| # taz.de -- Streit um Fußball-WM in Brasilien: "Pelé redet nur Scheiße" | |
| > Stürmerikone Pelé bekommt von Stürmerikone Romário sein Fett weg. Der | |
| > Sportminister meint: "Die Fifa ist keine Fußball-Nato". Im WM-Land von | |
| > 2014 geht es rund. | |
| Bild: Verfeindete brasiliansche Stürmerlegenden: Romario (l.) und Pele. | |
| PORTO ALEGRE taz | Der "König" bekam sein Fett ab: "Pelé redet nur | |
| Scheiße", sagte Romário, "er hat keine Ahnung, was im Land läuft, er soll | |
| das Maul halten." Vielleicht bekomme Pelé Geld vom brasilianischen | |
| Fußballverband CBF, fügte der Weltmeister von 1994 hinzu, der als | |
| sozialistischer Bundesabgeordneter zum härtesten Fifa-Kritiker im Lande | |
| geworden ist. | |
| Letzte Woche waren die Emotionen wieder hochgekocht. Jérôme Valcke, | |
| Generalsekretär des Weltverbands, war gekommen, um sich über den Stand der | |
| WM-Vorbereitungen in Brasilien zu informieren. Der Franzose über den | |
| "albtraumhaften Verkehr" in São Paulo und schaltete sich in die Debatte | |
| über das "Allgemeine WM-Gesetz" ein, mit dem die Rechte der Fifa für die WM | |
| 2014 geregelt werden sollen. | |
| "Die Fifa ist keine Fußball-Nato, Brasilien kein französisches | |
| Protektorat." Aldo Rebelo, Kommunist und neuer Sportminister, versuchte das | |
| Fußballvolk zu beruhigen, obwohl Valcke hart geblieben war: Tickets zum | |
| halben Preis für Schüler, Studenten und Rentner, wie das in Brasilien | |
| Gesetz ist, lehnt die Fifa weiter ab. | |
| Allenfalls sei man bereit, bei den Vorrundenspielen zehn Prozent der Karten | |
| zum Sonderpreis von 25 Dollar bereitzustellen, sagte der Franzose in | |
| Brasília. Die meisten Abgeordneten waren mit dieser "Sozialquote" | |
| zufrieden, nur Romário bezeichnete sie als "Ablenkungsmanöver". | |
| ## Romário Kampf gegen den Staat im Staate | |
| Auch im Streit um den in Brasiliens Stadien illegalen Bierausschank setzte | |
| sich die Fifa durch. Mit Blick auf seine Abgeordnetenkollegen meinte | |
| Romário: "Ich bekomme weder Geld von der Fifa noch vom CBF oder von AmBev, | |
| jenem brasilianischen Brauereikonsortium, zu dem mittlerweile der | |
| Fifa-Sponsor Budweiser gehört. "Ich werde dafür kämpfen, dass die Fifa | |
| keinen Staat in diesem Staat aufbaut", sagte Romário in der | |
| Ausschusssitzung des Abgeordnetenhauses, in der er Valcke und CBF-Boss | |
| Ricardo Teixeira hart anging. | |
| Jérôme Valcke fragte er, ob er schon einmal Bestechungsgelder angenommen | |
| habe und warum ihn Fifa-Chef Sepp Blatter 2001 in einem Brief als | |
| "Erpresser" bezeichnet hatte. Dazu hatte sich der schottische BBC-Reporter | |
| Andrew Jennings, mit dem Romário zusammenarbeitet, Ende Oktober vor einem | |
| Senatsausschuss geäußert: Als Angestellter einer Firma, die an der | |
| Konkursmasse des Sportvermarkters ISL interessiert war, habe Valcke | |
| ISL-Zahlungen an Fußballfunktionäre in Millionenhöhe entdeckt und Blatter | |
| damit konfrontiert. Der Fifa-Boss reagierte und machte Valcke 2003 zum | |
| Marketingdirektor des Verbands. | |
| Auch CBF-Präsident Ricardo Teixeira, der von der ISL Schmiergelder in Höhe | |
| von 9,6 Millionen Dollar kassiert haben soll, wurde vom Duo | |
| Romário/Jennings im Senatsausschuss in die Zange genommen. Romário fragte | |
| ihn nach einem Deal mit der Schweizer Justiz, die den Begünstigten gegen | |
