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# taz.de -- Wahlen in Schweden: Vorzeigedemokratie rückt nach rechts
> Die Sozialdemokraten rutschen weiter ab, die Partei des konservativen
> Premiers Reinfeldt legt zu, aber nicht genug: So sind plötzlich die
> Rechtspopulisten das Zünglein an der Waage.
Bild: Nimmt seinen Platz auf der großen Bühne ein: Jimmie Akesson, Chef der r…
STOCKHOLM dpad/dpa | Schwedens konservativer Ministerpräsident Fredrik
Reinfeldt hat die Sozialdemokraten zum zweiten Mal bei Wahlen klar
geschlagen – und doch seine Mehrheit verloren. Denn erstmals ziehen die
rechtspopulistischen und ausländerfeindlichen "Schweden-Demokraten" ins
Parlament ein. Derweil sind die Sozialdemokraten mit knapp 31 Prozent zwar
immer noch stärkste Partei, mussten dabei aber ihr schlechtestes Ergebnis
seit fast 100 Jahren hinnehmen.
Premier Reinfeldt will an der Spitze einer Minderheitsregierung mit seiner
bisherigen Vier-Parteien-Koalition zunächst im Amt bleiben. Er werde sich
um die Unterstützung der oppositionellen Grünen bemühen, sagte der
Ministerpräsident am Abend in Stockholm. Die allerdings erklärten bereits
am frühen Morgen, dafür nicht bereit zu stehen. Damit wird eine
Regierungsbildung jetzt schwierig.
Nach einer sicheren Hochrechnung schafften die vor allem für massive
Einschränkungen bei der Zuwanderung eintretenden Schweden-Demokraten mit
5,7 Prozent erstmals den Sprung in den Reichstag. Die 20 Abgeordneten der
Partei könnten im neuen Reichstag den Ausschlag für Mehrheiten geben:
Reinfeldts konservative Partei kommen zusammen mit der liberalen
Volkspartei, dem Zentrum und den Christdemokraten auf 172 und die
Sozialdemokraten zusammen Grünen und der Linkspartei auf 157 Sitze.
Der Parteichef der Rechtspopulisten Jimmie Akesson sagte, die
Schweden-Demokraten hätten mit dem Wahlergebnis "politische Geschichte
geschrieben". "Parteifreunde, wir sind im Parlament", sagte er vor
jubelnden Anhängern in Stockholm. Die Schweden-Demokraten fordern
erhebliche Einschnitte bei der Einwanderung und haben den Islam als die
größte ausländische Bedrohung für das Land seit dem Zweiten Weltkrieg
bezeichnet. Die Partei hatte zuletzt starken Zulauf bekommen.
Unter den 9,4 Millionen Einwohnern Schwedens sind rund 14 Prozent
Einwanderer. Die meisten stammen aus Finnland, gefolgt von dem ehemaligen
Jugoslawien, Irak, Iran und Polen.
Weder der Ministerpräsident noch seine sozialdemokratische Herausforderin
Mona Sahlin wollen mit den "Schweden-Demokraten" zusammenarbeiten.
Andererseits regiert Reinfeldt erst mal weiter – und könnte nur durch ein
gemeinsames konstruktives Misstrauensvotum von "Schweden-Demokraten"
zusammen mit der Linksopposition gestürzt werden.
Nach der Hochrechnung wurden die Sozialdemokraten mit 30,9 Prozent nur noch
knapp stärkste Partei vor Reinfeldts Konservativen mit 30 Prozent. "Wir
haben eine wirklich schrecklich schlechtes Ergebnis eingefahren", sagte
Sahlin, deren Partei vier Prozentpunkte verlor. "Aber Verlierer der Wahl
sind alle, weil ausländerfeindliche Kräfte Einfluss gewonnen haben." Ihren
Rücktritt schloss sie aus.
Während die Sozialdemokraten also weiter verloren, konnte Reinfeldt etwa
ebensoviel hinzugewinnen – und das Rekordergebnis von 2006 (gut 26 Prozent)
für seine Partei noch einmal steigern. Er hatte vor der Wahl angekündigt,
dass er auch bei dem Verlust der absoluten Mehrheit durch den
Parlamentseinzug der "Schweden-Demokraten" an der Spitze einer
Minderheitsregierung im Amt bleiben will.
Bei den mit Reinfeldts konservativer Partei koalierenden kleineren Parteien
hielten sich Verluste und Gewinne in Grenzen. Die liberale Volkspartei kam
auf 7,1 Prozent, das Zentrum auf 6,6 Prozent, und die Christdemokraten auf
5,6 Prozent. Die zusammen mit den Sozialdemokraten angetretenen Grünen
erhielten nach der TV-Prognose 7,2 Prozent und gewannen zwei Prozentpunkte
hinzu. die ebenfalls zu dieser Gruppe gehörende Linkspartei kamen auf 5,6
Prozent gegenüber zuletzt 5,9 Prozent.
Reinfeldt ist der erste konservative Regierungschef seit Einführung der
Demokratie in Schweden, der die Wiederwahl geschafft hat. Die seit den 20er
Jahren des letzten Jahrhunderts dominierenden Sozialdemokraten konnten 65
der letzten 78 Jahre den Ministerpräsidenten stellen.
Das amtliche Endergebnis soll im Laufe der Woche bekannt gegeben werden.
Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Wahlkommission bei 82 Prozent der
7,1 Millionen Stimmberechtigten.
20 Sep 2010
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Schweden
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