| # taz.de -- Umweltbilanz von Elektroautos: Öko nur gegen Aufpreis | |
| > Der Opel Ampera ist das erste deutsche Elektroauto für den Alltag. Ein | |
| > neus Gutachten zeigt aber: Ohne Ökostrom sind Elektroautos eine | |
| > Klimabelastung. | |
| Bild: Bei diesem kleinen Elektroauto stimmt die Umweltbilanz vielleicht – be… | |
| BERLIN taz | Das Auto ist teuer, aber das grüne Gewissen gibt es gratis | |
| dazu: Die Kunden, die sich für mindestens 42.000 Euro den Opel Ampera, den | |
| letzten Schrei unter den Elektroautos, abholen, bekommen Ökozuspruch von | |
| der Regierung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betont gern die Wichtigkeit | |
| der Elektroautos für den Klimaschutz, Umweltminister Norbert Röttgen warnt, | |
| ohne sie könne der Verkehr seinen "notwendigen Beitrag zum Klimaschutz | |
| nicht bringen." Und Opel selbst preist in der Werbung für den Ampera, der | |
| im Februar als erstes für den Alltagsgebrauch gedachtes deutsches | |
| Elektroauto auf den Markt kommt, den "positiven Effekt auf den | |
| Klimaschutz". | |
| Der aber lässt sich nicht belegen. Im Gegenteil. Nach der bisherigen | |
| Entwicklung führt der Ausbau der Elektromobilität zu mehr Klimabelastung | |
| statt zum Klimaschutz, warnt jetzt ein Gutachten des Ökoinstituts, das für | |
| das Bundesumweltministerium erstellt wurde. "Die Klimabilanz von | |
| Elektrofahrzeugen ist nur dann ausgewogen, wenn zusätzliche Kapazitäten | |
| erneuerbarer Energien in den Strommarkt gebracht werden", heißt es in der | |
| Studie Optum (Optimierung der Umweltentlastungspotenziale von | |
| Elektrofahrzeugen): "Klimaschutz [gibt es] nur mit zusätzlichen | |
| erneuerbaren Energien." | |
| Für die Forscher ist außerdem klar: Das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 | |
| eine Million E-Autos auf deutsche Straßen zu bekommen, sei frühestens 2022 | |
| zu erreichen. Und der massive, staatlich geförderte Ausbau der Stromautos | |
| könne zwar bis 2030 die Treibhausgasemissionen des Verkehrs um 6 Prozent | |
| senken - aber mit effizienteren Benzinautos ließen sich 25 Prozent | |
| Reduktion erreichen. | |
| Das Gutachten kratzt am Lack der gemeinsamen Strategie von Bundesregierung, | |
| Stromkonzernen und Autoindustrie, die mit dem deutschen Elektroauto die | |
| Märkte der Zukunft besetzen wollen und die Subventionen von 500 Millionen | |
| Euro auch mit dem Klimaschutz begründen. Denn bis 2030, rechnet Optum, | |
| werden die E-Flitzer 2 Prozent des deutschen Stroms verbrauchen. Wenn der | |
| nicht aus zusätzlichen Wind-, Sonnen- oder Biogasanlagen kommt, erzeugen | |
| ihn Kohle- oder Gaskraftwerke, denn die Atomkraftwerke sind bis dahin in | |
| Deutschland längst abgeschaltet. | |
| Aber die Autobauer, die auf das E-Mobil setzen, kümmern sich kaum um die | |
| Lücke, die ihre Produkte beim grünen Strommarkt reißen werden. Nach einer | |
| Umfrage der taz bei den großen deutschen Autokonzernen ist von konkreten | |
| Planungen für zusätzliche erneuerbare Energien wenig zu sehen. Positive | |
| Ausnahmen: Daimler und Audi. | |
| ## Die EU schaut nur auf dem Auspuff | |
| Das Problem bei den angeblich sauberen Stromflitzern: Wie viel | |
| Treibhausgase ihr Treibstoff ausstößt, entscheidet sich daran, wie der | |
| Strom erzeugt wird. Im bisherigen deutschen Strommix sind die | |
| Batterie-Boliden nach Berechnungen des Instituts für Energie- und | |
| Umweltforschung (ifeu) nicht grüner als ihre spritfressenden Brüder und | |
| Schwestern: Sie stoßen in der Kompaktklasse etwa gleich viel Klimagift aus | |
| wie ein konventioneller Pkw. | |
| Trotzdem werben die Hersteller mit unvergleichlich niedrigen CO2-Werten. | |
| Beim Opel Ampera sind das nur 27 Gramm pro Kilometer, verglichen mit etwa | |
| 100 Gramm bei effizienten Verbrennungsmotoren. Diese Schönrechnerei ist | |
| völlig legal. Denn die einschlägige EU-Richtlinie schaut nur auf den | |
| Auspuff: Elektrisches Fahren gilt deshalb als Nullemission, egal wie viel | |
| Treibhausgase im Kraftwerk entstehen, das den Strom erzeugt. | |
| Die Hersteller und die Bundesregierung haben diese Achillesferse der | |
| Elektroautos erkannt. Sie betonen deshalb, nur grüner Strom mache aus dem | |
| E- ein Ö-Mobil. Doch wenn nicht gleichzeitig frischer grüner Strom auf den | |
| Markt kommt, verbrauchen die Elektroautos sauberen Strom, den sonst andere | |
| Kunden nachfragen, monieren die Experten von Ökoinstitut und ifeu. | |
| Um einen solchen Zubau von erneuerbarem Strom kümmern sich die | |