| eine "Wiedergutmachungszahlung" von 5,5 Millionen Franken Anonymität | |
| zugesichert hat. Zwei der Begünstigten sollen Teixeira und dessen | |
| Exschwiegervater, der 95-jährige Ex-Fifa-Chef João Havelange, sein. Von | |
| Teixeira wollte Romário wissen, ob er als Verbandschef zurücktreten werde, | |
| sollte sich das bewahrheiten. | |
| ## Die Vetternwirtschaft Joseph Blattes | |
| Zu antworten bräuchten die Funktionäre nicht, befand der | |
| Ausschussvorsitzende. "Ein Zirkus!", reagierte Romário. Den Senatoren hatte | |
| Jennings prophezeit, innerhalb der nächsten zwölf Monate werde das | |
| Bundesgericht in Lausanne die Veröffentlichung der Abmachung anordnen: | |
| "Dann wird Ihre WM von einem riesigen internationalen Skandal | |
| überschattet." | |
| Auf Romários Website legte Jennings nach und enthüllte Blatters jüngstes | |
| Geschäft: Demnach schanzte die Fifa der Firma Match Hospitality 450.000 | |
| teure Tickets für die WM 2014 zu, trotz deren "katastrophalem Auftritt" bei | |
| der vergangenen WM. In Südafrika blieb das Unternehmen, das bereits seit | |
| 1986 für die Fifa tätig ist und an dem Blatters Neffe Philippe einen | |
| fünfprozentigen Anteil hält, auf vielen seiner überteuerten Luxuspakete | |
| sitzen und fuhr einen Verlust von rund 50 Millionen Euro ein. | |
| In Brasilien ist das Medienecho auf die Bemühungen von Romário und Jennings | |
| verhalten, Marktführer Globo ist seit Jahr und Tag mit Teixeira verbandelt. | |
| Auch von Präsidentin Dilma Rousseff ist wenig zu hören - dieser Tage droht | |
| bereits ihr sechster Minister über Korruptionsvorwürfe zu stolpern. Dass | |
| sie den Sympathieträger Pelé zum WM-Ehrenbotschafter ernannte, mag gut fürs | |
| Image sein. Die krummen Geschäfte Teixeiras, der Fifa, der Baubranche oder | |
| der regionalen Führungseliten laufen derweil weiter. | |
| ## Fifa-Recht vor nationalem Recht | |
| Über die Motive von Romários Engagement wird viel spekuliert. Pelé hatte | |
| ihm persönliche Rachegefühle gegen Teixeira unterstellt. "Baixinho", der | |
| Kleine, habe noch immer nicht verwunden, dass er 2002 nicht in den WM-Kader | |
| aufgenommen wurde. Bestätigt dürfte sich der streitbare Abgeordnete aber | |
| bei der Lektüre des selbstgefälligen Briefs an die "lieben Fußballfreunde" | |
| gefühlt haben, den Jérôme Valcke nach seiner Rückkehr aus Brasilien auf | |
| [1][fifa.com] veröffentlicht hat. | |
| Da schwadroniert er über die Suche nach einer "maßgeschneiderten Lösung" | |
| für Brasilien, tut so, als finanziere die Fifa und nicht der brasilianische | |
| Staat das Großevent und führt schließlich mit folgendem Zitat Pelé als | |
| Kronzeugen ins Feld: Bei der WM-Vergabe habe sich Brasilien verpflichtet, | |
| "das entsprechende Reglement der Fifa zu akzeptieren, das den nationalen | |
| Gesetzen des Ausrichterlandes übergeordnet ist". | |
| Über Andrew Jennings sagt Valcke: "Der redet seit zehn Jahren über die Fifa | |
| und wird dies auch weiterhin tun. Das raubt mir nicht den Schlaf." Doch in | |
| Brasilien geht die Debatte weiter: Nun wird darum gestritten, ob der | |
| Umkreis der Stadien tatsächlich exklusives Revier der Sponsoren und Inhaber | |
| teurer Fifa-Lizenzen wird. | |
| 18 Nov 2011 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://fifa.com | |
| ## AUTOREN | |
| Gerhard Dilger | |
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