# taz.de -- Vorstoß für Olympia 2036 in Berlin: Moralgold für Deutschland | |
> Innenministerin Nancy Faeser will die Olympischen Spiele in die | |
> Hauptstadt der Superdemokratie Deutschland holen. Das kann nicht | |
> gutgehen. | |
Bild: Olympiastadion Berlin, zentraler Ort der Propagandaspiele von 1936 | |
Kürzlich hatte Nancy Faeser eine Idee. Die war so gut wie [1][der | |
Buntbindenexport ins Emirat Katar]. Innenministerin Faeser, die auch | |
Sportministerin und Heimatschützerin ist, [2][möchte die Olympischen | |
Sommerspiele im Jahr 2036 nach Berlin holen], weil, und jetzt wird es | |
interessant, eine Austragung die Glaubwürdigkeit Deutschlands beim Einsatz | |
für Menschenrechte bei Großveranstaltungen im Ausland erhöhen würde. | |
Vereinfacht gesagt: Die SPD-Politikerin, die zum Zeitpunkt ihres | |
Spieledesiderats wahrscheinlich [3][nur noch Äppelwoi] in ihrer Heimat | |
Hessen verkostet und mithin das Erbe ihres Ideenreichtums leicht angedüdelt | |
von der Ferne aus betrachtet, möchte einen zweistelligen Milliardenbetrag | |
ausgeben, damit die moralisch aufgeladene Außenpolitik der Bundesregierung | |
nobilitiert und legitimiert wird. Über den Sport. Mit Steuergeld. | |
Die Spiele würden, sollte das Szenario tatsächlich so über die Bühne gehen, | |
in einer Weise politisiert, die Bauchgrimmen macht. Wo eben noch | |
Gigantomanie, Dopingmissbrauch und Kommerzialisierung des Sports gegeißelt | |
wurden, da herrscht nun offenbar die Übereinkunft, dass man fette Kröten | |
schlucken müsse, damit die Welt sieht, wie ernst es Deutschland mit seiner | |
Sicht der Dinge ist. | |
Oder anders: Weil wir die Nase so gern in die Angelegenheiten anderer | |
stecken und ein Müffel-Ranking von eins bis zehn erstellen mit | |
Stinkeländern in Nahost, Südamerika oder Rüpelregierungen in Asien, zeigen | |
wir der Welt, wie Pril-frisch und Ariel-rein Deutschland ist, niemals | |
korrupt, immer straight, dufte und schnieke. Top in Sachen Richtigmacherei. | |
Eine Eins mit Sternchen stellt sich die Regierungstruppe um Nancy Faeser | |
gern aus – und wundert sich vielleicht, warum die anderen, etwa die | |
basisdemokratische Jury eines europäischen Sangeswettbewerbs, die | |
Selbsteinschätzung der Deutschen nicht uneingeschränkt teilt. | |
## 100 Jahre nach den Nazispielen | |
Sollten sich die Visionen von Nancy Faeser materialisieren, würden aus | |
Sportspielen im Jahr 2036 Überzeugungsspiele, die in noch nicht vom Wohl | |
des Westens überzeugten Gegenden vielleicht Gängelungsspiele genannt werden | |
würden. | |
Ganz schlimme Autokraten könnten unter Umständen sogar, horribile dictu, | |
von Propagandaspielen sprechen, was dann dazu führte, dass gewisse Stimmen | |
eine eindeutige Botschaft versuchten anzubringen – und zwar nicht nur im | |
Wellenbereich des Nachrichtensenders Al-Jazeera: 100 Jahre nach den | |
Nazi-Spielen von Berlin sollten die Deutschen besser nicht klotzen, sondern | |
sich demütig von der Bühne der Selbstdarstellung stehlen. Selbst dann, wenn | |
man ankündigte, vorbildlichster Erinnerungskultur zu frönen. | |
Die hitleristische Instrumentalisierung der Spiele unter weitgehender | |
Duldung der damaligen Sportgemeinschaft wirkt bis heute nach, erzeugt einen | |
Albdruck, der ein lustiges Sportfest in Berlin-Mitte, Zehlendorf oder | |
Pankow zur Groteske macht. Berlin bleibt ein olympischer Unort. Das Gelände | |
ist belastet. Noch die hehrsten Ideen der kontrapunktischen Aktivität sind | |
mit Spuren des alten Giftes kontaminiert. | |
Und in diesem toxischen Klima sind sie alle gescheitert, die bisherigen | |
Olympiabewerbungen der deutschen Hauptstadt-Funktionäre – sang- und | |
klanglos. Berlin, vor allem seine Politiker, sollten sich endlich von der | |
Spiele-Idee lossagen. Jeder neue Anlauf, egal, welches PR-Etikett auch | |
immer auf den Bewerbungsmappen klebt, sollte ins Reich der Vergeblichkeit | |
verwiesen werden. Noch mehr: Es wäre ein Gebot des Anstands und der | |
(sport-)politischen Klugheit, Berlin aus dem Ringe-Reigen herauszuhalten. | |
Für immer. | |
18 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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