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# taz.de -- Erzieher fordern mehr Lohn: Kita-Streik bis Pfingsten
> Rund 3.000 Erzieher legen ihre Arbeit nieder. Sie fordern höhere Löhne –
> und vermissen ein Angebot der Arbeitgeber. Mehr als 200 Einrichtungen
> sind betroffen.
Bild: Lange Liste: Ver.di-Mann Stephan Gastmeier liest die Namen der bestreikte…
„Die Kita Tweltenmoor, Notdienst; die Kita Otto-Brenner-Straße, Notdienst“,
ruft Gewerkschaftssekretär Stephan Gastmeier vom Lautsprecherwagen in die
Menge und macht eine kurze Kunstpause: „Die Kita Löwenberg vom ASB, die ist
zu!“
Jubel und Pfiffe aus der Menge. Dann folgen im Stakkato vier weitere Kitas
die „zu“ sind. Streikende tragen mit Filzer den Namen ihrer Kita auf die
Papptafeln, von denen der Redner abliest. Es geht zu wie beim Pferderennen.
Rund 3.000 Erzieher kamen Freitag zur Auftakt-Demo des Kita-Streiks vor der
Zentrale der Elbkinder-Vereinigung an der Grindelalle. „Ich möchte, dass
mehr Männer diesen Beruf ergreifen“, sagt ein Erzieher mit Bart und langen
Haaren. Man brauche ein Gehalt, von dem eine Familie leben könne.
## Verdienst unter 1.000 Euro
Er möchte lieber nicht seinen Namen in der Zeitung lesen, verrät nur, dass
er jetzt Mitte 30 ist, erst spät in den Beruf einstieg und knapp 2.600 Euro
brutto verdient. Das ist ein Tick mehr als das Einstiegsgehalt für
Erzieher, von dem laut Rechnung der GEW bei einer Vollzeitkraft mit
Steuerklasse 1 nur 1.605 Euro netto bleiben, mit Steuerklasse 5 gar nur
1.305. Doch weil viele in „Zwangsteilzeit“ arbeiten, sei der reale
Verdienst niedriger. Auf einer 25-Stunden-Stelle, wie sie in der
Schul-Nachmittagsbetreuung üblich ist, liege das Anfangsgehalt für Singles
bei 1.149 Euro, Verheirateten mit ungünstiger Steuerklasse bleiben 932
Euro.
Die Demo zieht zur Streikzentrale in der Schanze. Auch für den heutigen
Montag und den morgigen Dienstag sind solche Umzüge geplant, beginnend bei
einer Zentrale eines der fünf Arbeitgeber, die am Tarifkonflikt beteiligt
sind. Das sind die städtische Elbkinder-Vereinigung, der Schulverein, der
Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), die Rudolf-Ballin-Stiftung und das
Studierendenwerk, die zusammen über 220 Kitas betreiben. Sie sind Mitglied
in der „Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg“ (AVH), dem Hamburger
Pendant zur „Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber“ (VKA), die im Bund die
Tarifverhandlungen führt. „Solange die kein Angebot vorlegen, wird
gestreikt“, sagt Ver.di-Verhandlungsführern Hilke Stein. „Die Planung geht
bis Pfingsten.“
Es ist für Hamburgs Eltern Glück im Unglück, dass die übrigen 800 Kitas
nicht zu AVH-Trägern gehören. Doch allein der Streik beim Träger
„Elbkinder“ trifft viele. Von den 180 Kitas waren am ersten Streiktag nur
16 regulär geöffnet. 44 waren dicht und 120 im Notdienst.
In der Kita Kaifu haben den Notdienst Eltern organisiert. Die
Kindertagesstätte direkt am Kanal in Eimsbüttel wirkt zunächst wie
ausgestorben. „Streik“ steht am Eingang.
Beim Klingeln öffnet Vanessa Mohnke, die Mutter ist beim
Landeselternausschuss (LEA) aktiv und engagiert sich für die Notbetreuung.
„Es sind nur fünf Kinder da“, berichtet sie. Ein Vater passt am Sandkasten
auf, ein Kleinkind auf dem Arm telefoniert. Mohnke muss zurück in den
ersten Stock, wo zwei vierjährige Mädchen am Tisch sitzen und malen. „Es
ist keiner da, weil Streik ist“, erklären die Mädchen. Bald gibt es
Mittagessen von den nicht-streikenden Köchinnen.
## Eltern machen Notdienst
Mohnke konnte sich Zeit nehmen, weil sie einen netten Arbeitgeber hat: „Ob
ich nun hier oder zu Hause mein Kind betreue ...“ Die Notbetreuung sei
kurzfristig organisiert worden, weil erst spät geklärt war, dass die Eltern
dabei versichert sind. Am Montag sollen mehr Kinder kommen. Am ersten
Streiktag haben sich viele Eltern frei genommen. Auf dem Spielplatz am
anderen Ufer des Kanals bewacht eine Mutter ihr Kleinkind. Auch eine
handytelefonierende Oma passt am Sandkasten auf ihr Enkelkind auf.
Wie viele Menschen betroffen sind, darüber hatte der LEA am Freitag noch
keinen Überblick. „Die Streiks finden auf dem Rücken von Eltern und Kindern
statt“, sagt Vorstand Björn Staschen. Es sei wichtig, dass sich die
Arbeitgeber in Hamburg schnell bewegen. Doch dieAHV erklärt, dass man
warte, bis Ergebnisse im Bund vorliegen.
Der LEA fordert Eltern auf, Kita-Gebühren zurückzuverlangen. Schließlich
bekämen die Erzieher Streikgeld statt Gehalt. „Wir müssen Urlaub nehmen
oder andere Leute bezahlen, damit sie auf unsere Kinder aufpassen“, sagt
Staschen. Da könne es nicht sein, dass die Träger das Geld behalten. Sollte
einer sich weigern, „machen wir Rabatz“.
10 May 2015
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Erzieher
Arbeitskampf
Kita-Streik
Hamburg
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