# taz.de -- Sexualstrafrecht in Dänemark: Künftig heißt nur Ja wirklich Ja | |
> Kopenhagen verschärft sein Sexualstrafrecht: Als Vergewaltigung gilt, | |
> wenn man sich nicht einig ist. Vorbild dafür ist der Nachbar Schweden. | |
Bild: Dänemarks Justizminister Nick Hækkerup stellt das neue Ja-heißt-Ja-Ges… | |
STOCKHOLM taz | „Wir gehen von einem System, wo Zwang und Gewalt | |
erforderlich waren, um den Tatbestand einer Vergewaltigung zu erfüllen, zu | |
einem, wo es Vergewaltigung ist, wenn man sich nicht einig ist“, fasste | |
Dänemarks Justizminister Nick Hækkerup das Resultat einer Gesetzesreform | |
zusammen, auf das sich die sozialdemokratische Regierung am Dienstagabend | |
mit ihren rot-grünen Partnern geeinigt hatte. Ein „Riesenschritt für | |
Gleichstellung und Gleichberechtigung“ sei damit erreicht worden. | |
Nach jahrelanger Debatte bekommt der Vergewaltigungstatbestand des | |
dänischen Sexualstrafrechts eine neue Fassung. Am genauen Wortlaut soll | |
noch gefeilt werden, bevor die Gesetzesvorlage im Oktober im Parlament | |
eingebracht werden soll, um zum 1. Januar 2021 in Kraft zu treten. Aber die | |
Vorlage entspricht den Änderungen, die 2018 in Schweden in Kraft getreten | |
waren. | |
Der Grundsatz [1][„Nein heißt Nein“] soll nun zu einem [2][„Nur ein Ja i… | |
ein Ja“] konkretisiert werden. Besteht zwischen den Beteiligten keine | |
Einigkeit über Geschlechtsverkehr, kann damit der Tatbestand der | |
Vergewaltigung erfüllt sein. Diese Einigkeit muss in einer aktiven verbalen | |
oder nonverbalen Zustimmung eindeutig erkennbar ausgedrückt werden. | |
Die Gesetzesmaterialien liefern ein Beispiel: Ein Flirt oder ein Kuss zu | |
einem früheren Zeitpunkt kann nicht als Einverständnis für einen späteren | |
Geschlechtsverkehr interpretiert werden. Auch [3][Passivität soll nicht | |
länger als stilles Einverständnis] ausgelegt werden können. | |
## Zweifel in Schweden nicht bewahrheitet | |
„Ein großer Tag, für den wir seit 2008 gekämpft haben“, sagt Karina | |
Lorentzen, justizpolitische Sprecherin der Linkssozialisten. Von einem | |
„Riesensieg“ spricht Helle Jacobsen von der dänischen | |
Amnesty-International-Sektion: „Das haben Vergewaltigungsopfer, | |
Frauenorganisationen und Amnesty seit Jahren gefordert.“ Rosa Lund von der | |
linken Einheitsliste sagt: „Ich bin überzeugt, dass die allermeisten | |
Menschen wissen, was Zustimmung zu sexuellem Umgang ist. Und wenn man sich | |
nicht sicher ist, dann kann man ja einfach fragen.“ | |
Auch in Schweden hatte es anfänglich Bedenken gegeben, ob ein solches | |
Zustimmungserfordernis in der Praxis handhabbar ist – Zweifel, die sich | |
nicht bewahrheitet haben. Der oberste Gerichtshof hat mittlerweile den | |
Grundsatz entwickelt, dass es für eine Verurteilung zur fahrlässigen | |
Erfüllung des Vergewaltigungstatbestands ausreichend ist, wenn einem | |
Angeklagten nachgewiesen werden kann, dass er es auch in Betracht zog, dass | |
das Opfer nicht einverstanden gewesen war. | |
An den [4][Beweisproblemen], die es bei jedem Strafverfahren zum Vorwurf | |
der Vergewaltigung gibt, änderte allerdings auch die Einwilligungsregelung | |
nichts. Nach wie vor hat die Anklage die Beweislast – nun eben dafür, dass | |
es eine keine Einwilligung gegeben hat. Musste sie nach alter Gesetzeslage | |
Gewalt oder Drohung nachweisen, muss jetzt nachgewiesen werden, dass der | |
Wille der anderen Person missachtet wurde. | |
In Schweden hat das in der Praxis dazu geführt, dass die Zahl von Anklagen | |
und Verurteilungen wegen Vergewaltigung zwischen 2017, dem Jahr vor der | |
Reform, und dem Jahr 2019 um 75 Prozent von 190 auf 333 angestiegen ist. | |
„Der Gesetzeseffekt war damit wesentlich größer, als man vorher angenommen | |
hatte“, sagt Stina Holmberg, Forschungschefin beim Rat für | |
Kriminalitätsprävention. | |
2 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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