# taz.de -- SPD wählt Landeschef: Showdown in Neukölln | |
> Jan Stöß will Michael Müller den Parteivorsitz abluchsen. Welche Folgen | |
> hätte das für die SPD? | |
Bild: Angreifer und Verteidiger: Jan Stöß (links) und Michael Müller | |
Am Samstagvormittag wird er in einem Neuköllner Hotel am Rednerpult stehen, | |
vor sich rund 220 Delegierte, zahlreiche Gäste, interessierte Vertreter | |
anderer Parteien und eine sehr gut besetzte Pressebank. Werben wird Michael | |
Müller für sich und seine Wiederwahl als SPD-Landesvorsitzender. Eigentlich | |
aber müsste dort nicht er, sondern Klaus Wowereit stehen und sich | |
verantworten: für zu wenig Kommunikation, zu wenig Einbeziehung, zu wenig | |
Beteiligung an der Macht. Denn die Partei will mehr mitreden bei dem, was | |
sich im Roten Rathaus und in den Senatsverwaltungen abspielt. Ihrem | |
Nochvorsitzenden Müller hält sie vor, dass er zu wenig hineinhorcht. Doch | |
selbst wenn er es täte, würde sich der Regierende Bürgermeister davon nicht | |
beeindrucken lassen. | |
Was zur Abstimmung steht, ist darum nicht Müller, sondern letztlich das | |
System Wowereit. Das beruht auf einem Politikstil, der oft erfolgreich war | |
– keiner verstehe die Stadt so gut wie der Regierende, gesteht ihm | |
Stöß-Unterstützer und Fraktionschef Raed Saleh zu. Dieser Politikstil hat | |
aber nichts mit Einbeziehung der Partei zu tun. Dass Wowereit als einziger | |
SPD-Regierungschef außer dem zu vernachlässigenden Kollegen in Bremen nicht | |
auch Landeschef seiner Partei ist, zeugt mehr als alles andere davon, dass | |
er sein Ding ungebunden durchziehen will. | |
Müllers Job in den vergangenen acht Jahren als Berliner SPD-Vorsitzender | |
bestand darum hauptsächlich darin, Wowereit die Partei vom Hals zu halten. | |
Die SPD muss sich bewusst sein, dass sie mit einem Führungswechsel auch | |
einen Machtverlust in der Landespolitik riskiert. Fraktionschef Saleh | |
wünscht sich merklich den Regierenden Bürgermeister im wörtlicher Sinne von | |
„Exekutive“: als den, der ausführt, was andere – Saleh in der Fraktion u… | |
Stöß in der Partei – beschlossen haben. Mit Wowereit, das weiß Saleh, ist | |
das nicht zu machen. | |
Es droht eine Kette von Ereignissen: Verliert Wowereit seinen Protegé | |
Müller, springt er womöglich bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit | |
ab, ins Bundeskabinett oder in einen hochdotierten Beraterjob. Die CDU | |
weigert sich, Stöß oder Saleh zum Nachfolger zu wählen, die rot-schwarze | |
Koalition platzt. Die Grünen-Fraktion hat bereits signalisiert, dass sie | |
nicht als Ersatz bereit steht. Es folgen Wahlen, bei denen SPD-Pannen wie | |
das Flughafendesaster noch sehr präsent sind. 2011 war das anders, da lagen | |
S-Bahndesaster und Eischaos schon über ein Jahr zurück. | |
Und wer ist derzeit beliebtester Politiker in der Stadt und Vorsitzender | |
der einzigen Partei, die in den letzten drei Jahren ohne große interne | |
Querelen auskam? CDU-Chef Frank Henkel. Die Sozialdemokraten aktuell in der | |
Krise, die Grünen im vergangenen Herbst in der Selbstzerfleischung, die | |
Linkspartei auf Bundesebene jüngst fast zerbrochen. Stabil allein: die CDU. | |
Das würde sich zwangsläufig auch im Wahlergebnis niederschlagen. | |
Kurzum: Eine Mehrheit in der SPD scheint einen anderen Führungsstil und ein | |
Ende des Systems Wowereit zu wollen. Die SPD-Delegierten beim Parteitag | |
müssen dabei bloß im Kopf haben, dass für sie ein Machtwechsel in der | |
Partei auch den Machtverlust im Roten Rathaus bedeuten könnte. | |
8 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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