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# taz.de -- Deutschland - Niederlande: Oranje völlig überfordert
> Selten sahen die Niederländer gegen Deutschland so schlecht aus. Man habe
> "nahe an der Perfektion" gespielt, meint Sami Khedira - und drei
> wunderschöne Tore geschossen.
Bild: Miroslav Klose (l.) erzielt unter den bewundernden Blicken der niederlän…
HAMBURG taz/dpa | Eine Viertelstunde vor Schluss stand das Spiel der
deutschen Mannschaft kurz auf der Kippe. Manuel Neuers Hackentrick gegen
Klaas-Jan Huntelaar und Mesut Özils Beinschuss gegen Mark van Bommel
wirkten einen Tick zu frech, doch schnell wurde klar: Hier brach sich keine
Überheblichkeit Bahn, sondern nur Übermut und pure Spielfreude.
Bei Özil stellte sich zusätzlich der Verdacht ein, er habe eine Stunde lang
geduldig auf diese Gelegenheit gewartet, es dem holländischen Grobmotoriker
heimzuzahlen, der in der Anfangsphase mit gestreckten Beinen
gemeingefährlich in ihn hineingesprungen war.
Verkehrte Welt. Die Holländer, jahrzehntelang der Inbegriff schöner, wenn
auch oft brotloser Fußballkunst, müssen die deutschen Mittelfeldspieler
gleich reihenweise foulen, um deren Angriffswirbel einigermaßen unter
Kontrolle zu halten.
Und die deutsche Nationalmannschaft, deren Tugenden früher Wille und
Einsatz hießen, stellt nach hinten intelligent die Laufwege zu und zaubert
vorne leichtfüßige Ballstafetten auf den Platz, die auch noch effektiv
abgeschlossen werden. "Wir haben die Holländer bissel auseinandergenommen",
beschrieb das Miroslav Klose.
## Fatale Wirkung der Vizeweltmeisterschaft
Während das Löw-Team sich seit der WM 2006 kontinuierlich weiterentwickelt
hat, sind die Niederländer stehen geblieben. Sie vertrauen, ähnlich wie die
Argentinier und Brasilianer, ihren großartigen Individualisten wie Wesley
Sneijder oder dem diesmal fehlenden Arjen Robben. Die stehen aber gegen so
gut organisierte Mannschaften wie die deutsche oder die spanische auf
verlorenem Posten. Die Vizeweltmeisterschaft 2010 könnte für die Holländer
ähnlich fatale Wirkung haben wie die deutsche im Jahr 2002. In dem sie über
die wahre Leistungsstärke hinwegtäuscht und Veränderungen blockiert.
Hollands Trainer Bert van Marvijk war nach dieser Vorstellung sichtlich
geschockt. "Das war für uns ein peinliches Spiel", sagte er und fand gar
kein Ende darin, die Vorzüge des Nachbarn zu preisen. "Deutschland war
unglaublich stark im Umschalten", lautete sein Kernsatz.
Am schnellsten schaltete Manuel Neuer in einer Szene Mitte der zweiten
Halbzeit um. Unmittelbar nachdem er den Ball aufgenommen hatte, schlug er
ihn zentimetergenau in den Lauf von Mesut Özil, der allein auf dem Weg zum
gegnerischen Tor war. Eine Variante, die die beiden Ex-Schalker schon in
der Schalker Jugend und der U21-Nationalmannschaft trainiert haben.
## "Und Schweinsteiger und Lahm waren nicht einmal dabei"
Gestern standen insgesamt sieben Spieler aus der
U21-Europameistermannschaft von 2009, die sich seit Jahren aus den
DFB-Nachwuchsteams kennen, auf dem Platz. Zusammen mit den älteren
Führungsspielern wie Per Mertesacker und Miroslav Klose sowie den noch
jüngeren wie Mario Götze, Holger Badstuber und Toni Kroos ist eine Einheit
gewachsen, deren Spielzüge teilweise so perfekt einstudiert wirken wie die
der sowjetischen Eishockey-Nationalmannschaft der 70er Jahre. "Und
Schweinsteiger und Lahm waren nicht einmal dabei", stöhnte van Marwijk.
