| # taz.de -- Wahlen in Venezuela: Venezuela am Wahltag | |
| > Am Tag der Wahl haben viele Venezolaner:innen Angst vor Wahlbetrug. | |
| > Der Herausforderer González könnte sich gegen Amtsinhaber Maduro | |
| > durchsetzen. | |
| Bild: Menschen winken von einem Balkon, der mit der venezolanischen Flagge gesc… | |
| Caracas taz | Am Tag der Wahl ist Oma Ana Ortega vor 6 Uhr aufgestanden. | |
| Sie ist 82 Jahre alt und fast blind. Aber wählen gehen wollte sie | |
| unbedingt. Vor 7 Uhr war sie an der Schule im Stadtteil La Quebradita in | |
| Caracas, da war schon eine Schlange vor dem Wahllokal. „Aber es ging | |
| schnell“, sagt sie. | |
| Ortega heißt eigentlich anders. Ihren echten Namen möchte sie lieber nicht | |
| in der Zeitung lesen. Am Arm ihrer Enkelin geht sie an dem Soldaten mit dem | |
| Gewehr vorbei in die frisch gestrichene Schule. Ihre Enkelin drückt wegen | |
| ihrer Sehschwäche auch für sie den Wahlknopf. „Für den anderen; der nicht | |
| Maduro ist“, sagt Ortega, denn den autoritären Präsidenten Venezuelas hält | |
| sie für einen „furchtbaren Mann, hier verhungern die Menschen. Es reicht.“ | |
| 40 Jahre hat Ortega in einer Schnapsfabrik geschuftet und Kisten | |
| geschleppt. Heute bekommt sie 3 Dollar Rente. Dafür könne sie sich nicht | |
| einmal Brot kaufen. Ohne die Unterstützung ihre Töchter und Enkelinnen wäre | |
| sie verloren. | |
| ## Herausforderer González hat große Chancen | |
| Ortega hat für Edmundo González Urrutia gestimmt. [1][Der 74-jährige | |
| Ex-Diplomat hat große Chancen], Amtainhaber Nicolás Maduro nach elf Jahren | |
| zu schlagen. Vor allem, weil die Oppositionsführerin Maria Corina Machado, | |
| die selbst nicht antreten durfte, die Opposition hinter sich und damit | |
| hinter González geeint hat. Ihre Anhänger:innen verehren sie wie einen | |
| Messias. | |
| Der erste Eindruck in Caracas: Es könnte eine Rekordwahlbeteiligung geben. | |
| Morgens, als die Karibiksonne schon hemmungslos knallt, stehen Menschen | |
| hunderte Meter Schlange, teils stundenlang. Sie haben Getränke, Essen, | |
| Plastikhocker und Klappstühle dabei. An einer Schule im Stadtteil El | |
| Paraíso tragen einige in der Schlange T-Shirts mit dem Aufdruck | |
| „Venezuela“. | |
| Auf der Stadtautobahn in Caracas hängt praktisch an jedem Laternenmast ein | |
| Wahlplakat von Nicolás Maduro. Dazu kommt seit Neuestem streckenweise Mast | |
| für Mast darunter ein blaues Plakat des nationalen Wahlrats. „Willkommen, | |
| internationale Wahlbeobachter“ steht darauf. | |
| Dabei ist die internationale Wahlbeobachtung minimal. Die geplante | |
| EU-Mission hatte das Regime kurzerhand wieder ausgeladen. Ein Grüppchen von | |
| EU-Parlamentariern soll auf Einladung im Land sein, dazu eine | |
| eingeschränkte UN-Mission. Die Opposition sagt: 51 von ihr eingeladene | |
| internationale Wahlbeobachter seien entweder an der Einreise gehindert oder | |
| vorübergehend festgenommen worden. | |
| ## Exil-Venezolaner:innen an Wahl gehindert | |
| Die kolumbianische Senatorin Angélica Lozano, Ehefrau der ehemaligen grünen | |
| Bürgermeisterin von Bogotá, machte über ihre sozialen Medien ihrer Empörung | |
| Luft. Sie wurde nicht ins Land gelassen, ihr Pass wurde weggenommen. Im | |
