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# taz.de -- Syrien-Tagebuch Folge 8: Zuerst gab es noch nicht mal Papier
> Kinder von Flüchtlingen können oft keine Schule besuchen. Aber manchmal
> gibt es Abhilfe, wenn Freiwillige den Unterricht selbst organisieren.
Bild: In einem Lager in Jordanien: Unterricht in einem Zelt von Unicef
Die 24-jährige Firdous hat eine zweijährige Ausbildung als Erzieherin im
Kindergarten absolviert. Anschließend arbeitete sie vier Jahre in der
Schule ihres Dorfes. Heute lebt sie mit ihrem Bruder in einem Lager für
syrische Binnenflüchtlinge nahe der Grenze zur Türkei. Dort traf sie die
39-jährige Lehrerin Ghadeer, die eine Schule aufgebaut hat. Es folgt die
Geschichte von Firdous.
Als ein Mitglied meiner Familie bei einem Angriff auf unser Dorf getötet
wurde, haben mein Bruder und ich unser Zuhause verlassen und sind in die
Lager gezogen. Hier stehen viele Leute und Familien unter Stress wegen dem,
was sie mitgemacht und gesehen haben. Ich habe oft beobachtet, wie Eltern
den Stress an ihren Kindern auslassen und sie manchmal schlagen oder
vernachlässigen.
Kurz nachdem ich in diesem Lager angekommen war, sah ich in einem Camp in
der Nähe Ghadeer, wie sie eine Gruppe Kinder unterrichtete. Ich erkundigte
mich nach ihr und was sie machte und entschied mich dann, in meinem Lager
das Gleiche zu tun. Zusammen bildeten wir also eine Gruppe von freiwilligen
Lehrern aus den verschiedenen Lagern.
## Die Klasse trifft sich am Berghang
Ich stellte je nach Alter mehrere Klassen zusammen. Der Unterricht fand
meistens an einem Berghang statt, weil das Lager überfüllt war und es
keinen Platz für uns gab. Wir saßen auf den Steinen und auf dem Boden und
ich musste mir etwas einfallen lassen und alles benutzen, was es um uns
herum gab. Anfangs hatten wir noch nicht einmal Papier. Also habe ich alte
Pappschachteln benutzt oder in die Erde gezeichnet, um den Kindern das
Schreiben beizubringen.
Die Familien haben mich sehr unterstützt und waren froh über das, was ich
mache. Einmal, als ich zwei Tage krank war und die Kinder nicht
unterrichten konnte, kamen alle zu meinem Zelt und fragten, ob ich in
Ordnung wäre. Und dann sagten sie: „Bitte lass uns nicht noch mal alleine!“
## Nur zwei Tage Hochzeitsurlaub
Als ich vor Kurzem geheiratet habe, haben meine Schüler meinen Mann
gebeten, dass der Unterricht nicht länger als zwei Tage ausfällt. Also
haben wir es so gemacht. Ich nahm mir zwei Tage Urlaub für die Hochzeit und
habe danach weiter unterrichtet.
Jetzt kommen Eltern und Kinder aus anderen Lagern und fragen mich, ob ich
auch ihre Kinder unterrichten kann, was ich versuche. Meine Familie und
mein Mann unterstützen meine Arbeit. Ich fühle mich freier, wenn ich
unterrichte, und bin dankbar dafür, dass ich eine Lehrerin bin.
## Jetzt lernen auch Mütter Tesen und Schreiben
Kürzlich habe ich angefangen, Mütter, die Analphabetinnen sind, zu
unterrichten, damit sie später ihren Kindern beim Lernen helfen können. Die
Frauen sind zu mir gekommen und haben selbst darum gebeten. Ihre Kinder
sind jetzt erst recht motiviert, wenn sie sehen, dass ihre Mütter auch
Unterricht haben. Ich habe nun mal eine Ausbildung, warum sollte ich dann
rumsitzen und nichts tun? Gott gab mir diese Fähigkeit, und ich sollte sie
bewahren und an andere weitervermitteln.
Ich bin so glücklich, weil die Kinder mich lieben; sie laufen mir im Lager
immer hinterher. Die Liebe eines Kindes ist anders als die eines
Erwachsenen, ihre Gefühle sind aufrichtig und sie wollen nichts dafür.
Quelle: Oxfam
2 Apr 2015
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