# taz.de -- Pranksterpop von Joanne Robertson: Das ist die reinste Alchemie | |
> Die britische Künstlerin Joanne Robertson macht auf dem Album „Black Moon | |
> Days“ hypnagogischen Folk. Nun kommt sie nach Deutschland. | |
Bild: Bedroom-Produzentin: Joanne Robertson. | |
Als der russische Literaturtheoretiker Wiktor Schklowski in seinem Aufsatz | |
„Kunst als Verfahren“ 1916 den Begriff „ostranenie“ schuf, arbeitete er | |
damit die Unwägbarkeit von Poesie heraus, die Fähigkeit, dass Worte ihre | |
Bedeutungen verfremden können und gerade deshalb Leserfantasien erzeugen. | |
Kunst sei ein Mittel, das Machen einer Sache zu erleben, schrieb er. | |
Auf die Musik der Britin Joanne Robertson angewendet, heißt das, ihr | |
zweites Album „Black Moon Days“ verwendet Stilelemente von Folk. Nur | |
inszeniert sich die aus dem Arbeiter-Seebad Blackpool stammende Künstlerin | |
mitnichten als traditionsbewusste Singer-Songwriterin. | |
Robertsons Songs laufen in ein ästhetisches Neuland, in dem Sound und | |
Songtext ihre Geschichten fragmentieren, bisweilen auch abschreckend | |
wirken, aber immer Stimmungen evozieren. In ihrer Jugend, so heißt es, | |
schreckte Robertson die am Strand campierenden Hippies mit atonalem | |
Gitarrenlärm. Bevor sie selbst vor den Nebenwirkungen von Drogen nach Paris | |
flüchtete. | |
## Leere Gesichter | |
Mehr als für ihre Musik, ist die an der Kunsthochschule im schottischen | |
Glasgow ausgebildete Künstlerin für ihre figurativen Gemälde bekannt. | |
Menschliche Umrisse in typischen Posen sind darauf zu erkennen: Sitzende | |
und Liegende, der Bildhintergrund ist reich verziert, aber ihre | |
Gesichtszüge bleiben leer, sie sind nicht zu Ende gemalt, unfertig. | |
Robertsons Gemälde wirken unvollendet. | |
Dieses Unvollendete zieht sich auch durch ihr musikalisches Werk. Nach | |
ihrem vom Künstlerkollegen David Cunningham produzierten Debütalbum „The | |
Lighter“, das 2008 erschien, verschwand sie für einige Jahre von der | |
Bildfläche. Um dann an den Alben „The Redeemer“ (2013) und „Black Metal�… | |
(2014) von Dean Blunt mitzuwirken. | |
Sie lieh Blunts Songs nicht nur Stimme und Gitarre, sie übernahm kurzerhand | |
die Rolle von dessen ehemaliger Partnerin Inga Copeland. Seinerseits wirkt | |
der afrobritische Pop-Prankster nun bei einem Song auf „Black Moon Days“ | |
mit. Die Art, wie Billo-Drumbeat, Gesang und Gitarrenakkorde in „Hi Watt“ | |
aneinander vorbeischrammeln, führt von dem disparaten, aber doch geraden | |
Groove seiner eigenen Songs weg. | |
Noch konsequenter als Blunt schaltet und waltet Robertson auch mit der | |
Dynamik. „Waves“, der Auftaktsong ihres neuen Album, erinnert an ihre | |
Noise-Anfänge, ähnlich geartet „Bricklin“, das vollkommen übersteuerte | |
Finale, während das titelgebende „Black Moon Days“ und sein Videoclip mit | |
Bildern von einem Tag an der nordenglischen Küste noch am stärksten dem | |
klassischen Folkidiom entspricht. „Das ist die reinste Alchemie“, befand | |
der US-Musikkritiker Byron Coley und veröffentlichte Joanne Robertsons | |
„Black Moon Days“ auf seinem eigenen Label. | |
23 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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