# taz.de -- Streik bei Mercedes: Klagen für den Klassenkampf | |
> Mercedes-Mitarbeiter wollen ihre Abmahnungen für „wilde Streiks“ aus den | |
> Personalakten klagen. Sie streiten damit für ein Recht auf politischen | |
> Streik. | |
Bild: Französische Verhältnisse? Auch die IG Metall zündet bei Streiks mal F… | |
Die „wilden Streiker“ von Mercedes wehren sich: 32 von ihnen haben am | |
Dienstag eine gemeinsame Klage beim Bremer Arbeitsgericht eingereicht. Sie | |
wollen damit gegen Abmahnungen vorgehen, die die Werksleitung von | |
Mercedes-Benz zum Jahreswechsel ausgesprochen hatte: Ohne Unterstützung der | |
Gewerkschaft hatten die Arbeiter wegen des Ausbaus von Leiharbeit und | |
Werkverträgen die Arbeit niedergelegt. | |
Mit der Klage geht es ihnen nun um mehr als ihre Personalakten: Sie kämpfen | |
für das Recht auf politische Streiks und wollen notfalls bis vor den | |
Europäischen Gerichtshof ziehen. | |
Ursprünglich ging es in mehreren Protestveranstaltungen seit November gegen | |
die Auslagerung von 140 Stellen im Logistikbereich. Insgesamt rund 5.000 | |
Mitarbeiter hatten sich an den Protesten beteiligt. Die Werksleitung | |
reagierte auf den Produktionsausfall mit 761 Abmahnungen. Denn solche | |
politischen Streiks sind in Deutschland verboten – so jedenfalls die | |
aktuelle Rechtsprechung. | |
Für den ehemalige Betriebsrat Gerhard Kupfer ist das allerdings ein „klarer | |
Rechtsbruch“. Er koordiniert die Auseinandersetzung, obwohl er selbst | |
mittlerweile Pensionär ist – um den Kollegen im Betrieb „den Rücken | |
freizuhalten“, wie er sagt. Rechtsanwalt Reinhold Niemerg und seine drei | |
Kollegen berufen sich insbesondere auf die Europäische Sozialcharta. | |
Aus Sicht der Anwälte lässt diese Streiks grundsätzlich zu, auch ohne | |
Gewerkschaften und laufende Tarifrunden. Ein Erfolg vor Gericht würde | |
unmittelbar zwar nur die Abmahnungen der Kläger betreffen, hätte aber | |
„Signalwirkung für die Rechtsprechung“, sagt Niemerg. | |
Weil der aktuelle Rechtsstreit ohne Unterstützung der IG Metall | |
stattfindet, wurde deren Geschäftsführer Volker Stahmann wiederholt | |
unsolidarisches Verhalten vorgeworfen. Dabei ist auch er dagegen, dass das | |
deutsche vom europäischen Streikrecht abweicht. Auch die IG Metall sei für | |
einheitliches Recht, so Stahmann. Das sei aber „ein politischer Konflikt, | |
den wir mit der Bundesregierung austragen müssen“. Die 32 Kläger würden | |
letztlich „für einen politischen Kampf instrumentalisiert“. | |
Protest-Koordinator Kupfer sagt, er sei „stinksauer“, wenn er sowas hört: | |
Zwar sei tatsächlich nur ein kleiner Teil der 761 Abgemahnten zu diesem | |
„mühevollen Weg“ bereit – die aber wären voll auf die politische | |
Auseinandersetzung eingestellt. Wenn die Gewerkschaft den Protest schon | |
nicht unterstütze, solle sie wenigstens den Rechtstreit mitfinanzieren, | |
statt „in vorauseilendem Gehorsam“ den Rechtsschutz für ihre Mitglieder | |
verweigern. | |
Die „wilden Streiker“ haben deshalb nun ein Spenden-Konto für die | |
Prozesskosten eingerichtet. Kupfer ist zuversichtlich, dass genug Geld | |
zusammenkomme, schließlich seien Solidaritäts-Bekundungen aus der ganzen | |
Welt angekommen. | |
Und die IG Metall – die kann schon aus Satzungsgründen nicht zahlen, sagt | |
Stahmann: Der Rechtsschutz der Gewerkschaft ist individuell und nicht auf | |
Gruppen anwendbar. Zudem laufe das Verfahren dann über Anwälte der | |
Gewerkschaft. „Man kann da nicht einfach irgendwelche Rechnungen | |
einreichen“, so Stahmann. | |
12 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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