Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brokerskandal in Ungarn: Ein Möbelwagen voller Dokumente
> Zwei Banken gehen Konkurs: Ans Licht kommen geprellte Kleinanleger,
> undurchsichtige Amtshandlungen und abgezogene Regierungsgelder.
Bild: Kunden stauen sich vor einer Quaestor-Filiale in Budapest
WIEN taz | „Herr Orbán, warum haben Sie uns nichts gesagt?“ Die
Demonstranten, die sich am Sonntag in der ostungarischen Stadt Debrecen
gegen den Premier empörten, zählten nicht zu den üblichen Verdächtigen.
Statt via Facebook mobilisierten linken Aktivisten versammelten sich
Anleger, die sich um ihr Erspartes geprellt sehen.
Ihr Zorn richtete sich gegen drei Ziele: das Wertpapierhandelshaus
Quaestor, das am 9. März Konkurs angemeldet hatte; dessen Chef Csaba
Tarsoly, der bei Amtsträgern der regierenden Fidesz ein und aus ging; und
nicht zuletzt Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, der von den
Unregelmäßigkeiten bei Quaestor gewusst und Regierungsgelder rechtzeitig
abgezogen haben soll.
Der Skandal war Ende Februar ins Rollen gekommen, als die Ungarische
Nationalbank MNB den Finanzdienstleister Buda-Cash in die Pleite schickte.
Der Fonds hatte jahrelang betrügerische Anleihen ausgegeben. Drei Manager
wurden festgenommen – auf Zuruf von Orbán, wie ungarische Medien schreiben:
Buda-Cash stand der alten sozialliberalen Regierung nahe.
Wenige Tage später ordnete Orbán, wie jetzt bekannt wurde, den Abzug von
Regierungsgeldern aus dem Broker-Haus Quaestor an, angeblich „um einen
Domino-Effekt abzuwenden“. Tatsächlich beruft sich Quaestor in seinem
Konkursantrag auf den Bankrott der Buda-Cash: Dieser habe dazu geführt,
dass Kunden in Panik ihre Einlagen abziehen wollten und die liquiden Mittel
nicht ausgereicht hätten.
Inzwischen ist jedoch klar, dass das Bankhaus diese Liquidität überhaupt
nie hatte. Es hatte Anleihen mit einem Buchwert von fast einer halben
Milliarde Euro ausgegeben, die nach bisherigen Informationen beim Verkauf
höchstens ein Sechstel davon einbringen dürften, auch wenn sie als
„mündelsicher“ angeboten worden waren.
So schnell die Justiz auf den „linken“ Finanzskandal bei Buda-Cash reagiert
hatte, so träge zeigte sie sich anlässlich des „rechten“ Skandals.
Quaestor-Eigner Csaba Tarsoly, ein guter Freund von Außenminister Péter
Szijjártó, konnte einen Möbelwagen voller Dokumente aus seiner Villa
verschwinden lassen.
Orbán wies den Vorwurf des Insiderhandels zurück. Er erklärte, er habe
seine Minister schon im Februar angewiesen zu überprüfen, ob Steuergeld in
„riskanten Anlagen“ stecke, und dieses umgehend abzuziehen. Die Opposition
mutmaßt dagegen, dass die Regierung die Fake-Anleihen mit öffentlichen
Geldern ankaufte, um Projekte von Fidesz-Günstlingen zu finanzieren.
Fidesz-Fraktionschef Antal Rogán muss zur Schadensbegrenzung ausrücken: Für
Kleinanleger soll ein Sonderfonds eingerichtet werden, aus dem alle Anlagen
bis umgerechnet 20.000 Euro ersetzt werden sollen. Das trifft auf 22.000
der 120.000 Anleger zu.
Opposition und Medien fragen sich, warum die Aufsichtsbehörden den
offensichtlichen Betrug nicht früher entdeckt haben. Oberaufseher Károly
Szász amtiert seit fast 15 Jahren und wurde von Orbáns erster Regierung
eingesetzt.
30 Mar 2015
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Ungarn
Viktor Orbán
Banken
Anleger
Fidesz-Partei
Fidesz
Ungarn
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Nachwahl in Ungarn: Orbán kommt ins Stolpern
Parteifreunde prassen mit ihren Pfründen – die Popularität der Regierung
schwindet. Die Wirkung der Wahlniederlage ist nicht zu unterschätzen.
Nachwahl in Ungarn: Regierung verliert Zweidrittelmehrheit
In Veszprem konnte Oppositionskandidat Zoltan Kesz der Partei Viktor Orbáns
ein Mandat abringen. Dem Premier ist so die Macht zur Verfassungsänderung
flöten gegangen.
Ungarischer Medienmogul gegen Orbán: Vertrauter Feind
Der Oligarch Lajos Simicska hat Ungarns Premier Victor Orbán und dessen
Partei aufgebaut. Nun eskaliert ein Streit zwischen den einstigen Freunden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.