| # taz.de -- Versorgungskrise in Argentinien: „Ein tragischer Umstand“ | |
| > 170 Millionen Euro sollen in Argentinien gegen den Ernährungsnotstand | |
| > helfen. Aus welchen Töpfen das Geld kommt, ist noch unklar. | |
| Bild: 2018 lebten 32 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze | |
| BUENOS AIRES taz | In Argentinien herrscht Ernährungsnotstand. Am Mittwoch | |
| votierte der Senat einstimmig für das sogenannte | |
| Lebensmittelnotstandsgesetz. Kernpunkt ist die Aufstockung der | |
| Lebensmittelhilfen für Arme und Notleidende um 10,5 Milliarden Peso bis zum | |
| Jahresende. Das Abgeordnetenhaus hatte bereits vergangenen Donnerstag ohne | |
| Gegenstimme bei einer Enthaltung dafür gestimmt. Regierung und Opposition | |
| hatten sich zuvor darauf verständigt. | |
| Mit dem Gesetz wird der bereits 2002 verhängte Ernährungsnotstand bis 31. | |
| Dezember 2022 verlängert. Von den nun zusätzlich bewilligten umgerechnet | |
| 170 Millionen Euro sollen Lebensmittel gekauft und für die Versorgung an | |
| öffentlichen Schulen, Essensausgabenstellen der Caritas sowie kommunaler | |
| Einrichtungen, aber auch den Volksküchen der Basisorganisationen aus dem | |
| informellen Sektor, die vor allem in den Armenviertel aktiv sind, | |
| bereitgestellt werden. Deren Mitglieder hatten bereits am Mittwochmorgen | |
| eine Mahnwache vor dem Kongressgebäude abgehalten. | |
| „Es ist ein tragischer Umstand, dass Argentinien Lebensmittel für 400 | |
| Millionen Menschen auf der Welt verkauft und wir nicht wissen, wie wir den | |
| Hunger von 15 Millionen Argentiniern stillen können“, sagte der | |
| oppositionelle Senator Carlos Caserio während der Aussprache im Kongress. | |
| Argentiniens Agrarproduzenten hatten in der vergangenen Saison eine | |
| Rekordernte eingefahren. Dass sich immer mehr Argentinier*innen keine drei | |
| Mahlzeiten am Tag mehr leisten können, hat denn auch nichts mit Mangel zu | |
| tun, aber viel mit der [1][sozialen und wirtschaftlichen Krise im Land]. | |
| 2018 lebten 32 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, so die | |
| Angaben der staatliche Statistikbehörde Indec. Die absolute Zahl lag bei | |
| 14,3 Millionen und damit rund 3 Millionen höher als 2017. Diese Zahl wird | |
| sich bis Jahresende zweifellos erhöhen. Was diesen Menschen besonders zu | |
| schaffen macht, ist die grassierende Inflation. 2018 lag die Teuerungsrate | |
| bei über 40 Prozent. Für 2019 wird mit einem Preisanstieg von über 50 | |
| Prozent gerechnet. | |
| Immer mehr Argentinier*innen werden von den steigenden Lebensmittelpreisen | |
| in ihren Supermärkten und kleinen Läden von einer ausreichenden Versorgung | |
| abgehängt. Das Gleiche gilt für die Volksküchen. Selbst bei einem | |
| Gleichstand der finanziellen Zuwendungen ist immer weniger im Kochtopf für | |
| immer mehr Menschen, die für eine Mahlzeit anstehen. | |
| ## Verheerende Bilanz | |
| Senator Fernando „Pino“ Solanas erinnerte in seiner Rede daran, dass „zum | |
| zweiten Mal in der jüngeren Geschichte das Abenteuer eines neoliberalen | |
| Projekts in Hunger, Unterernährung und einer riesigen Armut endet und heute | |
| 5 Millionen Argentinier nur einmal am Tag essen.“ Die wirtschaftliche und | |
| soziale Bilanz des konservativen Präsident Mauricio Macri fällt gut einen | |
| Monat vor der Präsidentschaftswahl verheerend aus. | |
| Um den Preisanstieg etwas abzumildern, hat die Regierung die Mehrwertsteuer | |
| bei einigen Grundnahrungsmitteln gestrichen. Seither müssen beispielweise | |
| Nudeln und Milch steuerfrei verkauft werden. Zugleich wurden die Preise für | |
| Diesel, Gas und Benzin an den Tankstellen bis Ende November eingefroren. | |
| Dem Druck der Ölmultis gegen diese Maßnahme hielt die Regierung aber nur | |
| bis Mittwoch stand. Mit dem Argument der steigenden Preise auf dem | |
| Weltmarkt [2][wegen des Anschlags auf Saudi-Arabien] kostet der Sprit seit | |
| Donnerstag 4 Prozent mehr. | |
| Allerdings ist auch nach der Zustimmung des Kongresses weiter offen, woher | |
| die aufgestockten 10,5 Milliarden Peso kommen sollen. Bisher ist nur | |
| bekannt, dass Kabinettschef Marcos Peña die nötigen Schritte einleiten | |
| soll, um das Geld aufzutreiben. Aus welchen Haushaltstöpfen er sie nimmt | |
| und welche Vorhaben dafür gestrichen werden, ist nicht bekannt. | |
| 19 Sep 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jürgen Vogt | |
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