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# taz.de -- Streit um Stadttheater: Rolle rückwärts in Halle
> Ein Streit über Ästhetik und ein Streit um Macht: In Halle muss der
> Intendant Florian Lutz trotz Erfolgen nach wenigen Spielzeiten wieder
> gehen.
Bild: So stellten sich die heutigen Gegner im Jahr 2016 vor: Florian Lutz (3. v…
Der Knoten ist geplatzt: In der nicht öffentlichen Aufsichtsratssitzung des
Theaters Halle hat am vergangenen Freitag das Gremium gegen eine
Vertragsverlängerung des Opernintendanten Florian Lutz votiert. Der zuvor
lange in der Öffentlichkeit ausgetragene Kampf zwischen der Opernleitung
und der Geschäftsführung scheint nun entschieden.
Allerdings stellt sich der parteilose Oberbürgermeister Bernd Wiegand mit
einer verblüffend scharfen Stellungnahme erneut vor den geschassten
Intendanten und greift die Gegenseite frontal an mit den Worten: „Die
Reaktionen auf seine neuen Ideen jedoch waren gnadenlos: Konflikte wurden
zugespitzt, falsche Tatsachen verbreitet, Buhrufe organisiert – das volle
Programm, wenn es darum geht, Unfrieden zu stiften.“
Das riecht nach einem Nachspiel. Aber wie konnte es so weit kommen? Als
Florian Lutz und sein Leitungsteam 2016 ihre Arbeit in Halle aufnahmen,
hatten sie von der Politik den ausdrücklichen Auftrag, das Haus zu
modernisieren und mit innovativen Konzepten auch ein jüngeres Publikum zu
mobilisieren.
Wer ein Theater verändern soll, braucht erstens Vertrauen und zweitens
Zeit. Um beides musste das Leitungsteam aber schon kurz nach seinem Start
immer wieder kämpfen. Dabei ließ es sich bestens an: Die in der ersten
Spielzeit installierte Raumbühne „Heterotopia“ – man kann zum Beispiel e…
Wagneroper vom Bett aus anschauen – sahnte sozusagen aus dem Stand den
Faust-Theaterpreis ab, die überregionale Presse applaudierte, die
ambitionierte Ästhetik der Inszenierungen sorgte für Gesprächsstoff, aber
natürlich auch für Skepsis.
## Ungläubige, betroffene Kommentare
Und dann formierte sich im Haus Widerstand, wobei sich Geschäftsführer
Stefan Rosinski rasch öffentlich gegen die Opernleitung positionierte. Darf
man dem Oberbürgermeister glauben – mit unfairen Mitteln. Fakt ist, dass
einer der gebetsmühlenartig wiederholten Anwürfe gegen die Opernleitung
nicht stimmt, nämlich dass die Publikumszahlen rückläufig seien.
Die vom Haus selbst publizierten Zahlen sprechen eine andere Sprache, denn
die verzeichnen in der ersten Spielzeit des neuen Teams zwar ein deutliches
Minus von etwa 10.000 Besuchern, aber einen Aufwärtstrend in der
vergangenen Spielzeit und in der laufenden bis Mitte Februar sogar einen
markanten Zuwachs. Ein Niedergang sieht anders aus.
Was also sind die wahren Gründe für den Rauswurf des umstrittenen, aber
zweifellos erfolgreichen Opern-Teams? Vor Ort ist die Stimmung aufgeheizt
und diffus. Aber die Dramaturgie scheint perfekt, als sich am Freitagabend
wenige Stunden nach Bekanntgabe des Votums des Aufsichtsrats der Vorhang
zur Premiere von Richard Strauss’ Oper „Ariadne auf Naxos“ hebt.
Die personalpolitische Entscheidung hat sich herumgesprochen, in der Pause
schnappt man ungläubige, betroffene Kommentare auf. Von Premierenbesuchern
in den besten, durchaus vorgerückten Jahren. Die sich nämlich keineswegs
alle abgewandt haben. Spricht man mit Hallenser Kollegen, hört sich das
ganz anders an als in den Vorwürfen. Es kämen neue Gesichter, auch viele
jüngere, aber die älteren seien keineswegs weg, es gäbe sogar glühende Fans
unter den Alt-Abonnenten, berichten die Kollegen.
## Demonstrative Begeisterung
Als hätte man’s geahnt, geht es in „Ariadne“ genau um die zentralen Frag…
des Hallenser Opernkriegs: nämlich um die Freiheit der Kunst und darum, wie
weit Geldgeber in die Kunst hineinregieren dürfen. Darum, wie ernst Kunst
sein darf oder ob sie vielleicht doch besser nur unterhalten sollte? Und es
geht in „Ariadne“ auch um Theater-Querelen.
Und das alles nun wird serviert von Regisseur Paul-Georg Dittrich, der die
konstruierte Handlung kunstvoll auf mehreren Ebenen und mit laufend
einander sich überbietenden Brüchen erzählt. Eine intelligente Regiearbeit,
die sich ästhetisch einfügt in die neue Hallenser Dramaturgie, die
angeblich vom Publikum nicht gewünscht ist.
Beim Schlussapplaus aber ist die Begeisterung geradezu demonstrativ. Wie
immer ist Geschäftsführer Stefan Rosinski, der sich nun am Ziel wähnen
dürfte, nicht unter den Premierengästen. In der Stellungnahme der
Opernleitung zur Entscheidung heißt es, polemisch überspitzt: „Wir bedauern
natürlich, dass heute in einer denkbar knappen Abstimmung die Entscheidung
in Richtung eines Generalintendantenmodells unter der Leitung von
Geschäftsführer Stefan Rosinski gefällt wurde.“
Rosinskis schillernde Karriere weist einige Stationen auf, (unter anderem
Berliner Opernstiftung und Volksbühne), an denen sein Wirken von Unruhe und
Konflikten begleitet war, auch diesmal ist sein unverhohlener Machtpoker
öffentlich kritisiert worden (Schauspielchef Matthias Brenner beklagte
„Übergriffigkeit, Vertrauensbruch und Störung des Betriebsfriedens“).
## Kulturpolitische Zwischenrufe der AfD
Er kann nun aber als Sieger vom Platz gehen, weil sein Dauer-Störfeuer
Ressentiments und politische Instinkte weckte. Aus dem Orchester, das mit
über 100 Köpfen das größte Kollektiv im Haus stellt, kam kurz vor der
Aufsichtsratssitzung ein öffentlicher Brief des Orchestervorstands, der für
ein Ende der Ära Lutz votierte und beklagte, die Regie-Experimente ließen
die Musik zur Nebensache werden. So klingen wertkonservative
Werktreue-Verfechter. Was von dieser Klientel gewünscht ist, weiß man auch
von kulturpolitischen Zwischenrufen der AfD.
Im Mai stehen in Sachsen-Anhalt Kommunalwahlen an. Sowohl die CDU als auch
die SPD fürchten erdrutschartige Verluste zugunsten eines Erstarkens der
AfD. Diese politische Großwetterlage spielt wohl auch hinein in den
Hallenser Theaterkrieg.
28 Feb 2019
## AUTOREN
Regine Müller
## TAGS
Theater
Halle
Florian Lutz
Sachsen
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