| # taz.de -- VfL-Wolfsburg-Manager Jörg Schmadtke: Anders als die anderen | |
| > Ob in Aachen, Hannover oder Köln: Jörg Schmadtke war als Manager mit all | |
| > seinen Klubs sehr erfolgreich. Dennoch begleitet ihn ein „Aber“. Warum? | |
| Bild: Will seine eigene Identität ausleben: Jörg Schmadtke | |
| Wolfsburg taz | In Freiburg gab es mal einen Schafbock, der nach dem | |
| damaligen SC-Torhüter getauft wurde: „Schmadtke“. Eines Tages bekam | |
| Schmadtke drei Lämmlein. Er war also nicht Bock, sondern ein Schaf. Will | |
| sagen: Es ist nicht ganz einfach zu sagen, wer Schmadtke wirklich ist. | |
| Jetzt betritt er erst mal einen Raum in der Geschäftsstelle neben der | |
| VW-Arena in Wolfsburg, kantiges Gesicht, kurzes Resthaar, informell | |
| gekleidet. Auf den Begrüßungssatz, dass man sich freue, ihn kennenzulernen, | |
| antwortet er: „Schauen wir mal.“ | |
| Ein Jahr ist Jörg Schmadtke, 55, jetzt Geschäftsführer des | |
| Fußballbundesligisten, der zu 100 Prozent dem Volkswagen-Konzern gehört. Er | |
| kam letzten Sommer erst mal als Konsolidierer, der einen zunehmend | |
| aktionistisch zusammengewürfelten Kader neu strukturieren musste. Was | |
| besser gelang, als man ernsthaft erwarten konnte. Mit Keilstürmer Wout | |
| Weghorst und Linksverteidiger Jérôme Roussillon haben sich zwei | |
| Schmadtke-Verpflichtungen zu herausragenden Bundesligaspielern entwickelt. | |
| Zwar raunen Sportjournalisten immer gern von den „mächtigen VW-Managern“ | |
| drüben in der Konzernzentrale und ihren Weisungsbefugnissen beim VfL. Aber | |
| faktisch haben die anderes am Hacken am Ende des Autozeitalters, wie wir es | |
| kannten, das gilt auch für Aufsichtsratschef Frank Witter. Der | |
| Sport-Geschäftsführer Schmadtke ist der Chefentscheider, so, wie es vorher | |
| auch Klaus Allofs war. Es gibt offenbar – zumindest für den VfL – auch | |
| keinen langfristigen Zukunftsplan, den der Weltkonzern vorgegeben hätte. | |
| Als Mercedes-Nachfolger und neuer „Partner“ des DFB hat VW seine | |
| Markenbildung über Fußball neu zentriert, aber über die Frage nach | |
| Konsequenzen für den VfL will Schmadtke nicht sprechen. „Ich bin nicht der | |
| Pressesprecher von VW“, sagt er. So, wie er spricht, scheint er den VfL | |
| derzeit als Regionalmarke zu positionieren. | |
| Schmadtke gehörte als Torhüter zu dem SC-Freiburg-Team der ersten | |
| Bundesligajahre, das durch Volker Finkes Innovationen auf und neben dem | |
| Spielfeld 1995 fast Meister geworden wäre. „Finke war seiner Zeit voraus | |
| und bahnbrechend, weil das viele Veränderungen im Denken mit sich gebracht | |
| hat“, sagt Schmadtke. Er sei aus der „alten in die neue Welt gekommen“. V… | |
| Fortuna Düsseldorf. „Das zu erleben und damit umgehen zu lernen war schon | |
| stilprägend.“ | |
| Aber Finkianer wie SC-Kollege Jens Todt und andere waren Sie nie? | |
| „Ich bin Schmadtke.“ Während er sonst gern Sprechpausen nimmt oder | |
| taktische Gegenfragen stellt, kommt die Antwort hier ohne jede Verzögerung. | |
| „Ich bin kein bedingungsloser Folger, kein Hinterhermarschierer, ich | |
| versuche meine eigene Identität auszuleben, mit allem Für und Wider.“ | |
| Das könnte womöglich der Kern seiner eigenen Identitätsvorstellung sein. | |
| Dass er anders ist als die anderen. Tatsächlich begleitete ihn auch und | |
| gerade in Finkes Freiburg der Argwohn, selbstständig zu denken. Seit diesen | |
| Zeiten steht er zudem unter Intellektuellenverdacht. Es heißt, er lese | |
| sogar Bücher? | |
