# taz.de -- Kommentar Sahra Wagenknecht: Eine Illusion weniger | |
> Überraschung: Sahra Wagenknecht kandidiert nicht für den | |
> Fraktionsvorsitz. Das ist ein Nein zur Verantwortung, ein Nein zur | |
> Realpolitik. | |
Bild: Wagenknecht bleibt Solotänzerin. | |
Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht, der Realo und die Linke, sollten im | |
Herbst 2015 Gregor Gysi an der Fraktionsspitze beerben. Ob das geklappt | |
hätte, ist schwer zu sagen: Ob Gysi gehen will, weiß wohl nicht einmal er | |
selbst. | |
Aber das ist jetzt Schnee von gestern. Als Fraktionschefin hätte | |
Wagenknecht intern Kompromisse einfädeln und vertreten müssen. Das will sie | |
nicht. Sie will Solotänzerin bleiben und nicht Choreographin werden. | |
Das ist für Dietmar Bartsch bedauerlich, dessen Karriere mal wieder | |
unverhofft an Grenzen stößt. Und mehr: Wagenknechts Nein ist ein Zeichen. | |
Es heißt: Nein zur Verantwortung, und Nein zur Realpolitik. | |
Wagenknecht repräsentiert den radikalen Flügel der Linkspartei – aber sie | |
hat sich verändert. Sie hat die DDR-Nostalgie abgestreift und den hohen Ton | |
der Rechthaberei herunter gepegelt. Auch eine rot-rot-grüne Regierung kann | |
sie sich vorstellen, wenn auch zu Bedingungen, die illusorisch wirken. Aber | |
falls Rot-Rot-Grün doch mal in Reichweite kommen sollte, wäre ihre Rolle | |
klar gewesen. Nur Wagenknecht könnte den linken Flügel einnorden und | |
versöhnen. | |
## Das Drama der Partei: Stagnation | |
Doch Wagenknecht wird diese Rolle nicht spielen. Im Zweifel votiert sie | |
gegen Regierungslogik. Das ist die Kernbotschaft dieses Rückzugs. | |
Der Anlass für den Rückzug ist sprechend. Die Linksfraktion hat mit großer | |
Mehrheit für die EU-Griechenlandhilfe gestimmt, Wagenknecht hat sich | |
enthalten. Mit Syriza stellte sich, im gegen die Zumutungen der Realität | |
weitgehend abgedichteten Politkosmos der Genossen, konkret die Frage, was | |
die Linkspartei will: weiter abstrakt rechthaben oder sich auf das Geschäft | |
mit Kompromissen und Sachzwängen einlassen. Sogar eiserne Fundis wie | |
Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke stimmten mit Ja – also für die Logik der | |
Regierungspolitik. Wagenknecht nicht. | |
Ist das der erste Haarriss, der eine Spaltung der Linkspartei anzeigt? | |
Nein, das nicht. Es ist vielmehr noch ein Zeichen für das unspektakuläre | |
Drama der Partei: Stagnation. Gysi bleibt Fraktionschef. Wagenknecht | |
versorgt den eigene Flügel weiter mit radikalen Botschaften. Bartsch | |
wartet. Die Partei bewegt sich nicht mehr. Irgendwann geht das nicht mehr | |
gut. | |
6 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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