| Nachbarland Kolumbien, wo heute mit rund 3 Millionen die meisten der 7,7 | |
| Millionen ausgewanderten Venezolaner:innen leben, wird die Wahl mit | |
| großer Spannung verfolgt. | |
| Den Landsleuten im Exil wurde es durch bürokratische Hürden praktisch | |
| unmöglich gemacht, mitzustimmen, wohl aus Befürchtung, sie würden für die | |
| Opposition stimmen. So dürfen von den fast 3 Millionen | |
| Venezolaner:innen in Kolumbien nur etwa 7000 wählen. | |
| Noch wichtiger als die begrenzte internationale Wahlbeobachtung ist die | |
| Nationale. Die Opposition hatte im Vorfeld verkündet, für rund 90 Prozent | |
| der Wahltische Wahlzeug:innen organisiert zu haben. Am Sonntagvormittag | |
| kursierten erste Berichte, dass ihnen zum Beispiel im Staat Miranda der | |
| Zugang zu Wahllokalen verwehrt wurde. | |
| ## Probleme mit Stromversorgung in Wahllokalen | |
| Dort habe es außerdem seit 40 Stunden keinen Strom gegeben, die | |
| Wahlautomaten würden immer wieder ausfallen. Das Risiko für Manipulationen | |
| steigt dort, wo die Wahltische klein sind, die soziale Kontrolle umso | |
| größer und die Stromversorgung schwierig sind. Denn wo es keinen Strom | |
| gibt, wird rein per Papier abgestimmt. | |
| Oppositionsführerin Mará Corina Machado hatte am Vortag über ihre sozialen | |
| Netzwerke einen Post zur Taktik für den Wahltag abgesetzt. Der Tag der | |
| Freiheit nähere sich, sagt sie darin. | |
| Theoretisch müssen die Wahllokale von 6 Uhr morgens bis 18 Uhr abends offen | |
| sein. Stehen allerdings noch Menschen davor Schlange, haben sie das Recht, | |
| auch noch später ihre Stimme abzugeben. Bislang erfolgte der Betrieb | |
| überwiegend reibungslos. | |
| Unklar ist, ob Maduro das Ergebnis im Falle einer Niederlage anerkennt. Der | |
| schlimmste Fall wäre, wenn dieser sich zum Sieger erklärt, bevor das | |
| offizielle Ergebnis vorliegt. Dann könnte es zu Protesten kommen – auch | |
| wenn die Opposition ihren Anhänger:innen einschärft, dass es unbedingt | |
| friedlich bleiben muss. | |
| ## Angst vor Protesten nach der Wahl | |
| Maduros gleichnamiger Sohn, der ebenfalls Posten im Regierungsapparat | |
| innehat, sagte diese Woche in einem Interview mit der Zeitung El País, dass | |
| die Regierung das Wahlergebnis akzeptieren werde. Aber auch, dass alle | |
| Umfragen ihren Sieg voraussagten. | |
| Für Oma Ana hat ihre Enkelin vorsichtshalber eingekauft: Wasser, Kerzen und | |
| Essen, falls Strom und Wasser ausfallen und die Läden dichtmachen sollten. | |
| Auch ist fraglich, wie stabil das Internet am Wahltag bleibt und ob sich | |
| die Menschen sich etwa per Whatsapp informieren können – Zensur und | |
| Falschmeldungen zum Trotz. | |
| Ein Taxifahrer sagt, er fahre seit Woche praktisch nur Leute, die für die | |
| Opposition stimmen wollen. „Selbst die Chavisten haben genug von Maduro.“ | |
| Auf der Autobahn strahlt dieser überlebensgroß von einem Plakat: „Mehr | |
| Wandel und Transformationen“ verspricht es. „Sie hatten 25 Jahre Zeit | |
| dafür, es reicht“, sagt der Taxifahrer. | |
| 28 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sarah Himmel | |
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