| # taz.de -- Betrug bei Sportwetten: Der todsichere Tipp | |
| > Spieler bestechen war gestern. Auf Wettportalen tauchen nun vermehrt | |
| > Fußballspiele auf, die gar nicht stattfanden. | |
| Bild: Wettbetrüger entdecken ein neues Geschäftsmodell (Symbolfoto) | |
| BERLIN taz | Nicht einmal den Zahlen kann man mehr bei Fußballwetten | |
| trauen. Internationale Wettunternehmen boten ihren Kunden am 3. Februar | |
| 2015 das Freundschaftsspiel zwischen den weißrussischen Klubs FC Slutsk und | |
| Schachtjor Soligorsk an. Bei den asiatischen Branchenführern Sbobet, Ibcbet | |
| und M88 konnte man sogar live wetten. | |
| Das Problem war nur: Dieses Spiel fand gar nicht statt. Betrügern gelang | |
| es, den internationalen Wettfirmen die Ansetzung schmackhaft zu machen und | |
| sogar einzelne Spielereignisse auf die Websites hochzuladen. | |
| Branchengerüchten zufolge verlor allein Sbobet weltweit 1,5 Millionen Euro. | |
| Diese neuartigen Geisterspiele beunruhigen seit einiger Zeit die | |
| Wettanbieter. Es ist die vielleicht originellste Ausprägung im Match | |
| Fixing. Es handelt sich jedoch nur um ein weiteres Geschäftsmodell der | |
| Wettbetrüger. Sie versuchen nicht mehr nur Klubs zu kaufen, um mithilfe der | |
| Spieler und Trainer die gewünschten Ergebnisse zu erzielen oder | |
| Schiedsrichter zu bestechen. | |
| „Sie operieren jetzt auch mit fiktiven Spielen“, erzählt Friedrich | |
| Stickler, Präsident der Vereinigung der europäischen Staatslotterien. Die | |
| Risikoabwägung ist einfach. Statt drei, vier Spieler einer Mannschaft zu | |
| kaufen, um eine begrenzte Anzahl von wettrelevanten Ereignissen zu | |
| inszenieren – wie etwa eine Rote Karte, mehrere Gelbe Karten oder die | |
| Anzahl der Tore –, muss nur ein Datenscout bestochen werden, der die | |
| gewünschten Informationen einspeist. Die Möglichkeiten für „sichere“ Wet… | |
| steigen immens. | |
| ## 20 Geisterspiele | |
| Allein in den vergangenen sechs Monaten sind einem Insider weltweit etwa 20 | |
| Geisterspiele aufgefallen. Meist handelt es sich dabei um | |
| Freundschaftskicks. Aber auch das U21-Länderspiel zwischen Turkmenistan und | |
| den Malediven im Januar 2012 fand nie statt – in der Welt der Wetten aber | |
| schon. | |
| Die Sportdatenunternehmen sind sich dieser Gefahr bewusst. Datenscouts sind | |
| meist freie Mitarbeiter, die für ein Handgeld von 40 bis 100 Euro je nach | |
| Land und Liga in die Stadien gehen, um von dort die Aktionen an die | |
| Unternehmen zu melden. „Vor Jahren haben uns unsere Scouts davon berichtet, | |
| dass ihnen 150 Euro für eine verzögerte Meldung eines Ereignisses angeboten | |
| wurden. In den letzten Monaten ist der Tarif schon auf bis zu 5.000 Euro | |
| gestiegen“, erzählt ein Insider. | |
| Im Matchfixing-Bericht vom April 2014 weist die Datenfirma Sportradar auf | |
| einen Fall hin, in dem ein Datenscout sogar mit der Waffe bedroht wurde, um | |
| ein Tor verzögert an die Wettanbieter zu melden. Bereits kleine | |
| Verzögerungen erlauben denen, die von den Ereignissen wissen, sichere | |
| Tipps, meist in Live-Wetten. Mittlerweile haben die Unternehmen | |
| Vorkehrungen dagegen getroffen. „Datenfirmen schicken zu Spielen oft | |
| mehrere Scouts als Sicherheit“, erzählt Andreas Krannich, Direktor von | |
| Sportradar. | |
| ## Beispiele aus den 90ern | |
| Im August 2014 sorgte ein Freundschaftsspiel zwischen dem portugiesischen | |
| Verein Freiamunde und dem spanischen Klub Ponferradina für Aufregung. | |
| Freiamunde spielte – aber gegen einen anderen Gegner. Solche „inszenierten�… | |
| Spiele haben Tradition. Der geständige Wettpate Wilson Raj Perumal lernte | |
| das in den 90ern in Asien. „Man musste nur jemanden vom lokalen | |
| Fußballverband bestechen, damit er das Spiel in den offiziellen Kalender | |
| nahm. Dann tauchte es automatisch bei den Wettunternehmen auf und man | |
| brauchte nur noch ein paar Nachwuchsspieler in die entsprechenden Trikots | |
| zu stecken“, schreibt er in seinem Buch „Kelong Kings“. | |
| Geisterspiele ganz ohne kickende Statisten stellen eine neuere Entwicklung | |
| dar. Damit die eingangs erwähnte weißrussische Partie im Februar von den | |
| Wettunternehmen akzeptiert wurde, hackten die Betrüger die Homepages der | |
| beiden weißrussischen Vereine und kündigten dort das Spiel an. Die | |
| angeblichen Spieldaten meldete ein chinesisches Unternehmen. | |
| Für die allergrößte Bedrohung hält Friedrich Stickler (Europäische | |
| Staatslotterien) diese Masche aber nicht: „Die Matchfixer probieren alles | |
| aus, was geht. Und wenn es nicht geht, kehren sie zum klassischen Modell | |
| zurück und kaufen sich Spieler.“ Insgesamt glaubt er, dass sogar mehr | |
| Spiele manipuliert werden als früher. „Der Sektor ist nach wie vor im | |
| Wachsen begriffen. Die Betrüger sind klüger geworden. Und wenn etwas | |
| herauskommt, dann sind das nur Zufallsfunde: Es verliert jemand die Nerven | |
| oder es wird jemand so bedroht, dass er auspackt.“ | |
| Man kann also auch weiterhin nicht völlig sicher sein, ob jene | |
| Fußballspiele, die zum Wetten angeboten werden, überhaupt stattfinden, und | |
| erst recht nicht, ob die Partien, die stattfinden, regulären Sport | |
| beinhalten. | |
| 19 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Benjamin Best | |
| Tom Mustroph | |
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