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# taz.de -- Wohnungssuche von Flüchtlingen: Bleiben ohne Bleibe
> Um die Unterbringung von Flüchtlingen im Asylverfahren kümmert sich das
> Lageso. Wer aber Asyl bekommen hat, ist auf sich allein gestellt.
Bild: … aber nicht unbedingt an jeden.
Der kleine Hochzeitssaal in Treptow wird nicht richtig voll. Etwa 60 Gäste
sind gekommen zur Hochzeitsfeier von Hamza und Malak A.* – viele Freunde
hat das Brautpaar noch nicht in Berlin. Erst seit gut einem Jahr lebt der
Bräutigam hier. Im Herbst 2014 wurde der Asylantrag des syrischen
Flüchtlings bewilligt. Damit bekam A. das Recht, seine Ehefrau nach
Deutschland zu holen und – bis der gelernte Krankenpfleger Arbeit gefunden
hat – auf Kosten des Jobcenters eine Wohnung zu suchen.
Dass das im Falle von A. eigentlich schon geklappt hatte – und dann doch
wieder nicht, liegt auch am Jobcenter. Und wenn es nach dem ginge, hätte
das Brautpaar seine Hochzeitsnacht vermutlich in einer
Obdachlosenunterkunft verbracht.
Denn das Jobcenter, in dessen Betreuung Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung
übergehen, hatte dem 30-jährigen A. zwar eine Mietübernahmegarantie und
damit die Möglichkeit zur Wohnungssuche gegeben. Aber nur für ihn, für eine
Einpersonenwohnung also. Dass der Antrag auf Nachzug seiner Ehefrau bereits
gestellt war, der Zeitpunkt ihrer Ankunft damit ungefähr vorhersehbar – 40
bis 50 Tage dauert die Antragsbearbeitung in den deutschen Konsulaten im
Durchschnitt –, meinte das Jobcenter nicht berücksichtigen zu können: Die
Frau sei ja noch nicht da.
## Zu klein für zwei Personen
Tatsächlich konnte A. eine bezugsfreie Einzimmerwohung im Rahmen der
Jobcenter-Miethöhen (etwa 440 Euro Bruttowarmmiete für eine Einzelperson)
finden. Als er mit dem Mietangebot zum Jobcenter kam, stand auch der
Ankunftstermin seiner Frau wenige Tage danach fest. Doch nun lehnte das
Jobcenter genau deshalb die Bewilligung des Mietvertrags für die Wohnung
ab: Sie sei zu klein für zwei Personen. A. sollte nun zunächst eine größere
Wohnung suchen. In der kurzen Frist kaum zu schaffen: Doch in dem
6-Männer-Zimmer im Flüchtlingswohnheim, in dem A. lebt, konnte er seine
Frau auch nicht unterbringen. Der vom Jobcenter angebotene Ausweg: das
Obdachlosenasyl.
Dem ebenfalls aus Syrien geflüchteten Mediziner Ahmad M. erging es da
zunächst besser. Anders als im Falle A.s sah das für ihn zuständige
Jobcenter – in einem anderen Bezirk – kein Problem darin, ihm gleich die
Bewilligung für eine ausreichend große Wohnung für seine ganze Familie zu
geben. Auch M. hat Asyl und damit eine vorerst dreijährige
Aufenthaltsgenehmigung. Auch seine dreiköpfige Familie hat den
Nachzugsantrag bereits gestellt, Einreisetermin noch unklar.
Doch M. stellten andere Umstände vor Probleme. Seine Bewerbung um eine
knapp 80 Quadratmeter große 3-Zimmer-Wohnung in Neukölln wurde vom
Vermieter mit der Begründung abgelehnt, sie sei zu klein für ihn, seine
Frau und die zwei Töchter. Die sind ein und zwei Jahre alt: „Klein genug,
um sich noch ein Zimmer zu teilen“, findet M. Zudem habe das Jobcenter
ausdrücklich eine 3- bis 4-Zimmer-Wohnung genehmigt. Das Jobcenter möge das
so sehen, „wir aber nicht“, habe ihm der Mitarbeiter im Vermietungsbüro
gesagt, erinnert sich der Zahnarzt. Er müsse eine 4-Zimmer-Wohnung suchen:
Die biete der Vermieter aber nicht im Rahmen der Jobcentermiethöhen. Der
betreffende Wohnungseigentümer: eine gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft
in Landesbesitz.
