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# taz.de -- Tino Hanekamp, Gastronom und Autor: "Deckel drauf, weitergehen"
> Als Clubbetreiber arbeitet Tino Hanekamp im Hintergrund. Mit seinem
> Debütroman wird er nun zur öffentlichen Person. Ein Gespräch über
> Selbstzweifel, das Schreiben und das Wohnen im Grünen.
Bild: Selten mit sich zufrieden: Tino Hanekamp, Clubbetreiber und Autor.
taz: Herr Hanekamp, Sie betreiben in Hamburg sehr erfolgreich den Club
Uebel und Gefährlich und haben nun Ihren ersten Roman geschrieben. Warum?
Tino Hanekamp: Es schreibt doch jeder Idiot ein Buch. Jeder der drei Sätze
aneinanderreihen kann. Da kann ich doch auch eins schreiben. Außerdem hatte
ich irgendwann mal die Idee zu der Geschichte. Wenn unfertige Ideen so
lange liegen, dann kriegt man Krebs davon, glaube ich.
Krebs?
Ja, schätze ich. Also es fühlt sich nicht gut an. Und irgendwann muss man
raus damit.
Die Geschichte handelt von einem Clubbetreiber auf St. Pauli. Ihre
Geschichte?
Die Geschichte ist mir eingefallen, als mein erster Club, die Weltbühne, zu
Ende ging. Sie ist quasi aus der Not heraus geboren. Die Weltbühne sollte
abgerissen werden, wir hatten Schulden, ich wusste nicht, was ich danach
machen sollte, also dachte ich, schreibe ich halt ein Buch.
Inwiefern ist die Geschichte autobiografisch?
Wie die meisten Geschichten. Man schreibt über etwas, das man kennt. Vieles
ist erstunken und erlogen, vieles nicht, einiges ist autobiografisch und
einiges nicht autobiografisch. Aber es ist natürlich inspiriert von meinen
Erlebnissen.
Gegen das neue Buch der Hamburger Autorin Tina Uebel liegt eine
Unterlassungserklärung vor, weil sich jemand in dem Roman erkannt haben
will. Haben S&ie mit dem Leuten, die in Ihrem Buch vorkommen, vor der
Veröffentlichung gesprochen?
Naja, manche gibt es ja gar nicht und mit den anderen habe ich nicht
gesprochen. Es kommt ja keiner schlecht weg.
Das finden Sie.
Es gibt ja nur zwei bis drei Personen, die ihren echten Namen und kleine
Parts haben und manche haben auch nicht ihren echten Namen. Denen habe ich
gesagt, dass sie im Buch vorkommen. Und einen habe ich kritischen Stellen
lesen lassen. Außerdem wäre ein Skandal ist doch spitze. Das bringt ja auch
Presse.
Werden Sie weitere Bücher schreiben?
Es war zwar die Hölle, das Buch zu schreiben, aber irgendwie auch toll,
also immer ein Hoch-und-runter. Ich werde es zumindest versuchen.
Warum war das Schreiben die Hölle?
Man sitzt alleine herum und hat das Gefühl, man kann das nicht. Und das,
was man im Kopf hat, ist natürlich nicht das, was auf dem Papier letztlich
stehen soll. Es fühlt sich so an, als würde man jeden Abend in den Boxring
steigen. Ich wusste nicht, ob ich da stehend herauskomme oder kriechend.
Und dann stellt man sich die Frage: Braucht die Welt noch ein Buch, und
braucht sie das von mir. Da ist man schnell mit zweimal nein am Start.
Und wie haben Sie sich die Frage dann schlussendlich doch mit ja
beantworten können?
Du kannst nicht immer wieder daran scheitern, mach es einfach fertig und
dann ist es vorbei und gut. Deckel drauf, tschüss, weitergehen.
Und wie fühlt sich das an, dass das Buch am 14. März erscheint?
Das Stadium der totalen Scham habe ich überwunden, hin zu einem Gefühl
einer latenten Gleichgültigkeit. Ich bin ein wenig nervös, wenn es um die
Lesereise geht. Auf einmal ist man eine öffentliche Person und muss über
sich reden, das war vorher nicht der Fall und das fühlt sich nicht so
richtig gut an.
Aber das Interesse an Ihnen war doch bestimmt schon vorher da.
Als wir den Club gemacht haben, wollten wir ja auch nicht auf irgendwelchen
Pressefotos sein, es ging immer um den Hintergrund. Wir machen etwas für
andere Leute, es geht nicht um uns, nicht um mich.
Wie sind Sie Clubbetreiber geworden?
Das war ein Unfall, eigentlich wollte ich Barkeeper werden. Ich war vorher
Musikjournalist und das Thema war dann aber für mich durch. Ich hatte
einfach keine Fragen mehr und wollte wieder wie ein normaler Mensch Musik
konsumieren. Und dann hab ich einen Freund gefragt, ob ich nicht hinterm
Tresen arbeiten kann, bis mir was Besseres eingefallen ist. Ich hing ja eh
ständig in Kneipen und Clubs rum, warum dann nicht auch mal ein Bier über
den Tresen schieben. Und dann wusste er von dem Raum im Nobistorgebäude und
dann haben wir da die Kneipe eröffnet, die aber dann ein Club wurde.
Die Weltbühne, die dann abgerissen wurde.
