| # taz.de -- Wahlerfolg in Schweden: Der rechtsextreme Underdog | |
| > Die "Schwedendemokraten" haben rechtsextreme Wurzeln. Doch unter ihrem | |
| > Chef Åkesson verfolgen sie scheinbar einen gemäßigteren Kurs. | |
| Bild: Jubel am Wahlabend: der Rechtspopulist Jimmie Akesson. | |
| STOCKHOLM taz | Schweden habe nicht nur einen Rechtsruck erlebt, das Schiff | |
| sei nach rechts gekentert, konstatierte der "Linken"-Vorsitzende Lars Ohly | |
| in der Wahlnacht. Und weigerte sich, vor dem Fernsehauftritt im gleichen | |
| Raum mit Jimmie Åkesson, 31, dem Vorsitzenden der "Schwedendemokraten", | |
| geschminkt zu werden: "Ich werde mich nie mit Rassisten befassen." | |
| Regierungschef Fredrik Reinfeldt reagierte ähnlich: "Nicht einmal mit der | |
| Zange" würde er die anfassen, sagte er. | |
| Trotz ihrer Worte werden Ohly und Reinfeldt in einem Monat mit Rassisten | |
| und Islamophoben im gleichen Plenarsaal sitzen müssen. Und ob es dann eine | |
| kluge Strategie sein wird, den Rechtspopulisten unter moralischen Prämissen | |
| - sie die Bösen, wir die Guten - zu begegnen, ist die Frage. Denn ins | |
| Parlament gewählt haben die "Sverigedemokraterna" ja die WählerInnen, die | |
| früher für die Parteien von Reinfeldt, Ohly und Co gestimmt haben, sagt | |
| Daniel Poohl von der antinazistischen Zeitschrift "Expo": "Und viele haben | |
| sie nicht trotz Islamophobie und Rassismus gewählt, sondern gerade | |
| deswegen." | |
| Kandidaten, die den Holocaust leugnen, die ihre Mails mit nazististischen | |
| Grußfloskeln unterschreiben, die Verbindungen zum rechtsextremen "White | |
| power"-Milieu haben und aus offen neonazistischen Gruppen stammen oder von | |
| einem "Ausländer-Gen" schwadronieren. Das ist das eine Gesicht der | |
| "Schwedendemokraten". Mehrheitlich versucht die Partei aber mittlerweile - | |
| und hier gelang es vor allem ihrem Vorsitzenden Åkesson recht überzeugend | |
| zu agieren - eine gemäßigtere Linie zu fahren. Begrenzung der Einwanderung, | |
| ja, aber dafür müssen integrationspolitische und finanzielle Argumente wie | |
| die angeblich enorme Belastung des Sozialsystems durch die MigrantInnen | |
| herhalten. Statt an die solle dieses Geld an "unsere Alten" fliessen. | |
| Erklärt das den Wahlerfolg der "Schwedendemokraten"? Nur zum Teil. Sicher | |
| hat ihnen geholfen, dass sie sich als Underdogs, vom politischen | |
| Establishment ausgestoßen und Alternative zur Politik der "Blockparteien" | |
| präsentiert haben. Außerdem kämpften gleich beide großen Parteien, | |
| Sozialdemokraten und Konservative, um den Titel der "einzig wahren | |
| Arbeiterpartei", womit sich ein politisches Vakuum auftat, das die | |
| "Schwedendemokraten" besetzen konnten. | |
| Sie sind nicht die erste rechtspopulistische Partei in einem schwedischen | |
| Parlament. 1991 war die ausländerfeindliche "Neue Demokratie" sogar noch | |
| erfolgreicher und kam auf 6,7 Prozent der Stimmen und 25 Parlamentssitze. | |
| Sie zerbrach an inneren Spannungen zwischen einem rechtsextremen und einem | |
| rechtskonservativen Flügel und schaffte bei den darauffolgenden | |
| Parlamentswahlen mit 1,4 Prozent nicht mehr den Sprung in den Reichstag. | |
| Manche ihrer Mitglieder wandten sich damals den 1988 gegründeten | |
| "Schwedendemokraten" zu, die ihrerseits ein Sammelbecken kleiner | |
| rechtsextremer und teilweise offen antisemitischer Gruppen waren. Bei ihrer | |
| ersten Reichstagskandidatur kamen sie auf ganze 1.118 Stimmen. 1994 hatten | |
| sie diese Stimmenzahl verzehnfacht und konnten in mehrere südschwedische | |
| Kommunalvertretungen einziehen. Die südschwedische Provinz "Schonen" war | |
| bereits in den 1930er Jahren ein Schwerpunkt schwedischer | |
| Nazi-Organisationen, und auch die "Schwedendemokraten" erzielten dort | |
| sowohl 2006 - damals waren sie mit 2,93 Prozent an der | |
| Vier-Prozent-Sperrklausel gescheitert - wie bei der jetzigen Wahl | |
| landesweit ihre besten Ergebnisse. | |
| Die "Neue Demokratie" wurde damals von den anderen Parlamentsparteien | |
| ignoriert. Es gab keinerlei politische Zusammenarbeit mit der Partei. Aber | |
| anders als heute verfügte die damalige Koalitionsregierung unter dem | |
| Konservativen Carl Bildt auch ohne sie über eine parlamentarische Mehrheit. | |
| Spuren hinterliess die "Neue Demokratie" trotzdem: Sowohl das | |
| konservativ-liberale Lager wie die Sozialdemokraten verschärften ihre | |
| Ausländerpolitik. | |
| "Wir werden Einfluss haben", zeigte sich Parteichef Åkesson nach der Wahl | |
| überzeugt: "Allein das Faktum, dass wir es ins Parlament geschafft haben, | |
| wird die anderen zwingen, ihre Einwanderungspolitik zu verändern, wenn sie | |
| nicht noch mehr Wähler an uns verlieren wollen." | |
| 20 Sep 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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