# taz.de -- Was Hautfarbe politisch macht: Kein Bock auf Unterarmdrücken | |
> In spezifischen Fällen gibt es gute Gründe, über Hauttöne zu sprechen. | |
> Colorism ist so ein Fall. Ihre neue Urlaubsbräune hingegen ist defintiv | |
> keiner. | |
Bild: Wer Rassismus an einer Farbskala festzumachen sucht, sollte wissen, was d… | |
Ach, wie schön, es ist Urlaubszeit. Das ist die Zeit, in der mir andere | |
Leute nach ihren zwei Wochen Badeurlaub erklären müssen – ja, müssen, es | |
ist wohl eine Art Naturgesetz –, dass sie jetzt ja auch so dunkel seien wie | |
ich: „Hihi. Schau, wie braun. Hihi. Aber hey, in Wirklichkeit bist du ja | |
auch gar nicht ‚richtig‘ Schwarz. Hihi.“ Und dann halten sie ihren Untera… | |
an meinen. Cringefaktor: 100. Das Gute in diesem Jahr: Social Distancing. | |
Das erspart einem tatsächlich einiges. | |
Problematisch ist diese Art von Hautfarbenvergleich aus mehreren Gründen. | |
Erstens wird hier von einer in der Regel weißen Person versucht, an einer | |
Farbskala festzumachen, wer Schwarz ist und wer nicht. Und das ist nicht | |
nur falsch, weil Schwarzsein nichts mit Farbe zu tun hat. Es ist auch | |
übergriffig, historisch fragwürdig (siehe unten) und naiv. | |
Denn die meisten Leute, die mich rassistisch behandelt haben, halten vorher | |
nicht ihren Unterarm an meinen. Und damit zu zweitens: Ich empfinde es als | |
herausragende Dreistigkeit, mir zu sagen, dass der Anlass, weshalb ich mein | |
Leben lang Rassismus erlebt habe, aus Sicht einer weißen Person nicht real | |
sei. Das ist eine Form [1][von rassistischem Gaslighting]. | |
Vergleichbares hört man auch bei sexualisierter Belästigung, wenn etwa über | |
eine Person, die davon berichtet, gesagt wird, sie sei ja gar nicht | |
„attraktiv genug“, als dass man das glauben könnte. Diese Form des | |
gesellschaftlichen Augenverschließens kennt man, es kommt genau daher, wo | |
auch: „Ich sehe keine Farben“ und „Wir sind doch alle gleich“ schlummer… | |
## Der Papiertütentest | |
Und die dritte und vielleicht schwerwiegendste Problematik an der Aussage, | |
dass ich ja nicht „richtig Schwarz“ sei, ist, dass weiße Leute oft davon | |
ausgehen, es sei etwas Gutes, nicht „so richtig“ Schwarz zu sein. Damit | |
offenbaren sie ihren internalisierten Rassismus. | |
Es ist keine Neuigkeit, dass hellhäutige BPoC in allen Bereichen des | |
gesellschaftlichen Lebens Privilegien genießen. [2][Das nennt sich | |
Colorism]. Historisch gesehen gab es in den USA etwa den „Brown Paper Bag | |
Test“, wer heller war als die braune Papiertüte, dem standen innerhalb | |
eines rassistischen Systems gewisse Privilegien offen. Die Wurzeln dieser | |
Praktik liegen im Kolonialismus und in der Bevorzugung hellhäutiger | |
Sklav:innen für „gehobenere Arbeit“. Doch dieser Test entschied in den USA | |
bis in die 1960er Jahre etwa über [3][die Aufnahme in Schwarze | |
Studentenverbindungen]. | |
Auch heute noch gibt es Colorism, nicht nur in Nordamerika, auf allen | |
Kontinenten. Wenn es in Deutschland etwa um Diversity geht, sind es in der | |
Regel Menschen wie ich, die die Jobs bekommen oder die Buchverträge. Wir | |
sind es, die die Wohnungen bekommen. Wir sind es, die in Theater, Musik, | |
Film und Fernsehen zu sehen sind. Für weiße Menschen sind diejenigen am | |
annehmbarsten, die im Vergleich „europäisch“ wirken, die in einer weißen | |
Gesellschaft aufgewachsen sind, die vertraut klingende Namen haben. Man | |
kann das überall sehen. | |
19 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Gaslighting-und-Rassismus/!5693141 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=i3rEZnxOWcw | |
[3] https://www.ferris.edu/HTMLS/news/jimcrow/question/2014/february.htm | |
## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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