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# taz.de -- 50 Jahre Gropiusstadt: Wir Kinder von der Lipschitzallee
> Christiane Felscherinow, das Kind vom Bahnhof Zoo, verpasste der
> Gropiusstadt ein Negativimage. Doch das ist ein Missverständnis.
Bild: Hier wuchs F. auf: Die Gropiusstadt.
Wenn man im Internet nach Gropiusstadt sucht, trifft man unweigerlich auf
Christiane F. Christiane Felscherinow, deren Geschichte in dem vom Stern
1978 herausgebrachten Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ erzählt wird, hatte
ab ihrem sechsten Lebensjahr in der Gropiusstadt gewohnt.
„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, das auf zahlreichen Interviews beruht, wurde
ein Bestseller. 1980 und 1981 war es das meistverkaufte Buch in der
Bundesrepublik Deutschland, wurde in mindestens 15 Sprachen übersetzt,
weltweit mehr als drei Millionen Mal verkauft. In vielen Schulen war es
Pflichtlektüre. Zahlreiche junge Mädchen identifizierten sich mit der
Heldin, viele wären ohne ihr Buch nicht nach Berlin gegangen.
Wie die Kämpfe der 68er und der Häuserkampf Anfang der 80er hatte auch
Christiane F. dazu beigetragen, Berlin attraktiv für junge Leute zu machen.
Ganze Klassen aus der Provinz besuchten voller Ehrfurcht die Orte, von
denen Christiane F. erzählte. Aus der jungen Drogenstricherin wurde eine in
vielen Talkshows herumgereichte Vorzeigejunkiefrau, deren Rückfälle immer
wieder im Boulevard thematisiert wurden.
Wurden die Drogenstrichszene um den Bahnhof Zoo und die Diskothek „Sound“
als charismatische Orte dargestellt, denen man sich voller Ehrfurcht
näherte, stand die Gropiusstadt beispielhaft auch für andere
Vorstadtsiedlungen, in denen Kinder lernten, „einfach automatisch zu tun,
was verboten war“, so Christiane F. „Verboten zum Beispiel war, irgendetwas
zu tun, was Spaß machte. Es war überhaupt eigentlich alles verboten.“
Was die Gropiusstädter ärgerte, war weniger die Beschreibung einer
kinderfeindlichen Umgebung, sondern die Lässigkeit, mit der sich die
Jugendlichen beim Haschrauchen im Jugendclub „Haus der Mitte“ entspannten.
In der Verfilmung, die vor allem auch wegen der Ausschnitte des
David-Bowie-Konzerts am 18. April 1976 in der Deutschlandhalle ein Erfolg
wurde, wird die Gropiusstadt namentlich nicht genannt. Das Zitat, mit dem
der Film beginnt, steht für alle Großsiedlungen: „Überall nur Pisse und
Kacke. (…) Und hier lebe ich, seitdem ich sechs bin.“
Sekundärberichte über Christiane F. gibt es zuhauf; am besten gefiel mir
eine ältere Spiegel-Reportage über die Zeit, die Christiane F. in
Kaltenkirchen bei Hamburg verbrachte: „Am Anfang wollte die 15jährige den
Spießern noch zeigen, was eine echte Szenebraut ist. Mit hohen Hacken und
Kaninchenfelljacke zog sie aus zur Rebellion gegen die Kaltenkirchener
Ordnung. Doch dann verblassten die Stichworte, die ihr altes Leben so
attraktiv beschrieben hatten: Dope, Detlef, Ku’damm, Breitsein, nicht
denken müssen, frei sein.“
15 Sep 2012
## AUTOREN
Detlef Kuhlbrodt
## TAGS
Jugendfilm
Berlin-Neukölln
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