| Autohersteller bislang kaum. Opel bietet den Ampera-Käufern nur an, ihnen | |
| bei der Suche nach Anbietern von Ökostrom zu helfen. "Wir sind ein | |
| Autohersteller und können uns nicht um die Treibstoffe kümmern", sagt | |
| Patrick Munsch von Opel. "Das Fahren des Ampera ist CO2-neutral". Bei | |
| Benzin und Diesel frage auch niemand nach den Emissionen bei der | |
| Herstellung. | |
| ## Auto- und Energieindustrie wachsen zusammen | |
| Die Autokonzerne begreifen erst langsam, dass sich die Qualität ihrer | |
| Produkte inzwischen auch vom Treibstoff definiert. Mit der Elektromobilität | |
| wachsen die zwei ehemals sauber getrennten Branchen von Auto- und | |
| Energieindustrie zusammen. So hat BMW ehrgeizige Ziele, die Produktion | |
| seines elektrischen Cityautos i3 und des Hybridsportwagens i8 im Leipziger | |
| Werk völlig emissionsfrei zu organisieren. Die Bayerischen Autobauer planen | |
| dafür vier Windräder bei Leipzig, und die Karbonteile der Wagen sollen in | |
| den USA mit Wasserstrom gefertigt werden. | |
| Volkswagen bringt im nächsten Jahr den Golf und seinen neuen Kleinwagen Up | |
| als Elektroautos auf den Markt, konzentriert sich aber darauf, den | |
| CO2-Ausstoß in der Produktion bis 2020 um 40 Prozent zu drücken. Dafür | |
| sollen Solaranlagen, Windkraftanteile und Wasserstrom aus Österreich | |
| sorgen, insgesamt will der Konzern 1 Milliarde Euro in Erneuerbare | |
| investieren. "Für die Testflotte aus 80 Wagen haben wir den Testern die | |
| Möglichkeit gegeben, mit ihren Haushalten auf Ökostrom umzusteigen", sagt | |
| Ruth Holling von VW. "Einige haben das genutzt." Ob es einen Zubau von | |
| Erneuerbaren für die E-Mobile geben werde, sei aber bislang noch nicht | |
| entschieden. | |
| Die Konzerntochter Audi ist da schon weiter. Für einen "zweistelligen | |
| Millionenbetrag" erreichten die Autobauer aus Ingolstadt vier | |
| Offshore-Windkraftanlagen, die die Strommenge für 2.500 Audis mit Elektro- | |
| und Gasantrieb erzeugen sollen. Eine eigene Anlage soll aus dem | |
| überschüssigen Windstrom Methangas machen, um im Zweifel die Netze zu | |
| entlasten und die Gas-Audis zu befeuern, sagt Oliver Strohbach von Audi. | |
| "Die einzige echte Währung bei der CO2-Neutralität ist die Gesamtbilanz von | |
| Bau, Betrieb und Recycling des Autos, deshalb sorgen wir für zusätzlichen | |
| grünen Strom". Ende 2013 soll das System stehen, wenn der stromgetriebene A | |
| 1 und der Windgas-befeuerte A 8 auf dem Markt sind. | |
| Auch Daimler hat eine saubere grüne Bilanz angekündigt. Für die dritte | |
| E-Smart-Generation, die im Sommer ausgeliefert werden soll, wolle der | |
| Konzern zusätzlich Grünstrom erzeugen lassen und ins Netz speisen, sagt | |
| Matthias Brock von Daimler: "Wir wollen zeigen, dass es möglich ist, | |
| individuelle Mobilität mit einer Null-CO2-Bilanz zu organisieren." Der | |
| Konzern werde einen Schnitt errechnen, den die Smart-Käufer pro Jahr an | |
| Strom verbrauchen, und diese Menge grün herstellen. | |
| ## Spritfressender Fuhrpark aus Stuttgart | |
| Die Kosten für diese freiwilligen Maßnahmen tragen die Autobauer erst mal | |
| selbst: Audi kassiert für seinen Windstrom zwar die übliche Förderung nach | |
| dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG), Daimler lehnt das allerdings ab. | |
| Lob dafür gibt es vom ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub VCD: "Die | |
| Konzerne sollten diese zusätzlichen Stromangebote außerhalb der | |
| EEG-Förderung finanzieren, denn sonst kommt es zur Konkurrenz um Mengen und | |
| Flächen mit dem übrigen Grünstrom", sagt VCD-Experte Gerd Lottsiepen. Doch | |
| die Investition soll sich für Daimler und Audi auch noch anders | |
| amortisieren: im Imagegewinn, tatsächlich "grüne Mobilität" anzubieten, in | |
| der Hoffnung, in Zukunft den Kunden nicht nur Autos, sondern auch | |
| Treibstoff verkaufen zu können. Und durch das Abfärben der Ökomaßnahmen auf | |
| den immer noch fast vollständig großen, schweren und spritfressenden | |
| Fuhrpark aus Stuttgart und Ingolstadt. | |
| Die Bundesregierung jedenfalls, fürchtet der VCD, werde in Brüssel dafür | |
| kämpfen, dass sich die Hersteller von E-Autos diese Modelle auch in Zukunft | |
| gleich mehrfach positiv anrechnen lassen können, wenn es um den hohen | |
| Flottenverbrauch der Hersteller geht. | |
| 30 Jan 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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