Nach dem Experiment mit einer extrem offensiven Dreierkette gegen die
Ukraine kehrte Jochim Löw gegen die Niederlande wieder zum Basis-System
(4-2-3-1) zurück. Auf die erwartete Variante mit zwei Spitzen verzichtete
Löw, um das Zentrum mit Kroos, Khedira und Özil stark zu machen und den
holländischen Kreativspielern den Raum zur Entfaltung zu nehmen. Genau das
gelang, und nach vorne bildeten sich wie bei den drei Treffern durch
Müller, Klose und Özil immer wieder neue Dreiecke, die blitzschnelle
Kombinationen in die Spitze spielten.
Für so ein System braucht man einen spielstarken Mittelstürmer wie Miroslav
Klose, der eines seiner besten Länderspiele machte, an allen drei Toren
beteiligt war und auch nach hinten unermüdlich arbeitete " Man hat gesehen,
dass er einfach für die Mannschaft gut ist. Er ist variabel, torgefährlich,
schnell", schwärmte Löw.
So blieb an einem Abend, der nach Sami Khediras Meinung "nahe an der
Perfektion" war, nur ein kleiner Wermutstropfen: Es sind noch sieben Monate
hin bis zur EM. "Bis dahin kann viel passieren", sagte der Bundestrainer.
Aber sicher nicht so viel, dass das deutsche Team nicht auch dann noch als
Topfavorit neben Spanien nach Polen und in die Ukraine fährt.
Die deutsche Mannschaft in der Einzelkritik
Manuel Neuer: Kaum gefordert, aber immer souverän.
Jérome Boateng: Löws erste Option hinten rechts. Der Münchner ließ Ryan
Babel hin und wieder zu viel Raum. In der Luft nicht zu bezwingen.
Per Mertesacker: Der Abwehrchef muss aufpassen. Ermöglichte Huntelaar die
erste Chance für die Niederländer (3.). Einige Stellungsfehler. Strahlte
keine Sicherheit aus.
Holger Badstuber: Der Münchner stand sehr sicher. Abgeklärt in der
Defensive, mit Übersicht im Aufbau. In dieser Form ist er ein
unumstrittener Stammspieler.
Dennis Aogo: Der Hamburger ließ in seinem Heimspiel links nichts anbrennen.
Will unbedingt als Back-up von Kapitän Lahm zur EM. Im Glück beim
unabsichtlichen Handspiel im Strafraum (58.).
Sami Khedira: Überragend im Zweikampf, eroberte viele Bälle. Starke Abwehr
gegen Kuyt (31.). Auch offensiv energisch, abgeblockt beim aussichtsreichen
16-Meter-Schuss (6.).
Toni Kroos: Der Gewinner des Jahres. Schweinsteiger verletzte sich, Kroos
übernahm. Sein genialer Diagonalpass leitete das 1:0 ein.
Thomas Müller: Der WM-Torschützenkönig ist sehr gut drauf. Zehntes
Länderspieltor (15.), Vorbereiter des 2:0 und 3:0. Brillierte im Duett mit
Özil. Als Einziger in allen 13 Spielen des Jahres dabei.
Mesut Özil: Ein echter Spielmacher, nur mit Fouls zu stoppen. Brillante
Torflanke auf Klose. Der Real-Star krönte seine Leistung mit dem
Doppelpass-Treffer zum 3:0.
Lukas Podolski: Der Kölner zündete im 95. Länderspiel lange nicht. Oft
nicht einbezogen ins Spiel. Arbeitete sehr diszipliniert nach hinten.
Miroslav Klose: Ein überragender Kapitän. Der Senior demonstrierte als
einzige Spitze seine ganze Klasse. Er bereitete zwei Tore vor und machte
ein großartiges Kopfballtor (26.). Weiter Nummer eins vor Gomez.
Mats Hummels: Der Dortmunder kam für Badstuber (46.). Fügte sich nahtlos
ein. Sehr aufmerksam, resolut im Zweikampf.
Mario Götze: Der Dortmunder durfte sich 25 Minuten auf dem linken Flügel
zeigen. Wie zuvor Podolski zu wenig eingebunden. Startete noch einige
Dribblings.
Benedikt Höwedes: Legte nach seiner Einwechslung (65.) gleich einen
rasanten Flankenlauf hin. Mehr im Vorwärts- als Rückwärtsgang.
Marco Reus, Simon Rolfes und Lars Bender spielten noch einige Minuten,
konnten aber keine Akzente mehr setzen.
16 Nov 2011
## AUTOREN
Ralf Lorenzen
## TAGS
Fußball-WM 2014
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