstreit, wer den
Längeren hat, ihn öfter benutzt, sein Erbgut weiter verteilt, den anderen
verdrängt und übertrumpft. King Kong meets Matthias Matussek.
Bei Jüngeren ist das Geschlechterverhältnis der Angeber bereits deutlich
ausgewogener. Der Feminismus hat da seine kältesten Schattenseiten, wo er
männlichen Schwachsinn unhinterfragt imitiert, ob im Straßen- oder im
Geschlechtsverkehr. Inge Meysels spätes Coming-out zählt ausdrücklich nicht
dazu – zu allgemein, zu unpersönlich. Das tut niemandem weh. Mit den
Erwähnten gemein hatte sie bestenfalls das Alter.
Der Verlust des Tickets für den großen Triebwagen über Attraktivität nach
Vögelhausen mit Zwischenhalt in Libido-Nord, tut unbestritten weh. Man
mindert den Schmerz jedoch nicht, indem man für den Hilfeschrei von Wolke
elf auch noch Bäume sterben lässt. Daher halten wir es lieber frei nach
Reinhard Mey: „Was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette und eine
zweite noch im Geh’n.“
5 Mar 2015
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Polyamorie
Affäre
Autobiografie
Helmut Schmidt
Nachruf
Fernsehen
Damals bei uns daheim
Schwerpunkt Eurovision Song Contest
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