Ja, glücklicherweise. Also Pech für die Welt, Glück für uns, weil wir
finanziell, physisch und psychisch total abgerissen waren. Man hängt da
ständig rum, konsumiert Alkohol, sieht kaum noch Tageslicht und es ist ein
sehr aufreibendes Gewerbe. Es ist auch sehr ungesund und nach zwei Jahren
bist du dann einfach durchgerockt. Dann hat Wolf, mein jetziger Partner und
damaliger Vermieter, diesen Raum hier im vierten Stock des Bunkers an der
Feldstraße gefunden und gefragt, ob wir das Uebel und Gefährlich mit ihm
machen wollen. Und wir sagten, ne ne, lass uns bloß in Ruhe damit. Aber als
ich die Pläne gesehen habe, was das für ein Größenwahnsinn ist, und es war
klar, das kann nicht funktionieren, da konnten wir nicht nein sagen. Die
Herausforderung war zu groß, als dass man sie nicht hätte annehmen können.
Dinge, die riskant sind, faszinieren Sie?
Hängt die Hürde hoch, freut sich der Sprung. Irgendetwas zu machen, von dem
man weiß, easy, das kriege ich hin, ist doch irgendwie langweilig. So einen
Laden gab es nicht. Plötzlich war da ein großer Freiraum, den konnte man
bespielen und wusste, wenn wir das nicht machen, dann macht es jemand
anders oder gar niemand.
Also keine Angst vorm Risiko?
Nein, aber ich fühle das Risiko nicht. Was soll ich denn schon verlieren?
Im schlimmsten Fall bist du pleite und krank. Und dann wirst wieder gesund
und kannst wieder Geld verdienen. Wovor sollen Leute wie wir denn Angst
haben? Wir sind gesund, wir sind nicht entstellt, wir sind geistig
einigermaßen am Start. Wir werden nicht erschossen, wir werden nicht
verhungern, wir werden nicht mal auf der Straße landen, wenn wir uns nicht
total blöd anstellen.
Und der neue Club macht Sie nicht kaputt?
Es hat sich vieles geändert, weil das Uebel und Gefährlich größer ist. Es
gibt größere Veranstaltungen und damit ist auch der ganze Apparat größer
und man kann viel mehr Leute beschäftigen, die einem helfen. Ich würde
nicht sagen, dass es jetzt weniger Arbeit ist als damals, aber man ist
jetzt nicht mehr Barkeeper und Kassenmensch und blablabla in Personalunion.
Außerdem hat man nach ein paar Jahren auch ein bisschen gelernt, mit seinen
Energien zu haushalten und weiß, dass man sich nicht jeden Abend betrinken
muss, nur um ein guter Gastgeber zu sein. Und darum bin ich auch nach
Moorfleet gezogen, da ist es ein bisschen grüner und mehr Sauerstoff und
so.
Um ruhiger zu werden?
Um ein Gegengewicht zu schaffen. Wenn du die ganze Zeit in diesem Wahnsinn
hier bist, dann wirst du selbst irre. Außerdem ist es schön absurd, wenn
man nachts um fünf aus dem Club kommt und hier ist eine schöne Party und
der Wahnsinn und dann fährst du da raus und die Sonne geht auf und
irgendwelche Möwen schwirren da rum, das ist doch toll.
Was sind Ihre Ziele für die nächste Zeit? Kinder?
Geplant ist da nichts. Als Mann mit 31 tickt noch keine biologische Uhr.
Außerdem hab ich ja zwei Hunde und die sind ja bekanntlich Blitzableiter.
Ich möchte einigermaßen würdevoll die Lesungen überstehen und vielleicht
noch ein zweites Buch schreiben, das besser ist als das erste und
versuchen, dass der Club gehalten werden kann.
Der, wie Sie schreiben, beste Club der Welt.
Ja. Aber ich glaube, da steht ein "äh" davor. Also ist die Ironie ja etwas
verdeutlicht worden. Außerdem kenne ich ja gar nicht alle Clubs der Welt
und ich bin sicher, dass es noch welche gibt, die viel, viel besser sind.
Trotzdem bewundere ich viele Künstler und Bands und wenn die hier plötzlich
auftreten, dann bin ich schon gelegentlich erstaunt.
Jetzt gehen Sie auf Lesereise und sind vielleicht selbst der, der bewundert
wird.
Das wird sich noch herausstellen. Nur nicht zu ernst nehmen lautet die
Devise. Alles was von außen kommt, sollte man nicht zu ernst nehmen. Das
kann man auch nicht steuern, und es ist vergänglich und nicht wichtig und
beunruhigt mich nicht.
Was beunruhigt Sie dann?
Ach, mich beunruhigt nichts großartig. Ich bin halt nie zufrieden mit dem,
was ich mache. Es ist alles immer nur die Hälfte von dem, was man sich
erträumt hat. Ich denke immer: das hättest du jetzt anders machen können,
da hättest du jetzt klüger antworten können, da solltest du jetzt mal
schlauer sein. Man schämt sich doch ständig für sich selbst. Und ich weiß
nicht, ob das irgendwann weggehen muss. Es ist dann bestimmt entspannter.
7 Mar 2011
## AUTOREN
Annika Stenzel
## TAGS
Hörspiel
Theater
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