Bei einer anderen städtischen Wohnungsgesellschaft erging es M. nicht viel
besser: Man vermiete grundsätzlich nicht an Personen mit einem nur
dreijährigem Aufenthalt, wurde ihm da bei einer Wohnungsbesichtigung
gesagt. Nach Auffassung von Eva Maria Andrades, Leiterin des
Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin, möglicherweise ein Verstoß gegen das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz: „Die Ablehnung wegen des
Aufenthaltsstatus kann eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der
ethnischen Herkunft darstellen“, sagt sie. Es gebe dazu allerdings noch
keine Rechtsprechung: „Betroffene können sich mit konkreten Fällen gerne an
uns wenden!“, so die Juristin.
Doch vielleicht beruhte diese Aussage nur auf Unkenntnis des die
Besichtigung durchführenden Mitarbeiters: Sie sei nicht zutreffend,
versichert jedenfalls der Pressesprecher der zuständigen
Wohnungsgesellschaft auf taz-Anfrage. Bei der Vermietung durch die
Gesellschaft an Flüchtlinge sei der Aufenthaltsstatus „unerheblich“. Doch
auch er sitzt in seiner schriftlichen Antwort an die taz einem Irrtum auf:
„Üblicherweise“, heißt es da nämlich, „erfolgt die Versorgung von
Flüchtlingen mit Wohnraum über das Landesamt für Gesundheit und Soziales
(Lageso)“.
## 2.500 Wohnungssuchende
Ein verbreiteter Irrtum – und für die Betroffenen fatal. Tatsächlich
versorgt eine beim Lageso eingerichtete Beratungsstelle des Evangelischen
Jugend- und Fürsorgewerks (EJF) Flüchtlinge mit Wohnungen aus einem
Kontingent, das die landeseigenen Wohnungsgesellschaften zur Verfügung
stellen: Es sind genau 275 Wohnungen. Doch, so die Leiterin der
EJF-Beratungsstelle, Sophia Brinck, auf taz-Anfrage: „Wir vermitteln
ausschließlich an Personen, die sich im Asylverfahren befinden.“ 2.500
Wohnungssuchende standen Ende 2014 auf der EJF-Warteliste. Zu diesem
Personenkreis gehören A. und M. aber nicht mehr: Sie sind als
asylberechtigt Anerkannte schlicht in Deutschland lebende Ausländer mit
Aufenthaltserlaubnis – und damit bei der Wohnungssuche auf sich selbst
gestellt.
Sie beobachte, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die zu dem
Kontingent beitragen, dies benutzten, um keine weiteren Mietverträge mit
Flüchtlingen abzuschließen, sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der
Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Canan Bayram: „Sie haben aber den
politischen Auftrag, bezahlbaren Wohnraum für alle anzubieten“, so die
Grüne weiter, „also auch Wohnungen, die für die Mietsätze des Jobcenters
beziehbar sein müssen.“ Wohnungssuchende Flüchtlinge würden zudem in den
Jobcentern nicht ausreichend beraten. Bayram fordert eine Vereinbarung des
Senats mit den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, anerkannte
Flüchtlinge bevorzugt in deren Wohnungen aufzunehmen, damit Plätze in den
überfüllten Wohnheimen frei würden.
Für A. und M. heißt es: auf eigene Faust weitersuchen. Der frisch
verheiratete Krankenpfleger konnte seine Frau, eine Musiklehrerin, in den
ersten Tagen bei syrischen Freunden unterbringen, die schon länger in
Deutschland leben und ihren geflüchteten Landsleuten helfen. Zwar war die
Ehe formal schon vor seiner Flucht nach Deutschland geschlossen, doch
traditionsgemäß wollte das Paar erst nach der offiziellen Feier
zusammenleben. Für die Hochzeitsnacht hatte M. ein Hotelzimmer gemietet –
auf eigene Kosten. Nun steht für ein paar Tage die Wohnung eines verreisten
Freundes zur Verfügung. Wie es dann für das junge Paar weitergeht, steht in
den Sternen.
In einer gemeinsamen Plakataktion mit der Senatsintegrationsbeauftragten
Monika Lüke hatte das EJF kürzlich auch bei privaten Vermietern dafür
geworben, mehr Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Genau
dreißig sind es geworden.
*Namen aller Flüchtlinge geändert
9 Apr 2015
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Flüchtlinge
Schwerpunkt Rassismus
Hoyerswerda
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