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# taz.de -- ausschweifend: Der „Ampel-Crasher“ und die guten Vorsätze
> Christian Lindner inszeniert sich selbstironisch und steht
> Student*innen an der Bucerius Law School Rede und Antwort.
Bild: Christian Lindner bei der Sitzung zur Vertrauensfrage im Bundestag
Hamburg taz | Dieser Tage sind Interaktionen mit [1][Christian Lindner, in
denen es weder um D-Day] noch um Schuldenbremse geht, eher selten. Als der
Ex-Bundesfinanzminister am vergangenen Mittwochnachmittag den
Student*innen im Helmut-Schmidt-Auditorium, dem größten Hörsaal der
Bucerius Law School in Hamburg, Rede und Antwort steht, ist beides
tatsächlich kein Thema.
Auf dem Campus munkelte man schon vorher, Lindner habe sich selbst
eingeladen. Vielleicht weil er sich hier bei einer ähnlichen Veranstaltung
im Jahr 2020 so wohl fühlte. [2][Die Uni Hamburg erteilte ihm damals ein
Auftrittsverbot], und die private Hochschule für Rechtswissenschaft hatte
ihn daraufhin eingeladen. Vielleicht auch bloß, um an der Bucerius Law
School, die schon FDP-Bundestagsabgeordnete wie Ria Schröder und Konstantin
Kuhle hervorgebracht hat, für sich zu werben.
Veranstalterin der Diskussionsrunde ist die Liberale Hochschulgruppe. Der
Hörsaal mit 430 Sitzplätzen ist bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Die
Juso-Hochschulgruppe startet vor Veranstaltungsbeginn noch die zuckersüße
Protestaktion: „Offene Waffelschlacht“. Geworfen werden allerdings keine
Waffeln, bloß gegessen.
Auch von Christian Lindner, der mit Waffel in der Hand in den Hörsaal
spaziert und sagt: „So machen das die Sozialdemokraten immer: verteilen was
Süßes, um populär zu werden.“ Gleich die ersten Lacher geerntet. Diese Art
der inszeniert wirkenden Selbstironie zieht sich durch den ganzen Abend.
Außerdem erwähnt Lindner so oft, dass er als „Ampel-Crasher“ bezeichnet
werde, dass man fast meinen könnte, der Spitzname gefalle ihm.
Im Eingangsstatement blickt Lindner besorgt auf die seiner Meinung nach
zunehmende Polarisierung der Gesellschaft und kündigt für den Abend ein
„Fest der Meinungsfreiheit“ an, zu dem es auch gehöre, unliebsame
Gegenpositionen auszuhalten. Später ordnet er die Aussage eines Studenten,
die FDP sei eine Partei für die Privilegierten der Gesellschaft, etwas
beleidigt als „plumpen Klassenkampf“ ein. So viel zu den guten Vorsätzen.
## Anspruchsvolle Wähler*innen
Die Student*innen stellen keine Fragen zu Lindners Sparpolitik, zur
Schuldenbremse oder zu seiner angeblichen Unwissenheit über das
parteiinterne D-Day-Paper, in welchem die FDP ihren Ampelausstieg minutiös
plante. Kritische Fragen klangen eher so: „Können Sie regieren?“ Lindner
antwortet ausschweifend. Die Partei habe „ganz spezielle“
Unterstützer*innen – *lautes Lachen im Publikum*. Die FDP sei die einzige
Partei der Individualist*innen, die Wähler*innen hätten eine hohe
Anspruchshaltung und dann folgt noch ein verwirrender Vergleich mit
Sisyphos.
Lindners Botschaft in kurz: Die FDP kann wegen ihrer besonders
„urteilskräftigen, kritischen Geister“ (bescheidene Bezeichnung Lindners
für die eigene Wähler*innenschaft) keine Kompromisse eingehen. Regieren
also nur ohne Koalition? Gut, dass der FDP nach aktuellen Umfragen nur 47
Prozent zur absoluten Mehrheit fehlen. Ganz nach dem neuen Wahlkampfmotto:
„Alles lässt sich ändern.“
Und was wird noch so besprochen? Ein Student fragt unironisch, warum sich
[3][die FDP Elon Musk und Argentiniens ultraliberalen Präsidenten Javier
Milei] nicht als Vorbild nehme. In einer Antwort bringt Lindner noch unter,
dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ja Kinderbuchautor ist.
Klassiker. Auf die Frage, warum die FDP bezüglich des Themas Migration
rechte Narrative übernehme, obwohl wissenschaftlich bewiesen sei, dass dies
die Rechten stärke, antwortet Lindner wieder gewohnt ausschweifend ohne zu
antworten.
Auch sonst gibt es nicht viel Neues. Eine Studentin flüstert leise ihrer
Sitznachbarin zu: „Warum bin ich überhaupt hier?“ Irgendwie hat sie Recht.
Geredet wird zwar viel, die Antworten sind aber meist nichtssagend, nicht
wert, sie hier zu reproduzieren. Während Christian Lindner sich schon im
nächsten Bundesfinanzministerium sieht, sehen die aktuellen Umfragewerte
seine Partei nicht mal im Bundestag.
16 Dec 2024
## LINKS
[1] /Selbstzerstoerung-der-FDP/!6049726
[2] https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/christian-lindner-uni-hamburg-beg…
[3] /Christian-Lindner/!6049936
## AUTOREN
Marie Dürr
## TAGS
Ampel-Koalition
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Christian Lindner
FDP
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Kolumne übrigens
FDP
Ampel-Koalition
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