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# taz.de -- Frauen auf der Lesebühne: „Humor ist eine Waffe, die du trainier…
> Am Anfang war die Lesebühne, und sie war frauenleer. Warum das Weibliche
> noch immer unterrepräsentiert ist, haben wir die Autorinnen Kirsten Fuchs
> und Lea Streisand gefragt.
Bild: Viele Frauen lesen, aber nicht auf der Bühne.
Wir treffen uns für das Gespräch auf eine Soljanka im Sophieneck. Weil man
sich auf der Lesebühne ebenso duzt wie bei der taz, bleiben wir einfach
dabei.
taz: Kirsten, Lea, die meisten Lesebühnen sind sehr männlich geprägte
Veranstaltungen. Warum kommen die trotzdem bei Frauen gut an?
Kirsten Fuchs: Das ist ja ’ne Klischeefrage. Auf die müsste man auch ’ne
Klischeeantwort geben.
Und die lautet?
Fuchs: In der Natur ist es doch so (mit verstellter Stimme): Das Männchen
preist und präsentiert sich, das Weibchen guckt zu.
Lea Streisand: Oah, ey! (lacht) Da gibt’s aber einfachere Möglichkeiten, an
Frauen zu kommen.
Fuchs: Nicht für alle. Bei manchen Bühnen hätten die einzelnen nie so
abgeräumt. Die hatten ihre richtig guten Jahre.
Streisand: Okay, kann sein, dass es für manche Männer einfacher ist, sich
über die Bühne Sexnachschub zu besorgen.
Fuchs: Ist doch auch für die Frauen von Vorteil. Die haben Zeit, sich einen
schönzugucken, und dann gehen sie hin. Die treffen die Entscheidung.
Streisand: Uns Frauen geht das doch genauso.
Fuchs: Also ich finde nicht so attraktiv, was da an männlichen Avancen
kommt.
Streisand: Bist du neidisch?
Fuchs: Nein. Aber ich hatte oft das Gefühl, da hat sich jemand für mich
entschieden, mit dem ich gar nichts anfangen kann.
Das ist ja auch nicht eure Motivation zu lesen, oder?
Beide: Nein!
Aber die der Männer schon?
Fuchs: Ein junger Mann will immer Sex haben. Ich glaube, das meiste, was er
tut, hat zum Motiv, eine Frau kennenzulernen. Außer Wichsen vielleicht.
Streisand: Das ist ja mal ’n Männerbild.
Fuchs: Okay, im Ernst: Dass die Kollegen auf die Bühne gegangen sind, um
Sex zu haben, ist natürlich Quatsch. Das sind Typen, die lustig sind und
sich was getraut haben. Und dann haben sie festgestellt, dass viele Frauen
sie mögen. Weil ein witziger Mann natürlich sexy ist.
Würdet ihr die Beobachtung teilen, dass Lesebühnenhumor ziemlich sexistisch
sein kann?
Fuchs: Sagen wir es mal so: Es gibt weibliche Lesebühnenautorinnen, die
sich darüber schon sehr geärgert haben.
Streisand: Sehr.
Fuchs: Das Problem ist: Viele intelligente Männer glauben, sie könnten gar
nicht sexistisch sein. Weil sie ja intelligent sind. Aber in ihren Texten
bringen sie dieselben frauenfeindlichen Sprüche, die es auch woanders gibt.
Nur glauben sie, ihr Lachen darüber sei ironisch.
Streisand: „Ich bin jetzt mal politisch unkorrekt“ … da krieg ich so ’n
Hals. Jungs: Macht’s einfach nicht. Sagt’s einfach nicht.
Fuchs: Es hat auch was mit Erwachsenwerden zu tun. Als ich angefangen habe,
habe ich viel krassere Sachen gemacht. Hart, schlüpfrig, eklig, diese
ganzen Register habe ich gezogen.
Streisand: Ich erinnere mich an die Kackegeschichte.
Was war das für eine?
Fuchs: Da krieg ich einen Liebesbrief von jemandem, der hat ein Herz
gemalt. Ich weiß nicht genau, ob ich verliebt bin, aber dann kacke ich
zufällig ein Herz. Und überlege, ob ich es fotografieren und ihm schicken
soll.
Streisand: Super Geschichte!
Fuchs: Heute würde ich das so vielleicht nicht mehr schreiben.
