Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Altlasten im Boden: Bundeswehr bleibt Buhmann
> Noch Jahrzehnte müssen die Anwohner des Tanklagers in Bremen-Farge mit Öl
> in ihren Gärten leben. Sie fordern schnellere Sanierung.
Bild: Nach Naherholung sieht es hier noch nicht wirklich aus: der Zaun vor dem …
BREMEN taz | Das Gemeindehaus Rönnebeck war mit 150 Menschen bis auf den
letzten Platz gefüllt, als diese Woche die „Bürgerinitiative Tanklager
Farge“ zur Versammlung einlud. Immerhin war die Finanzsenatorin Karoline
Linnert (Grüne) gekommen und Wolfgang Kumpfer aus dem Stab des
Umweltsenators. Die Bundeswehr hingegen, Betreiberin des Geländes, entzog
sich wieder der Auseinandersetzung mit den Anwohnern.
Nach jahrelangem harten Streit hatte sich im vergangenen Jahr die
Bürgerinitiative durchgesetzt: Es gibt einen eindeutigen Beschluss der
Bürgerschaft und auch eine mündliche Zusage der Bundeswehr über die
Schließung. Bis dahin hatten Bundeswehr und Bremer Umweltsenator die
Position vertreten, die riesigen unterirdischen Tanks aus der Nazizeit
sollten an einen privaten Nutzer verkauft werden.
Nun aber steht die Frage im Raum: Was soll nun aus dem Gelände werden,
dessen Boden mit Öl verseucht und mit Blindgängern aus dem Weltkrieg
durchsetzt ist?
Für die Anwohner gilt die „Empfehlung“ des Gewerbeaufsichtsamtes, die
Finger vom Brunnenwasser im Garten zu lassen – es riecht nach Benzin. Mit
eigenen Kontrollbrunnen überwacht die SWB, wie weit die Öl-Fahne sich zum
Trinkwasserbrunnen Farge ausbreitet.
„Ich wünsche mir, dass das Gelände irgendwann einmal ein Naherholungsgebiet
wird“, erklärte die Finanzsenatorin und baute damit eine Brücke zu den
Anwohnern. Aber bis heute seinoch kein förmlicher Stilllegungsbescheid der
Bundeswehr in Bremen angekommen.
Der ist auch nicht so einfach zu erlassen – er muss verbunden sein mit
einer Planung über den Rückbau der die Umwelt belastenden Bauwerke, die
hunderte von Millionen Euro kosten dürfte. Seit Jahren wird über
verschiedene Brunnen versickertes Öl gefördert auf dem Gelände – „etwa e…
Colaflasche pro Tag“, beschrieb der Vertreter des Umweltsenators die
Dimension. Es geht nicht schneller, weil das Öl gebunden ist im Erdreich
und nur langsam in den Trichter zum Abpumpen hineinläuft. Jahrzehnte kann
es dauern, bis der Prozess abgeschlossen werden kann.
Im Vergleich zu früheren Zeiten, in denen die BI noch um die Stilllegung
kämpfen musste, endete diese Versammlung versöhnlich. Die Finanzsenatorin
erklärte, dass sie sich für regelmäßige Kontakte mit den Vertretern der BI
bemühen wolle, um eine Vertrauens-Basis zu schaffen – immerhin arbeite man
ja an demselben Ziel. Die Sorge, dass es teuer für Bremen werden könnte,
hat sie nicht: Bezahlen muss der Bund.
In einem ersten Schritt sollen die fachlichen Anregungen des Experten der
Bürgerinitiative mit den Experten der Umweltbehörde besprochen werden – die
BI nahm dieses Angebot gern an.
Eine komplizierte Fach-Debatte gibt es allerdings um die Frage, ob sich die
Schadstoff-Fahne weiter ausbreitet oder ob die Diffusion im Boden unter den
Wohngebieten und Richtung Trinkwasserbrunnen der SWB gestoppt ist. Die SWB
hat drei weitere Messstellen im Vorfeld des Brunnens 16 errichten lassen,
um einen eventuellen Zustrom auf den Brunnen frühzeitig erkennen zu können.
