# taz.de -- Sotschi 2014 – Russlands Eishockey: Sbor? Na ja | |
> Die russischen Superstars hatten bei diesem Turnier wenig zu bieten. | |
> Alle, die die Owetschkins und Co. für verwöhnte Bürschchen hielten, | |
> behielten recht. | |
Bild: Jewgeni Malkin am Boden. Genau wie das russische Eishockey. | |
SOTSCHI taz | Die Sonne stand als ein roter Ball über dem Schwarzen Meer. | |
Die russischen Fans gingen vom Ort der Schmach, dem Bolschoi-Dom, direkt in | |
den Sonnenuntergang hinein. [1][Sie waren nicht wütend oder aufgebracht]. | |
In einer Mischung aus Gleichmut und Fatalismus nahmen sie die Niederlage | |
der Sbornaja hin. Erst zwei Minuten vor Spielende hatten sie angefangen, | |
ihr Team lautstark auszupfeifen, als es nicht einmal mehr den Willen und | |
auch nicht die Kraft hatte, zu einer Schlussoffensive anzusetzen. | |
Die Männer in Rot bolzten den Puck nur noch irgendwie nach vorne. Eine | |
bestellte Goldmedaille hätte die Mannschaft abholen sollen, so wie die | |
großen Vorbilder Makarow, Krutow und Larionow in den 80ern. Aber aus der | |
Mission wurde nichts. Owetschkin, Malkin und Kowaltschuk können nur als | |
[2][unrechtmäßige Erben der goldenen Generation] sowjetischer Puckjäger | |
gelten, als Startruppe, die im entscheidenden Moment nichts drauf hat. | |
Die meisten Russen halten die NHL-Cracks, die in Nordamerika Unsummen | |
verdienen, ohnehin für Versager. Verwöhnte Bürschchen seien das, die ohne | |
Herz für ihr Land spielten. Die Kritiker haben nun recht bekommen. Die | |
Finnen schmissen die Russen mit 3:1 bereits im Viertelfinale raus. Gegen | |
die flinken und technisch versierten Skandinavier hatte der Gastgeber keine | |
Chance. Die Russen wirkten wie grobe Waldschrate. | |
Die Finnen spielten smart, verfolgten ihren „Game Plan“, die Russen hauten | |
einfach nur drauf, ohne Plan und Verstand. Sie feuerten 38 Schüsse auf den | |
Kasten des famosen finnischen Torhüters Tuukka Rask ab, die Finnen nur 22 | |
auf das Tor der Russen, aber diese Statistik besagt eigentlich nur, dass | |
der Sbornaja außer viel Krawumm und Knallerei nicht viel einfiel. | |
## Kein Kollektiv auf dem Eis | |
Die russische Sportzeitung Sport-Express hatte vorm Duell in großen Lettern | |
gefragt: „Haben wir eigentlich ein Team? Heute werden wir es erfahren.“ Die | |
Antwort ist ziemlich einfach: Nein. Es war kein Kollektiv auf dem Eis, das | |
unbedingt den Titel wollte. Zu viele Partikularinteressen hatten das | |
Gemeinschaftsgefühl vergiftet. | |
„Das Problem war mal wieder, dass bei uns einzelne Personen das Spiel auf | |
eigene Faust gewinnen wollten“, sagte Verteidiger Anton Below, ohne einen | |
der Mitspieler beim Namen zu nennen. „Wir haben nicht zusammengespielt, | |
sind nicht als Team aufgetreten. Das haben wir nun davon.“ | |
Alexander Owetschkin, der als einer der wenigen russischen Spieler bei den | |
Journalisten stoppte, fand deutliche Worte für seinen Gemütszustand: „It | |
sucks.“ Er fühle sich leer, sagte der Spieler der Washington Capitals: „Es | |
kotzt mich einfach an. Wir beginnen gut, schießen ein Tor. Und dann kosten | |
uns zwei Fehler das gesamte Spiel.“ | |
Kapitän Pawel Dazjuk entschuldigte sich beim Publikum für diese Schmach. | |
„Ich weiß nicht, wie es weitergeht“, sagte er, „ich weiß nicht, wie lan… | |
ich an dieser Niederlage zu knabbern habe. Im Moment fühle ich in mir | |
einfach nur eine große Leere.“ | |
## Entschuldigung. | |
Innerlich tot wirkte auch der Trainer der Russen, Sinetula Biljaletdinow, | |
als er vor die Presse trat. „Ich kann mich nur bei den Fans entschuldigen, | |
ich weiß, dass die Erwartungen andere waren“, sagte er in seiner kühlen | |
Art. „Wir waren nicht erfolgreich.“ | |
Wenn man ihn lasse, würde er gern weitermachen als Coach der Sbornaja. Die | |
allgemeine Stimmung lässt eher eine Entlassung erwarten. Ein Kommentator | |
des ersten russischen Fernsehens sprach von baldiger Rache – „aber nicht | |
mit diesem Team“. Und wohl auch nicht mit diesem Trainer. Ein Kommentator | |
der Zeitung Moskowska Komsomoljez schreibt die Niederlage der Ignoranz | |
russischer Coaches zu: „Der Sachverstand unserer Übungsleiter ist nicht | |
vergleichbar mit dem in Europa und Nordamerika.“ | |
Die Sbornaja wollte den Niedergang des russischen olympischen Eishockeys in | |
Sotschi vor den Augen von Premier Wladimir Putin beenden, aber die | |
Negativserie hält an. In Nagano (1998) gewannen sie noch Silber, 2002 in | |
Salt Lake City Bronze, in Turin sprang ein vierter Platz heraus, in | |
Vancouver rutschte das einst so stolze Team auf Platz sechs ab. Jetzt | |
wollen die gestürzten Helden nur noch weg aus Sotschi. Und Trainer Sinetula | |
Biljaletdinow? „Ich verdufte auch lieber.“ Besser ist es wohl. | |
20 Feb 2014 | |
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## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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