# taz.de -- Zum 50. Todestag von Malcolm X: Gehasster Prophet | |
> Schon wieder wurde ein Schwarzer ermordet – allerdings von Schwarzen. Der | |
> Mord an Malcolm X hinterlässt bis heute Fragezeichen. | |
Bild: Malcolm X gründete mehrere eigene Organisationen und verließ die Nation… | |
NEW YORK dpa | Die Leiche – 39 Jahre, männlich, schwarz – wies 21 | |
Schusswunden auf. Der Mann im New Yorker Columbia University Hospital war | |
nicht zu retten. Der Körper auf der Bahre gehörte einem der | |
einflussreichsten Amerikaner der 1960er Jahre: Malcolm Little alias Malcolm | |
X. alias El-Hajj Malik El-Shabazz. Vor 50 Jahren wurde der Schwarzenführer | |
– Gegenspieler von Martin Luther King, Bürgerrechtler und Rassist zugleich, | |
Revolutionär und Bewahrer – erschossen. Bis heute ist umstritten, in wessen | |
Auftrag ihn drei Schwarze ermordeten. | |
Als Malcolm Little sechs Jahre alt war, starb sein Vater, die Mutter war | |
nervlich krank. In der Schule war er gut, aber er brach ab, als man ihm | |
sagte, „ein Nigger“ habe keine Chance auf Karriere. Aus Little wurde ein | |
Drogenhändler und Zuhälter, der angeblich sogar selbst gegen Geld mit | |
Männern schlief. In der Haft fand er zur Nation of Islam. Der Führer dieser | |
Gruppe, Elijah Muhammad, sagte ihm, er solle seinen „Sklavennamen“ ablegen, | |
den Weiße seinen Vorfahren gegeben hätten. Fortan stand da statt eines | |
Nachnamens eine Unbekannte: Malcolm X. | |
Die Nation of Islam war eine obskure Gruppe, 1930 von dem nicht minder | |
obskuren Wallace Fard gegründet. Der Mann, der seinem Namen ein Muhammad | |
hinzufügte, verschwand vier Jahre später spurlos. | |
An seine Stelle trat Elijah Poole, der sich seinerseits Muhammad nannte. | |
Die Gruppe war ein antisemitischer, Weiße hassender Club; „Black | |
Supremacists“, die von der Überlegenheit einer schwarzen Rasse predigten, | |
die bestimmt sei, die Weißen zu beherrschen. Prominentestes Mitglied: | |
Boxweltmeister Muhammad Ali. | |
## „Schwarzer Nationalist“ | |
„Malcolm war kein Black Supremacist, aber schwarzer Nationalist“, sagt | |
Bryan Epps, Direktor des Shabazz-Centers in Harlem. „Malcolm wollte keine | |
farbenblinde Welt, sondern eine, in der sich jeder seiner Rasse bewusst | |
ist. Und die Schwarzen sollten stolz sein, schwarz zu sein.“ Biografin | |
Britta Waldschmidt-Nelson sieht die Erleuchtung erst auf einer Pilgerreise | |
nach Mekka. „Bis dahin waren alle Schwarzen Kinder Gottes, alle Weißen von | |
Grund auf böse. Plötzlich sah er blonde und blauäugige Pilger, die ihn wie | |
seinesgleichen behandelten. Die Weißen waren plötzlich keine Teufel mehr.“ | |
Er gab sogar den Widerstand gegen gemischte Ehen auf. | |
Das passte der Nation of Islam nicht. Und erst recht nicht, dass X, der | |
sich nach der Pilgerreise El-Hajj Malik El-Shabazz nannte, über Sexaffären | |
von Muhammad sprach. X hatte es sich da schon mit großen Teilen Amerikas | |
verdorben. Den Mord an John F. Kennedy kommentierte er das mit der | |
Redewendung „chickens come home to roost“ (in etwa: „die gerechte Strafe | |
bekommen“). | |
Malcolm X gründete mehrere eigene Organisationen und verließ die Nation of | |
Islam – und stand auf deren Abschussliste. Mehrere Angriffe auf ihn | |
scheiterten, doch als X am 21. Februar 1965 im New Yorker Stadtteil Harlem | |
eine Rede halten wollte, brach ein Tumult los. X wollte die Menge gerade | |
beruhigen, da feuerte ein Mann mit einer abgesägten Schrotflinte auf ihn, | |
zwei weitere Männer schossen anschließend. Der charismatische Mann war tot, | |
erschossen von drei Schwarzen, von denen nur Thomas Hagan am Tatort | |
festgenommen wurde. Er ist der einzige, an dessen Schuld kein Zweifel | |
besteht. | |
## Mordanschlag auf einen der Hauptverdächtigen | |
War Louis Farrakhan der Hintermann? Der spätere Führer der Nation of Islam | |
ist wegen seines Hasses auf Weiße, Juden, Schwule und Frauen als „Black | |
Hitler“ verschrien. Offiziell bestritt er das stets, in seinen Reden sagte | |
er aber Sätze wie: „Malcolm war ein Verräter und die Nation of Islam ist so | |
mit ihm umgegangen, wie eine Nation mit einem Verräter umgeht.“ Oder auch: | |
„Ich bin kein Mörder. Aber wenn jemand das angreift, was ich liebe, kann | |
ich töten.“ 1995 wurde ein Mordanschlag gegen ihn vereitelt. Dahinter | |
steckte Qubilah Shabazz – eine Tochter von Malcolm X. | |
„Malcolm X hat nie wie Martin Luther King Gewaltfreiheit gepredigt, aber | |
seine Gewalt sollte immer nur Selbstverteidigung sein“, sagt Epps, der | |
heute Schulklassen und Studiengruppen den Tatort von damals zeigt. | |
Waldschmidt-Nelson ist zwar optimistisch: „In der Ober- und Mittelschicht | |
haben Schwarze heute fast die gleichen Chancen wie Weiße.“ Aber: „In der | |
Unterschicht gibt es noch den Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Armut, | |
Drogen und Kriminalität. Und aus weißer Polizeigewalt. In dem Punkt ist | |
Malcolm X heute so aktuell wie damals.“ | |
22 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Chris Melzer | |
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