# taz.de -- Tino Hanekamp über sein Stück "Born Rich": „Die Welt der Erben … | |
> Kommenden Donnerstag startet „Born Rich“ auf Kampnagel. Tino Hanekamp | |
> über das Reichsein, Luxusprobleme und eine Schauspielerin, die er mit | |
> einem Atomkraftwerk vergleicht. | |
Bild: "Mittelstandskinder wie wir": Maria Magdalena Ludewig und Tino Hanekamp. | |
taz: Herr Hanekamp, was ist Reichtum? | |
Tino Hanekamp: Vor allem eine Frage der Perspektive. Von einem | |
Flüchtlingscamp aus betrachtet oder einem Dorf im Südsudan sind wir alle | |
reich geboren. Einfach, weil wir in einem Land leben, in dem kein Krieg | |
herrscht, in dem man nicht hungern muss, in dem man zur Schule gehen kann | |
und zum Arzt. | |
Sind die Probleme, die in Ihrem Stück angesprochen werden, nicht auch | |
Luxusprobleme? | |
Das kann man so sehen. Es ist auf jeden Fall eine luxuriöse Situation, wenn | |
man die Wahl hat: Wo und was arbeite ich? Was esse ich? Was ziehe ich an? | |
Wo mache ich Urlaub? Ich kann zum Therapeuten gehen, um mich selbst zu | |
erforschen, weil ich die Zeit habe und die Möglichkeit. Ich kann mich | |
fragen, was ich mit meinem Leben anstellen will, mit diesem | |
Möglichkeitsraum. Damit kann ich mich beschäftigen – und dabei trotzdem | |
unglücklich sein. Gründe gibt’s genug, auch wenn man reich ist. Man muss ja | |
nur mal auf die Straße gehen. Oder in den Spiegel sehen. Zu sagen: „Das ist | |
ein Luxusproblem, also ist es kein Problem“, bringt einen auch nicht | |
weiter. | |
Wie kommt man dann auf die Idee, ein Stück über die Sorgen von reichen | |
Erben zu machen? Weil man sich in deren Sorgen so gut spiegeln kann. Das | |
hat eine Brennglasfunktion. Wir sind alle „Born Rich“. Und ich rede hier | |
nicht von den Geschundenen und Geknechteten, sondern von | |
Mittelstandskindern wie mir. Außerdem ist die Welt der Erben kaum | |
erforscht. | |
Wie haben Sie und Maria Magdalena Ludewig zusammengefunden? | |
Sie hat vor Jahren in meinem damaligen Club Uebel & Gefährlich ihr Stück | |
„Dream Girls“ aufgeführt. Da haben wir uns kennengelernt und angefreundet | |
und fanden, wir sollten mal was zusammen machen. Dann hatte sie die Idee zu | |
„Born Rich“ und hat mich gefragt, ob ich Lust hätte. So kam eins zum | |
anderen. | |
Es gibt nur eine Schauspielerin … | |
Ja, und die ist ein Atomkraftwerk. Sie kann quasi hundert Rollen auf einmal | |
spielen. Außerdem: Wenn man allein auf der Bühne steht, ist man | |
unweigerlich auf sich selbst zurückgeworfen. So geht’s den Reichen auch. Es | |
gibt weniger Entschuldigungen, die eigenen Möglichkeiten nicht zu nutzen. | |
… und die drei Hunde? | |
Dazu sag ich nichts. Das müssen Sie die Regisseurin fragen, die hat aber | |
gerade Probe. | |
Aber es ist ein Stück über die Erbengeneration? | |
Ja. Wir haben eine Person, die vielfach aufgefächert ist, um das Phänomen | |
von allen Seiten zu betrachten. Letztlich ein Mensch, der mit sehr viel | |
Geld geboren wurde, das von seinen Vorfahren stammt, und das er niemals | |
wird ausgeben können. Was macht das mit einem? Was bringt das mit sich, an | |
Möglichkeiten und Unmöglichkeiten? Und wie geht man damit um? Das ist eine | |
verborgene Welt, auf die viel projiziert wird, von der wir aber kaum etwas | |
wissen. 2003 zeigte Jamie Johnson, selbst Milliardenerbe, mit seinem | |
Dokumentar-Film „Born Rich“, wie es in dieser Welt aussieht. Das war damals | |
ein Tabubruch in den USA, weil er diese Welt von innen heraus beleuchtet | |
hat. Aber das Leben der Erben bietet auch eine hervorragende Spiegelfläche | |
für unser Leben. | |
Sie sagten, der Film „Born Rich“ habe damals ein Tabu gebrochen. Waren die | |
Reichen Deutschlands bereit, aus dem Nähkästchen zu plaudern? | |
Wir haben viele Leute kontaktiert, quasi Betroffene, haben ungefähr ein | |
Dutzend Interviews geführt. Die waren überraschenderweise sehr | |
auskunftsfreudig, weil sie das, glaube ich, gut fanden, dass es da ein | |
aufrichtiges Interesse gab an ihrer Lebensrealität. Außerdem war das ja | |
alles anonym. Viele ihrer Probleme fand ich sehr nachvollziehbar. Das Wort | |
Geldsorgen bekommt da auf jeden Fall noch mal eine ganz neue Bedeutung. Zu | |
Beginn dachte ich noch: „Ja dann gib’ mir doch das Geld, du armer Reicher!�… | |
Doch je länger ich mich damit beschäftige, desto weniger weiß ich, ob ich | |
das wirklich will. | |
## ■ „Born Rich“: 13.–16. März, jeweils 20 Uhr, Kampnagel | |
12 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Frida Kammerer | |
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St. Pauli | |
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