| Ja, aber nur im Urlaub, sagt er. | |
| Seine Sprechpausen haben jedenfalls mehr Substanz als die Standardreferate | |
| manch anderer in der Branche. | |
| Und damit sind wir bei seiner bisherigen Berufslaufbahn als Fußballmanager. | |
| Die Rezeption besteht aus zwei Worten: erfolgreich. Aber. Schmadtke hat | |
| ohne spezifische Berufsausbildung drei durchhängende und offensichtlich | |
| suboptimal geführte Regionalmarken übernommen und in die Europa League | |
| gebracht – wie nun auch den VfL. In Aachen wurde aus einem Pleiteklub ein | |
| schuldenfreier, in Hannover verantwortete er die erfolgreichste | |
| Bundesligasaison ever (4. Platz), in Köln verzehnfachte er den Kaderwert | |
| und schien den traditionellen Kölnismus vier Jahre lang und Stück für Stück | |
| in professionelle Strukturen umgebaut zu kriegen. | |
| Doch – und nun kommt das Aber – unmittelbar nach der besten Saison seit 25 | |
| Jahren (5. Platz) kam eine schwere sportliche Krise. Sie kommt immer | |
| irgendwann. Die Frage ist, wie ein Verein darauf reagiert. Freiburg | |
| (Streich) und Mönchengladbach (Eberl) sind Beispiele, dass man mit dem | |
| richtigen Mann und dessen Struktur die Realität des Auf und Ab auf | |
| gehobenem Grundniveau besser meistert. | |
| In Aachen, Hannover und Köln handelte man „branchenüblich“ und trennte si… | |
| von Schmadtke. Das löste das Problem aber nicht, sondern zeigte, dass es im | |
| Klub lag. Welche Schlüsse zieht man da als Manager? „Dass Dinge vergänglich | |
| sind und du den Moment nutzen musst, das ist halt so.“ Und dann sagt | |
| Schmadtke den schönen Satz: „Ich versuche, nachhaltig zu arbeiten, weiß | |
| aber, dass häufig leider etwas dazwischenkommt. Aber ich gebe nicht auf.“ | |
| Er versucht dazu, cool zu blicken, also so wie immer. | |
| Down-to-earth-Habitus, wozu auch der leichte rheinisch-dialektale Einschlag | |
| passt. | |
| ## Mehrfache Trennungen | |
| Was den Beobachtern vor Ort unklar geblieben ist: Warum er sich mehrfach | |
| mit dem jeweils anderen Teil eines Erfolgsteams entzweite. Da war Mirko | |
| Slomka bei 96, Peter Stöger in Köln, Bruno Labbadia in Wolfsburg. Auch die | |
| Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Schattenmann Jörg Jakobs zerbrach. | |
| Schmadtke sei total straight und alles laufe bestens, solange der andere | |
| damit klarkomme, sagt ein langjähriger Beobachter des Kölner Wahnsinns. | |
| Aber auch das ist nur eine Annahme und jeder Fall einzeln zu sehen. Vor den | |
| üblichen Fußballgesetzmäßigkeiten (wenn’s auswärts regnet, kassiert man | |
| immer einen Platzverweis oder so) sollte man sich hüten. | |
| In Wolfsburg war jedenfalls schnell zu ahnen, dass Labbadia nicht | |
| Schmadtkes Zukunftspartner sein würde. Es ist ihm wichtig, dass der | |
| Trainer trotz des relativen Erfolgs (6. Platz) eigeninitiativ das Ende der | |
| Zusammenarbeit bestimmt habe. „Das stimmt nicht“, antwortet er auf die | |
| Behauptung, er habe konzeptionell entschieden, nicht langfristig mit | |
| Labbadia zusammenzuarbeiten. „Bruno Labbadia hat gesagt: Ich möchte meinen | |
| Vertrag nicht verlängern. Da können Sie mir nicht sagen, ich hätte nicht | |
| mit ihm zusammenarbeiten wollen.“ | |
| ## Emotionsgeschäft Fußball | |
| Im Emotionsgeschäft Fußball zählt meist nur die Euphorie oder Tristesse des | |
| Augenblicks – und daher sind Zukunftsentscheidungen nicht mehrheitsfähig. | |
| Das Problem ist: Da es mit den „branchenüblichen Mechanismen“ und Reflexen | |
