# taz.de -- Sternmarsch in Argentinien: Strom, Wasser, Gas – alles zu teuer | |
> Die Preise steigen, aber der Protest wächst ebenfalls an: In Buenos Aires | |
> demonstrieren 300.000 Menschen gegen die Politik des Präsidenten Mauricio | |
> Macri. | |
Bild: Teilnehmer des Sernmarsches in Buenos Aires, 1. Juni 2018 | |
Buenos Aires taz | Am Freitag demonstrierten in der argentinischen | |
Hauptstadt Buenos Aires 300.000 Menschen gegen die Politik des | |
rechtskonservativen Präsidenten Mauricio Macri. In einem Sternmarsch zogen | |
sie auf die Plaza de Mayo vor den Präsidentenpalast. | |
Der „Marsch für Brot und Arbeit“ war bereits am Montag in fünf Provinzen | |
gestartet. Aufgerufen hatten soziale Organisationen aus dem informellen | |
Sektor. Der macht je nach Schätzung zwischen 40 und 50 Prozent der | |
Wirtschaftsleitung des Landes aus und zeigte sich gut organisiert. | |
Zudem trug die Regierung kräftig zur Mobilisierung bei. In der Nacht zum | |
Donnerstag beschloss der Kongress ein Gesetz, mit dem die Tarife für Gas, | |
Wasser und Strom auf den Stand von November 2017 gesenkt und zukünftige | |
Steigerungen an Inflation und Lohnerhöhungen gekoppelt werden sollten. Doch | |
noch bevor der Kongress mit der Stimmenmehrheit der Opposition das Gesetz | |
verabschiedete, hatte Macri sein Präsident-Veto unterschrieben. | |
Für die Regierung steht [1][die Haushaltsanierung über allem]. | |
Gebetsmühlenhaft wird darauf verwiesen, dass in den zwölf Jahren der | |
Vorgängerregierung die Tarife mit Hilfe staatlicher Subventionen | |
eingefroren waren und ein immer größeres Loch in der Kasse verursacht | |
hatten. | |
## Stimmen der Betroffenen | |
„Das Veto zeigt die absolute Unfähigkeit dieser Regierung zum Dialog und | |
ihre mangelnde Sensibilität für das Leiden von denen, die diese Tarife | |
nicht mehr bezahlen können,“ kommentierte Juan Grabois, von der | |
Confederación de Trabajadores de la Economía Popular, einer Vereinigung, | |
die in den Armensiedlungen aktiv ist. | |
In zwei Jahren Macri-Regierung stiegen in der Hauptstadt Buenos Aires die | |
Tarife für Strom um rund 560 Prozent, für Wasser um rund 340 Prozent und | |
für Gas um rund 220 Prozent. Zugleich verteuerte sich das Busticket von | |
3,25 Peso auf 9 Peso. „Alles wird teurer, nicht nur Strom, Wasser und Gas,“ | |
sagt Graciela Fernández, die zusammen mit anderen Frauen einen kleinen | |
Comedor in dem Ort Otamendi in der Provinz Buenos Aires organisiert. Kinder | |
aus armen Familien bekommen dort täglich ein kostenloses Mittagessen. Das | |
Brot backen sie selbst. „Ein Kilo Mehl kostet heute 25 Peso, vor einem Jahr | |
waren es noch zwölf,“ sagt die 60-Jährige. | |
Nach offiziellen Angaben sank der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung | |
von September 2016 bis Ende 2017 landesweit von 32 Prozent auf 25,7 | |
Prozent. Der Durchschnittswert verschleiert, dass gerade in den kleinen | |
Provinzen viele nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. | |
Das bestätigt Rubén Guzman, der aus der nördlichen Grenzprovinz Formosa | |
nach Buenos Aires gekommen ist. Noch könne er mit Changas, wie die | |
informelle Gelegenheitsarbeiten heißen, seine Familie gerade so über Wasser | |
halten. „Seit Monaten gibt es kaum noch Changas, bei vielen geht die Angst | |
vorm Hunger um,“ sagt der 43-Jährige. | |
## Weitere Einsparungen geplant | |
Florencia Tejerina ist aus der südlichen Provinz Río Negro ist gekommen. Im | |
bäuerlichen Familienbetrieb werden auf 35 gepachteten Hektar Zwiebeln | |
gezogen. Die 22-Jährige ist für Ein- und Verkauf zuständig. Zwar hätten sie | |
letztes Jahr nur acht Peso für den Sack Zwiebeln gekommen, dieses Jahr | |
dagegen 80 Peso. Doch im Gegenzug seien die Preise für Saatgut und | |
Düngemittel explodiert, und die ständig steigende Pacht drücke ihnen die | |
Gurgel zu. „Wenn die Regierung keine Kredite für den Kauf von Ackerflächen | |
in Aussicht stellt, geht der kleinbäuerlichen Landwirtschaft bald die Luft | |
aus.“ | |
All dies fließt ein in die Forderungen an die Regierung, für die der | |
„Marsch für Brot und Arbeit“ in die Hauptstadt gezogen ist. Mehr Mittel f�… | |
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den sozial schwachen Siedlungen, sofortige | |
Nahrungshilfen für notleidende Kinder und Jugendliche, Hilfe für Abhängige | |
und Drogengefährdete und die Einrichtung eines Kreditfonds für die | |
familiären Landwirtschaftsbetriebe zum Kauf von Ackerflächen. Ob die | |
Regierung den Forderungen nachkommt, ist mehr als fraglich. Noch am Freitag | |
kündigte Haushaltsminister Nicolás Dujovne weitere Einsparungen in Höhe von | |
800 Millionen Dollar an. | |
2 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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