# taz.de -- Politik von unten: Alles vollkacken? Völlig legitim | |
> Schottern, blockieren, anscheißen: Warum gewaltfreier militanter | |
> Widerstand musterdemokratisches Verhalten ist. | |
Bild: Vollgeladenen mit Atommüll und Wirtschaftsinteressen. Drum nicht leicht … | |
Mein Mitbewohner dröhnt mit seinen neuen Lautsprechern bis spät in die | |
Nacht und qualmt die ganze Bude voll. Er ist der Hauptmieter. Also habe ich | |
alle meine Freunde mobilisiert und wir haben in einer konzentrierten Aktion | |
seine Anlage vollgekackt und seine Aschenbecher zu Blumentöpfen | |
umfunktioniert. Während er mich mit seinen Aktionen körperlich unterdrückt, | |
haben wir ihm lediglich seine Instrumente dazu unbrauchbar gemacht. | |
Nein, das haben wir nicht gemacht. Mein Mitbewohner ist ein Mensch, mit dem | |
ich prima reden kann. Außerdem nerven mich ZigarettenpolizistInnen und | |
laute Musik ist eine prima Sache. Der Konflikt, den ich meine, ist kein | |
zwischenmenschlicher, sondern ein politischer. | |
Also nochmal von vorn: Die Atomlobby schickt ihre Mülltransporte quer durch | |
Deutschland und lagert massenhaft radioaktiven Dreck ab, der auf | |
unbestimmte Zeit eine unbestimmte Menge Umweltschäden produziert. Staatlich | |
anerkannt und gesetzlich legalisiert. Legalisiert, nicht legitimiert. Denn | |
die Bevölkerung steht nicht dahinter. Also mobilisieren wir alle unsere | |
Freunde und kacken der Atomlobby in einer konzentrierten Aktion auf die | |
Gleise. | |
So einfach ist es aber leider nicht, einen mit Atommüll und | |
Wirtschaftsinteressen vollgeladenen Zug aufzuhalten. Denn der kann prima | |
durch Kacke fahren. So würde das Ankacken von Gleisen eher durch seine | |
symbolische Kraft bestechen: Den Beteiligten würde das sicherlich viel | |
Freude machen, wäre aber nicht mehr als ein Avantgarde-Waldpicknik. | |
Muster-Demokraten müssen sich, wollen sie nicht in der Verteidigungshaltung | |
verharren, dem ökonomisch motivierten und gesetzlich legalisierten | |
Demokratiebruch der AtomlobbyistInnen anders widersetzen. | |
## Allen Einschüchterungsversuchen zum Trotz | |
Das Feine ist, dass dieser Widerstand demokratisch so legitim ist, dass - | |
allen Einschüchterungsversuchen zum Trotz - auch öffentlich dazu aufgerufen | |
werden kann, den Transport mit Sitzblockaden aufzuhalten oder gleich zu | |
"schottern", also massenhaft Steine aus dem Bahngleisbett zu entfernen. | |
Das ist um einiges demokratischer, als öffentlich anzukündigen, dass jeder | |
Widerstand bestraft wird - was mich immer wieder daran erinnert, dass mein | |
Körper dem Staat gehört. Ist er ungehorsam, sperrt der Staat ihn weg. Dabei | |
handle ich doch gewaltfrei militant - also völlig verfassungstreu: | |
Entschlossen stelle ich mich, wenn nötig mit Einsatz meines Körpers, gegen | |
bestehendes Unrecht - und der militärisch geschulten Militanz der Polizei | |
entgegen. | |
Im November ist es also mal wieder so weit: Legitimität gegen Legalität, | |
massenhafter ziviler Ungehorsam gegen massenhaftes Gewaltmonopol, | |
Atomgegner gegen Atombefürworter. Es geht darum, dass die Atomlobby ihre | |
Anlagen vollgeschissen bekommt. Und zwar auf ganz menschliche, gewaltfrei | |
militante Art und Weise. | |
14 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Jean Peters | |
## TAGS | |
Politik von unten | |
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