| ja nun nicht klappt, muss man sich ihnen widersetzen, wenn man wirklich aus | |
| dem Hamsterrad rauswill. Der Trainer ist dabei die wichtigste | |
| Personalentscheidung des Managers. Beider vertrauensvolle Zusammenarbeit | |
| ist der Kern von allem. Kurzfristig und erst recht, wenn man tatsächlich | |
| nachhaltig ein Team, einen Stil oder gar eine Kultur aufbauen will. | |
| Was der neue Trainer Oliver Glasner (vom Linzer ASK) in dieser Hinsicht für | |
| einen Auftrag von ihm hat, darüber will Schmadtke nicht ins Detail gehen. | |
| „Jetzt kommt wieder die Frage nach der Philosophie“, sagt er. Dieses | |
| omnipräsente Fußballwort mag er nicht, vermutlich weil er Schwadronieren | |
| ablehnt. Der Plan lautet, dass der VfL sich diese Saison weiter | |
| „stabilisiert“ und sich dann „mittelfristig im oberen Drittel | |
| wiederfindet“. Er wolle „erfolgreichen Fußball, der denen, die mit uns | |
| fiebern, Spaß macht“. Mehr geht ja nun eh nicht. | |
| ## Niedriger Irrsinnsfaktor | |
| Man kann ja gegen Wolfsburg offenbar einiges haben, aber der Klub spielt | |
| seit 22 Jahren ununterbrochen in der Bundesliga, war Meister, Pokalsieger | |
| und im Champions-League-Viertelfinale. Keine Kunst, bei der vielen | |
| VW-Kohle, brummen die VfL-Kritiker, also fast alle außerhalb Wolfsburgs. | |
| Stimmt. Einerseits. Andererseits ist der Irrsinnsfaktor deutlich niedriger | |
| als in Traditionsklubkulturen. Es gibt keine Wichtig-wichtig-Gremien, | |
| keinen pseudoreligiösen Unsinn, nicht mal Nörgel-Altstars. Trainer und | |
| Manager werden hier allerdings bisher gefeuert wie anderswo auch. | |
| Und nun die These: So viel Erfolg an schwierigen Orten wie Schmadtke kann | |
| man nicht haben, ohne dass man was draufhat. Und solche Möglichkeiten, | |
| nicht nur ökonomische, hatte er noch nie. Das macht Wolfsburg zu dem Ort, | |
| an dem es für ihn gilt. | |
| Das Gleiche gilt aber mehr noch für den VfL in Beziehung auf Schmadtke. Ein | |
| professioneller Beobachter von Schmadtkes vier Kölner Jahren sagt | |
| jedenfalls seufzend: „Leider fürchte ich, dass das gut wird in Wolfsburg.“ | |
| 19 Aug 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
| ## TAGS | |
| Jörg Schmadtke | |
| Fußball-Bundesliga | |
| Fußball-Bundesliga | |
| VfL Wolfsburg | |
| 1. Bundesliga | |
| Wolfsburg | |
| Profi-Fußball | |
| Jörg Schmadtke | |
| Ante Rebic | |
| Fußball | |
| Fußball | |
| Kapitän | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| VfL Wolfsburg im Wandel: Aus Not wurde Tugend | |
| Der VfL Wolfsburg hat sich in der Fußball-Bundesliga zum Entwicklungsverein | |
| gewandelt. Nur an der Außenwahrnehmung hapert es weiterhin. | |
| Eintracht Frankfurt in der Europa League: Ante ante portas | |
| Eintracht Frankfurt droht in der Qualifikation zur Europa League zu | |
| scheitern. Ausgerechnet der wechselwillige Ante Rebić wird zum | |
| Hoffnungsträger. | |
| Kolumne Liebeserklärung: Wolfsburg mit nachhaltiger Struktur? | |
| Auf Wolfsburg wird gerne herumgehackt – derzeit, weil unklar ist, ob Bruno | |
| Labbadia in der nächsten Saison VfL-Trainer bleibt. Ganz schön dumm! | |
| Kolumne Press-Schlag: Im Land der sportlichen Leiter | |
| Die Bundesliga taugt immer noch zum Trendsetter. Ihre neueste | |
| Errungenschaft: der Managerwechsel als Allheilmittel. | |
| Kapitänsbinde des VfL Wolfsburg: Ich bin ja tolerant, aber … | |
| Der VfL Wolfsburg führt eine regenbogenfarbene Kapitänsbinde für alle Teams | |
| ab der U10 ein. Profi-Spieler Josip Brekalo übt daran Kritik. |