# taz.de -- Wohngemeinschaft für alte Schwule: Peter will es schön | |
> Sie sind acht alte Männer und wohnen zusammen in Berlin. In ein Altenheim | |
> wollten sie nie ziehen. Zu Besuch bei Rosenknospe & Co. | |
Bild: Mittag in der WG: Peter (l.) ist noch beim Nachtisch. Rosenknospe (M.) de… | |
Rosenknospe kann nicht mehr. Er müsste seinen Rollstuhl nur noch einmal | |
anschieben, um die Tischkante zu erreichen. Aber seine Arme sind jetzt | |
schwer, sie hängen herunter. Peter streckt die Hand aus, zum Glück ist er | |
da, er zieht Rosenknospe an den Tisch. Rosenknospe lächelt. Er küsst Peter | |
aufs Handgelenk. | |
Es riecht nach Desinfektionsmittel in der Berliner Achtzimmerwohnung. Nach | |
gebratenen Eiern und Urin. Auf dem Tisch stehen Rosen, Tulpen, | |
Plastikflaschen – an einer lehnt eine Postkarte: ein Jüngling mit | |
Waschbrettbauch. Peter und Rosenknospe wohnen hier mit sechs anderen | |
Männern. Der Jüngste ist 50, der Älteste 82. Sie schneiden gerade ihr | |
Mittagessen klein, es gibt Pfannkuchen. „Far Far Away“ läuft im Radio. | |
„With my head up in the clouds.“ | |
„In ein Altenheim zu ziehen, könnte ich mir nie vorstellen“, sagt Peter. 73 | |
ist er, mit schwarz-grauem Haar, beim Sprechen krampft er die Finger | |
ineinander. Von ihnen, die hier zusammen wohnen, sind drei dement, vier | |
hatten Schlaganfälle. Einer ist trockener Alkoholiker. Immer haben sie | |
einen oder zwei Pfleger um sich. Sie, die hier zusammen wohnen, sind auch | |
schwul. Aber das tut nicht so viel zur Sache. | |
„Ich bin doch kein stumpfer alter Knacker“, sagt Peter. Er hat als | |
Übersetzer gearbeitet und im Musikbusiness, war Manager von Cat Stevens und | |
Dusty Springfield. Da muss er „unter Kreativen sein“, sagt er, „und hier | |
kann ich das“. Vielleicht ist Rosenknospe deshalb Peters bester Freund in | |
der WG. Rosenknospe war Künstler, bevor er den Schlaganfall hatte. Ein Mann | |
mit mächtigem, grauem Schnurrbart, der vor allem Schmuck entwarf. Jetzt ist | |
Rosenknospe halbseitig gelähmt. Eigentlich heißt er Dieter, erst seit | |
seinem letzten Geburtstag ist das anders. Weil die WG kein Geschenk für ihn | |
hatte, pflückte ihm Peter im Garten einen Strauß Rosen. Seitdem ist Dieter | |
Rosenknospe. | |
Peter will, dass es alle schön haben. So sagt er das. In seinem Zimmer | |
stehen auch Blumen, jeden Mittwoch kauft er welche auf dem Markt. Auf | |
seinem Bett liegen eine Seidenhose und ein Zylinder mit rosa Kunstfedern. | |
Mit dem war er letzte Woche bei einer Parade, Gaypride, er zückt sein | |
Smartphone und zeigt die Fotos auf Facebook. „Schick ich Euch per | |
Whatsapp.“ Wie das mit Crowdfunding sei? Ein Freund von ihm plane ein | |
Guesthouse mit Yogakursen in Marokko. „Und ich will ihm helfen, anyway“, | |
sagt Peter. Peter ist Waliser. | |
## Demos und Poetry Slams | |
Die Mitbewohner nimmt er mit auf Demos und zu Poetry Slams. Wenn sie denn | |
wollen. „Manchmal muss ich sie daran erinnern, wie frei wir sind“, sagt er. | |
Dass alles möglich ist. „Ausgehen, Verreisen, Männerbesuche.“ Der | |
Fahrdienst für Behinderte bringe einen ja überall hin. | |
Beim Pfannkuchenessen wird es langsam still, irgendwann hört man nur noch | |
die Gabeln klappern. Das Reden ist anstrengend geworden, gerade für | |
Rosenknospe. Seit dem Schlaganfall sagt er bloß „ja, aber“ und „nein, | |
aber“. Ja, aber. Nein, aber. „Es ist hier so gedämpft“, klagt einer, der | |
mehr reden will. Über Mozart, zum Beispiel. Oder Helmut Kohl. Mit wem er am | |
besten klarkommt? „Mit mir.“ | |
Und Peter: hat Zanderfilet gekauft, das Essen für Sonntag. Diesmal sind | |
alle zufrieden, aber das ist nicht immer so. „Egal, was auf den Tisch | |
kommt, die meckern.“ Am Nachmittag hat er keine Zeit mehr. „Gleich kommt | |
ein Freund und schminkt mich.“ Abends wollen sie in den Schwulenkiez. „Da | |
war ich lang nicht.“ Peter grinst. „Anyway.“ | |
21 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Julia Grieshammer | |
Benedikt Peters | |
## TAGS | |
Alten- und Pflegeheime | |
Berlin | |
Wohngemeinschaft | |
Schwule | |
Altern | |
Familie | |
Ehe | |
Altern | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Aktive Großeltern: Von wegen alt und grau | |
Sie sind aktiver und geistig jünger: Das Netz ist voll mit Tipps für den | |
Umgang mit Enkeln. Ein Besuch bei einer Frau, die nicht wie eine Oma wirkt. | |
Gemeinsam altern: „Er trägt Jeans, das verjüngt“ | |
Peter, 73, und Helga, 77, lernten sich 1957 beim Baden kennen und sind | |
zusammen alt geworden. Wir haben sie getrennt voneinander befragt. | |
Ode an die Falte: Glätte weiß nicht, wie man feiert | |
Dauernd cremen wir gegen das Alter an. Dabei erzählen Furchen von den | |
besten Partys – und von unseren Geheimnissen. |