Die Beprobung der drei neuen Messstellen durch die SWB-Tochter „wesernetz“
hat bisher, so teilte „wesernetz“ auf Nachfrage der taz mit, keine Zunahme
der Schadstoffbelastung des Grundwassers ergeben.
Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) hält die derzeit praktizierten
Maßnahmen zur Abschöpfung des Öls „an der Quelle“, nämlich beim
Verladebahnhof II, für ausreichend, weil dadurch die Abdrift gestoppt
würde. Er ist davon überzeugt, dass das Verfahren dem modernsten Stand der
Technik entsprechen würde. Wenn man Grundwasser abpumpen und reinigen
würde, dann würde das nur den Sog zu den hoch konzentrierten Öl-Feldern
erhöhen, erklärte er gegenüber der taz.
„Ein Nachweis dafür, dass die Fahne stationär ist, ist mir nicht bekannt“,
erklärt dagegen der Experte der Bürgerinitiative, Georg Karfusehr. Es
spreche „auch aus fachlicher Sicht nichts für diese Hypothese“.
Denn zumindest der Schadstoff MTBE gilt als sehr gut löslich, nicht oder
nur sehr schlecht abbaubar und neigt nicht dazu sich an organischen
Bestandteilen im Boden anzulagern, so dass nur mit geringen
,Selbstreinigungskräften‘ zu rechnen ist, die am Ende zu einem stationären
Zustand der Fahne führen würde.“
Zudem ist er der Ansicht, dass die Ölabschöpfung im Bereich Verladebahnhof
II die eine Sache ist, eine Sanierung der Schadstoff-Fahne aber eine
andere. Um einen weiteren Abstrom der Schadstoffe zu blockieren, müsse man
„mehrere/weitere Förderbrunnen an der Liegenschaftsgrenze (die Fahnenbreite
beträgt dort circa 200 m“ einrichten.
„Wenn die Grundwassersicherung auf mehrere Brunnen verteilt wird und auch
weitere Brunnen für die Ölabschöpfung errichtet werden ist keine Sogwirkung
zu erwarten“, widerspricht er ausdrücklich dem Umweltsenator: „Der/die
Brunnen für die Fahnensanierung sind weit weg vom Einflussbereich der
Ölabschöpfbrunnen und beeinflussen sich nicht gegenseitig.“
Die Sanierung der Abstrom-Fahne würde zudem einen deutlich geringeren
Zeitaufwand erfordern – fünf bis zehn Jahre – als die vollständige
Sanierung der bekannten Schäden auf der Liegenschaft – mehrere Jahrzehnte.
Er stellt die Frage, ob die Gutachter der Firma HPC überhaupt den Auftrag
bekommen haben, sich mit dieser Frage der Abstromsicherung zu befassen.
Die Bürgerinitiative sieht in den von der Umweltbehörde veröffentlichten
Messdaten Anzeichen für eine Ausbreitung der Öl-Fahne. Unstreitig ist: Die
gemessenen Werte schwanken. Offiziell hat die Umweltbehörde im Januar 29015
mitgeteilt, dass auch an Messstelle Ecke Farger Straße / An der Amtsweide,
circa 950 Meter im Grundwasserabstrom von der Liegenschaftsgrenze des
Tanklagers entfernt, „leicht erhöhte schwankende MTBE-Konzentrationen“
gemessen wurden, die Werte lägen „zwischen 7,6 und 18,0 µg/l“, als
„geringfügig“ werden Werte unter 15,0 µg/l angesehen. „Die
BTEX-Konzentrationen schwanken in dieser Messstelle zwischen 9,0 und 27,0
µg/l mit seit 2011 leicht steigender Tendenz.“ Geringfügig wären Werte
unter 20,0 µg/l.
5 Mar 2015
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Bremen
Bundeswehr
Erneuerbare Energien
Bremen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umweltsenator Joachim Lohse über Klimaschutz: „Hier sind wir auf Kurs“
Die CO2-Emissionen in Bremen sinken durch energetischen Wohnbau und
Sanierungen. Nur über das Offshore-Terminal sind die Grünen uneins.
Vergiftung der Umwelt: Tatzeit unbekannt
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht länger wegen des verseuchten
Grundwassers beim Tanklager Farge. AnwohnerInnen kritisieren den
Ermittlungsstopp.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.