# taz.de -- Shitstorm auf Twitter: Tauber lästert über Minijobber | |
> CDU-Generalsekretär Peter Tauber erntet Kritik für einen Tweet über | |
> Minijobs – zu Recht. Sein Satz ist gleich aus mehreren Gründen dumm. | |
Bild: Nicht sein erster Shitstorm: Peter Tauber | |
Berlin taz | Wenn Politikern etwas herausrutscht, was sie wirklich denken, | |
kann das für sie sehr unangenehm werden. Unvergessen, wie der damalige | |
SPD-Vorsitzende Kurt Beck 2006 einem schimpfenden Arbeitslosen riet, wenn | |
er sich wasche und rasiere, habe er in drei Wochen einen Job. Die | |
Reaktionen fielen, vorsichtig gesagt, gemischt aus. | |
Jetzt hat auch Peter Tauber seinen Kurt-Beck-Moment. Tauber ist | |
CDU-Generalsekretär, ein wichtiger Mann für Merkels Wahlkampf, und er | |
vergriff sich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter im Ton. In einer | |
Diskussion über das Versprechen von CDU und CSU, bis 2025 Vollbeschäftigung | |
zu schaffen, fragte ihn am Montagabend ein Nutzer: „Heißt das jetzt drei | |
Minijobs für mich?“ | |
Tauber schoss – offenbar ohne groß Nachzudenken – zurück: „Wenn Sie was | |
Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs.“ | |
Klatsch. Die arrogante Antwort des Christdemokraten hatte das Potential, | |
ein echter Rohrkrepierer zu werden. Taubers Antwort klang nicht nur wie | |
eiskalter, elitärer Technokratensprech, sie war auch aus mehreren Gründen | |
inhaltlich falsch. | |
Erstens schützt heutzutage eine (ordentliche) Ausbildung nicht mehr vor | |
schlecht bezahlten Jobs, mit denen sich keine Familie ernähren lässt. | |
Tauber sollte sich mal bei Angestellten in der Gastronomie oder im | |
Wachschutz schlau machen. Es war seine CDU, die an der Expansion des | |
Niedriglohnsektors tatkräftig mitgewirkt hat. Zweitens beleidigte Tauber | |
mit dem Tweet eine Gruppe, um die er eigentlich kämpfen sollte. Der | |
Generalsekretär gilt ja als Gesicht einer modern aufgestellten, urbanen | |
Christdemokratie. | |
## Minijobs machen mehrheitlich Frauen | |
Minijobs machen mehrheitlich Frauen, weil sie sich mit Kindererziehung | |
vereinbaren lassen und steuerliche Vorteile bieten. Der häufigste | |
Schulabschluss in dieser Gruppe ist laut einer [1][Studie des | |
Leibniz-Instituts] für Wirtschaftsforschung auf dem nordrhein-westfälischen | |
Arbeitsmarkt das Abitur, der häufigste Berufsabschluss eine Lehre oder | |
Ausbildung. Und für diese Frauen hat der CDU-General nur Verachtung übrig? | |
Der Shitstorm folgte prompt, bis zum Dienstagmorgen antworteten 1.400 | |
Menschen – meist mit scharfer Kritik. Ein Nutzer warf ihm eine | |
„menschenverachtende, arrogante und elitäre Haltung“ vor. Eine andere | |
fragte: „Würden Sie der Putzfrau attestieren, nichts ,Ordentliches`gelernt | |
zu haben?“ Eine dritte berichtete von dem Kitaerzieher, der zusätzlich als | |
Kassierer arbeiten müsse, weil er sonst nicht über die Runden komme. Der | |
Satiriker Jan Böhmermann kommentierte lakonisch: „Die Schwarze Null.“ | |
Die Gegner der CDU konnten ihr Glück kaum fassen – und griffen die Vorlage | |
dankbar auf. SPD-Fraktionschef [2][Thomas Oppermann twitterte]: „Und wer | |
keinen Anstand gelernt hat, wird CDU-Generalsekretär.“ Die „pöbelnde | |
Arroganz“ Peter Taubers zeige: „Der CDU fehlt der Respekt vor | |
Geringverdienern“, kritisierte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Und | |
Grünen-Chef [3][Cem Özdemir schrieb]: „Traurig, wenn eine ‚christliche‘ | |
Volkspartei den Bezug zur Lebenswelt der BürgerInnen verliert.“ | |
## Wahlprogramm ignoriert Niedrigverdiener | |
Taubers Äußerung explodierte auch deshalb so fulminant, [4][weil CDU und | |
CSU am Montag ihr gemeinsames Wahlprogramm vorgelegt hatte]. Jenes | |
verspricht viele Geschenke für die (obere) Mittelschicht, lässt aber | |
Niedrigverdiener außen vor. | |
Und Tauber? Der Mann, der Krisenkommunikation aus dem Effeff beherrschen | |
müsste, versuchte sich am Dienstagmorgen zunächst noch in der | |
Vorwärtsverteidigung. Fakt sei: „Nur mit einer guten Ausbildung verdient | |
man genug, damit man nicht drei Mini-Jobs braucht, um über die Runden zu | |
kommen!“, legte er nach. Nun gilt auch im politischen Geschäft die Regel: | |
Wer sich in einem Loch wiederfindet, sollte tunlichst aufhören zu graben. | |
Schließlich sah das auch Peter Tauber ein. Wer drei Minijobs brauche, der | |
habe es nicht leicht, twitterte er. Er habe niemandem zu nahe treten | |
wollen. „Es tut mir leid, dass ich mein eigentliches Argument – wie wichtig | |
eine gute Ausbildung und die richtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen | |
sind, damit man eben nicht auf drei Minijobs angewiesen ist – so blöd | |
formuliert und damit manche verletzt habe.“ | |
Übersetzt heißt das: Sorry, Leute, ich habe Unsinn verzapft. Tauber, das | |
muss man ihm zugute halten, hat es am Ende noch selbst gemerkt. | |
4 Jul 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/rwi-projektberich… | |
[2] https://twitter.com/ThomasOppermann/status/882135226285207552 | |
[3] https://twitter.com/cem_oezdemir/status/882148800189673473 | |
[4] /Wahlprogramm-von-CDU/CSU/!5426193/ | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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