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# taz.de -- Aufklärung pädophiler Taten: Hessen hört Missbrauchsopfer
> Das Land Hessen trifft zum ersten Mal offiziell die Opfer einer
> jahrzehntelangen Missbrauchsserie an einer Schule in Darmstadt.
Bild: Die Elly-Heuss-Knapp-Schule in Darmstadt.
Nach einer jahrzehntelangen Missbrauchsserie an einer staatlichen
hessischen Schule wird es am kommenden Mittwoch erstmals ein Treffen
zwischen den Opfern und dem hessischen Kultusministerium geben. Die
Vertreter der Betroffenen sollen dabei Gelegenheit haben, „ihre
Vorstellungen und Ziele für die Aufklärung der Missbrauchsvorfälle zu
erläutern“, teilte das Kultusministerium auf Anfrage der taz mit. „Das
Hessische Kultusministerium unterstützt diese Initiative mit allen ihm zur
Verfügung stehenden Möglichkeiten“, hieß es weiter.
Wie groß der Ausmaß der Missbrauchsserie an der Elly-Heuss-Knapp-Schule in
Darmstadt war, ist bis heute schwer abzusehen. Mehrere Jahrzehnte hatte ein
Lehrer Jungen nachmittags zu sich nach Hause eingeladen, mit ihnen gekocht,
Hausaufgaben mit ihnen gemacht – und sie unter anderem beim Mittagsschlaf
in seinem Schlafzimmer vergewaltigt.
Erst 2005 war der Pädagoge wegen 15 Fällen von sexuellem Missbrauch an
Kindern vom Landgericht Darmstadt verurteilt worden. Etliche andere Fälle
waren längst verjährt. 2008 starb der Lehrer. Es ist davon auszugehen, dass
die Zahl der Missbrauchsopfer weit über hundert liegt.
## Den eigenen Missbrauch akribisch dokumentiert
Wie er ein System von Anreizen und Abhängigkeiten schuf, mit denen er
besonders Jungen aus sozial schwachen Familien an sich band, belegen
Aussagen mehrerer Betroffener aber auch Tagebuchaufzeichnungen, in denen
der Lehrer den Missbrauch und auch die Gerüchte, die über ihn im Umlauf
waren, akribisch dokumentierte. Einige dieser Tagebücher liegen der taz. am
wochenende vor.
„Dann, es ist 18 Uhr, draußen schon dunkel, und er bemerkt, er könne den
Himmel nicht sehen. Ich knipse das Licht aus und er reagiert mit Angst,
indem er vor mir flieht. Ich lege ihm die Hände um den Hals und drücke
leicht zu und sage: 'Wer Angst hat, reizt zum Angriff'“, schreibt der
Anhänger der Reformpädagogik etwa schon im Oktober 1967.
In der Titelgeschichte der taz.am wochenende vom 14./15. März 2015
schildern die taz-Reporterinnen Nina Apin und Gabriela M. Keller den Kampf
der Betroffenen um Aufklärung. „Alle fanden andere Antworten auf die Frage:
Welche Gerechtigkeit kann es für die Opfer sexueller Gewalt geben?“,
schreiben Apin und Keller. Betroffene, die sich Anfang 2013 an die
Schulaufsichtsbehörden wandten, werfen den hessischen Ämtern Unwillen zur
Aufklärung vor.
## Urteil erst 2014 „inhaltlich bekannt“
Der Staatlichen Schulaufsicht, teilt das hessische Kultusministerium auf
Anfrage der taz.am wochenende mit, dürfte das Urteil gegen den Lehrer „erst
Anfang 2014 inhaltlich bekannt geworden sein“ – nachdem die Opfer sich 2013
erstmals gemeldet hatten. Auf Fachebene, schreibt das Ministerium, seien
allerdings in der Vergangenheit „im Rahmen eines umfangreichen
Schriftverkehrs (auch) Gesprächsangebote unterbreitet worden, die jedoch
nicht angenommen worden sind.“
Am 18. März treffen sich nun erstmals Missbrauchsopfer mit dem hessischen
Kultusminister Alexander Lorz (CDU) und einem Landtagsabgeordneten. Die
Opfer wollen eine Anlaufstelle für Betroffene.
In ihrer Geschichte „Verlorene Jungs“ zeigen Apin und Keller, wie der
verurteilte Lehrer im pensionierten Kollegium immer noch hohes Ansehen
genießt – auch bei denen, die längst von seiner Verurteilung wissen. Sie
schildern, wie lange die Opfer auch in diesem Fall brauchten, um sich Gehör
zu verschaffen.
Die Titelgeschichte über die Missbrauchsserie an der
Elly-Heuss-Knapp-Schule und ihre Aufarbeitung lesen Sie in der [1][taz.am
wochenende vom 14./15. März 2015].
13 Mar 2015
## LINKS
[1] /Ausgabe-vom-14/15-Maerz-2015/!156275/
## AUTOREN
Johannes Gernert
## TAGS
Darmstadt
Hessen
Missbrauch
Darmstadt
Schule
Reformpädagogik
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