Streisand: Ja, heute habe ich das auch nicht mehr nötig. Ich glaube, so mit
Anfang 20 hatten wir das Gefühl, uns freikämpfen zu müssen. Mal nur über
unsere Körper reden, unsere Muschis.
Fuchs: Genau. Ich wollte nicht verschämt sein, ich wollte unverschämt sein.
Aber warum treten immer noch so wenige Frauen auf?
Streisand: Es liegt an der Komik. Frauen werden immer noch nicht dazu
erzogen, sich öffentlich zu präsentieren oder auch mal lächerlich zu
machen. Und wenn sie doch lustig sind, werden sie in die Freak-Ecke
gestellt.
Fuchs: Ich kenne total viele lustige Frauen. Die Frage ist, warum sie nicht
auf die Bühne gehen.
Streisand: Sie trauen sich nicht.
Fuchs: Oder sie haben es nicht nötig. Mädchen haben andere Möglichkeiten,
sich beliebt zu machen. Zuhören, aufmerksam sein, attraktiv sein.
Streisand: Nee! Da kommen Minderwertigkeitsgefühle und Scham zusammen. So
was macht man nicht als Frau. Es passt nicht ins Bild. Die Frau ist die,
die lacht, nicht die, die die Witze macht. Viele Männer haben Angst vor
witzigen Frauen, weil Witz für Intelligenz steht und Schnelligkeit. Und das
bedeutet Macht.
Fuchs: Also, das sehe ich nicht so. Ich glaube, die Frauen brauchen diese
öffentliche Beklatschung nicht. Schon auf dem Schulhof sind es die Jungs,
die Geschichten erzählen …
Streisand: Ich hab immer Geschichten erzählt!
Fuchs: … und in der Kneipe, da sitzen die Männer und wollen ihre
Geschichten immer auf ’ne witzige Art erzählen. Die sind dann einfach
geübter in diesen mündlichen Kämpfen.
Die Lesebühne als Fortsetzung des Stammtischs mit anderen Mitteln?
Streisand: Kirsten hat sicher recht, dass diese präsentierte, nach außen
gestellte Komik ein männliches Öffentlichkeitsgebaren ist. Aber
verallgemeinern würde ich es nicht. Ich selbst komme aus einer Familie, wo
die Frauen laut und witzig sind.
Fuchs: Ich auch. Meine Tante hättest du jederzeit auf eine Bühne stellen
können. Und meine Oma.
Streisand: Meine Oma stand auf der Bühne! Nur nicht mit Komik.
Fuchs: Humor ist eine Waffe, die du trainieren musst. Ich merke, dass meine
Tochter eine schlagfertige Person ist. Wir machen eben total viel Quatsch
zu Hause. Man sieht ihr an, wie sie überlegt: Wie kann ich aus dieser
Situation was Lustiges rausholen?
Streisand: Ja, da ist viel Erziehung bei. Man muss lernen, immer noch eine
Ecke weiterzudenken. Komik ist ja auch, eine Sache ins Gegenteil zu
verkehren und ihre Nur-Dargestelltheit zu zeigen. Sie ist das Gegenteil von
Rock ’n’ Roll, nicht authentisch, sondern ein „wir tun mal so“.
Ist die Lesebühne für euch beide ein Projekt mit Zukunft?
Fuchs: Auf Dauer will ich einen anderen Lebensstandard. Bühnenlesen reicht
grade so.
Streisand: Ein Kind kannst du damit nicht ernähren. Nur denken manche von
den Männern, sie können so ewig jung bleiben.
Fuchs: Das klappt ja auch lange ganz gut. Aber wenn du jetzt Berliner
Lesebühnenautoren nach Süddeutschland schickst und die stehen da mit 40 und
sagen „Steh ick um zwölve uff, kratz ma erst ma an’ Arsch“, dann finden …
die Leute da unten ein bisschen … asozial. In Berlin gibt es ganz andere
Sympathien für diesen Typus, dieses leicht Verlotterte.
Streisand: Slacker heißt dit.
Fuchs: Das machen Frauen ab 30 nicht mehr mit. Viele witzige Kolleginnen
sind schwanger geworden oder in anderen Berufen verschwunden. Ein paar
konnten auch künstlerisch durchstarten.
Streisand: Stimmt.
Beide sehen sich vielsagend an.
14 Mar 2015
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Jochen Schmidt
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